Krimkrieg

Krimkrieg

Krimkrieg, der zwischen Rußland einerseits und der Türkei und ihren Verbündeten (England, Frankreich und Sardinien) anderseits 1853–56 geführte Krieg, der seine Entscheidung auf der Halbinsel Krim fand. Der Kaiser Nikolaus von Rußland betrachtete, nachdem die Revolution mit seiner Hilfe niedergeworfen war, Preußen und Österreich als seine Vasallen; England hielt er nicht für willens, Frankreich nicht für fähig, sich ihm zu widersetzen, die Türkei aber der Auflösung nahe. Er wollte die Donaufürstentümer, Serbien und Bulgarien, als selbständige Staaten unter russischen Schutz stellen. Da England eine Vereinbarung über die Teilung der Türkei ablehnte, schickte er im Februar 1853 den Fürsten Menschikow nach Konstantinopel, um neben der Anerkennung des Rechtes der griechischen Kirche auf die heiligen Stätten in Jerusalem den Abschluß eines förmlichen Vertrags über die Garantie der Privilegien der griechischen Kirche in der Türkei zu verlangen. Menschikow brachte diese Forderungen überdies in so herausfordernder Weise vor, daß die Pforte sie trotz der Zurückhaltung der Westmächte ablehnte, worauf Rußland 2. Juli 1853 unter Gortschakow 40,000 Mann in die Donaufürstentümer einrücken ließ. Obwohl Rußland erklärte, daß die Fürstentümer nur ein Pfand für die Erfüllung seiner Forderungen sein sollten, nahmen die Russen förmlich von der Regierung Besitz. Da erklärte der Sultan Abd ul Medschid 4. Okt. an Rußland den Krieg, während eine englische und eine französische Flotte, die schon seit dem Frühjahr in der Besikabai ankerten, in den Bosporus einliefen. Erst als die russische Flotte unter Nachimow 30. Nov. eine türkische bei Sinope vernichtete und Nikolaus einen neuen Friedensvorschlag der Wiener Konferenz hochmütig zurückwies, ließen die Westmächte ihre Flotten in das Schwarze Meer einlaufen und schlossen 12. März 1854 mit der Türkei ein Bündnis.

Weder empörten sich die Radschas in den türkischen Provinzen, wie Rußland gehofft hatte, noch leisteten Österreich und Preußen den erwarteten Beistand, vielmehr vereinigten sie sich 20. April zur Forderung der Räumung der Donaufürstentümer und erklärten deren Einverleibung und die Überschreitung des Balkans für einen Kriegsfall; auch verteidigten sich die Türken tapfer und brachten den Russen wiederholt Verluste bei. Paskewitsch konnte Silistria nicht erobern; 21. Juni mußte die Belagerung aufgehoben werden. Nur in Armenien hatte Rußland Erfolge. Daher nahmen die Russen die Sommation Österreichs vom 14. Juni zum Vorwande, die Donaufürstentümer zu räumen. Die Westmächte schickten eine Flotte nach der Ostsee, die nur die Festung Bomarsund auf den Ålandsinseln (16. Aug.) eroberte, sonst aber ebensowenig ausrichtete wie die Engländer im Nördlichen Eismeer und in Asien. Das Landheer, 40,000 Franzosen unter Saint-Arnaud und 20,000 Engländer unter Raglan, kam erst im Juli 1854 nach Warna, als die Russen bereits nach Bessarabien zurückgegangen waren. Der Einfall des Generals Espinasse in die Dobrudscha mißglückte.

Daher entschlossen sich die Westmächte zu einem Angriff auf Sebastopol. Die Landung in der Bucht von Eupatoria wurde 14. Sept. bewerkstelligt und das russische Heer unter Menschikow 20. Sept. an der Alma von den Franzosen und Türken geschlagen. Aber die Überrumpelung Sebastopols mißlang, da die Russen durch Versenkung der Flotte den Hafen gesperrt und die Nordseite desselben gut befestigt hatten. Die Alliierten mußten die Festung von der Südseite zernieren, während dieselbe von der Nordseite her mit Baktschisarai, wohin sich Menschikow zurückgezogen, und mit dem Innern Rußlands in Verbindung blieb. Am 9. Okt. begann unter dem Oberbefehl Canroberts, der seit Saint-Arnauds Tode (29. Sept.) die Franzosen befehligte, und Raglans die Belagerung Sebastopols. Die Versuche der Russen, durch den Angriff auf die Engländer bei Balaklawa (25. Okt.) und durch die Schlacht auf dem Plateau von Inkerman (5. Nov.) die Verbündeten vom Meer abzuschneiden, mißlangen; aber der strenge Winter richtete unter den Truppen der Verbündeten durch Krankheiten furchtbare Verheerungen an. Namentlich die Engländer erlitten ungeheure Verluste. Jedoch erhielten die Verbündeten bis zum Frühjahr 1855 bedeutende Verstärkungen. Die Russen ergänzten und erweiterten unter General Totlebens genialer Leitung während des Winters die Befestigungswerke. Ihre Ergänzungstruppen wurden aber in den verschneiten Steppen fast aufgerieben, und die Verpflegung der Festung war mangelhaft.

Obwohl die Stimmung in Deutschland und Österreich entschieden für die Westmächte war, welche die Sache der Zivilisation gegen den russischen Despotismus zu verteidigen schienen, blieben Österreich und Preußen doch untätig; nur Sardinien schloß sich 26. Jan. 1855 den Westmächten an und schickte im Mai 15,000 Mann nach der Krim. Am 17. Febr. wurde ein russischer Angriff auf die Türken in Eupatoria zurückgeschlagen. Die Alliierten richteten jetzt auf General Niels Rat ihren Angriff gegen den Malakow. Der neue Befehlshaber Pélissier leitete den Kampf mit stürmischer Energie. Die Russen bauten in der Nacht die am Tage zerstörten Festungswerke wieder auf. Nachdem 18. Juni ein Sturm der Verbündeten auf den Malakow und den Redan abgeschlagen war, erlitten die Russen unter Gortschakow 16. Aug. an der Tschernaja eine Niederlage, und 8. Sept. eroberten die Franzosen den Malakow, während der Sturm der Engländer unter Simpson (Raglan war 28. Juni gestorben) auf den Redan mißlang. In der Nacht sprengte Gortschakow die Festungswerke der Südseite in die Luft, versenkte den Rest der Flotte und zog sich auf die Nordseite der Bucht von Sebastopol zurück. Am 10. Sept. besetzten die Verbündeten die rauchenden Trümmer der Stadt.

Frankreichs Kriegslust und Ruhmsucht waren hiermit gestillt, und auch Alexander II., der am 2. März auf Nikolaus gefolgt war, zeigte sich zum Frieden geneigt, nachdem durch die Eroberung von Kars 28. Nov. der russischen Waffenehre Genüge getan war. Rußland nahm daher auf Österreichs Anregung 16. Jan. 1856 die am 22. Juli 1854 von den Westmächten als Zweck des Krieges und Grundlage des Friedens formulierten vier Punkte an, und 25. Febr. trat in Paris der Friedenskongreß zusammen. Am 30. März 1856 wurde der Friede von Paris unterzeichnet. Rußland trat die Donaumündungen nebst einem Landstrich Bessarabiens an die Donaufürstentümer ab, lieferte Kars wieder aus und verzichtete auf das Protektorat über die Donaufürstentümer und die Christen in der Türkei; eine Organisation der erstern sollte von sämtlichen kontrahierenden Mächten ausgehen und von diesen auch gemeinsam die Reformen der Türkei, die selbst in das europäische Konzert aufgenommen wurde, überwacht werden. Die Schiffahrt auf der Donau wurde für frei erklärt, das Schwarze Meer neutralisiert und Rußland untersagt, mehr Kriegsschiffe auf demselben zu halten als die Türkei (welche Beschränkung 1871 auf der Londoner Konferenz wieder aufgehoben wurde). Den meisten Vorteil trug augenblicklich Napoleon III. davon, dessen Heer mit Ruhm für eine zivilisatorische Idee gekämpft hatte, und der nun der mächtigste Herrscher Europas geworden war. Vgl. »Der Feldzug in der Krim 1854–1855«, Sammlung der Berichte beider Parteien (Leipz. 1855–56); Bogdanowitsch, Der orientalische Krieg 1853–1856 (russ., Petersb. 1876, 4 Bde.); Kinglake, The invasion of the Crimea (Lond. 1863–88, 8 Bde.; 8. Aufl. 1887; neue Ausg. 1901, 8 Bde.; Auszug in 1 Bd. 1899); Bazancourt, Der Feldzug in der Krim (deutsch, Wien 1856, 2 Bde.); Rousset, Histoire de la guerre de Crimée (2. Aufl., Par. 1878, 2 Bde.); Hamley, The war in the Crimea (3. Aufl., Lond. 1891); Bamberg, Geschichte der orientalischen Angelegenheiten (Berl. 1888); Kunz, Die Schlachten und Treffen des Krimkriegs (das. 1889); »Etude diplomatique sur la guerre de Crimée, par un ancien diplomate« (Petersburg 1878, 2 Bde.); Geffcken, Zur Geschichte des orientalischen Krieges 1853–1856 (Berl. 1881); Dubrowin, Geschichte des Krimkrieges und der Verteidigung Sebastopols (russ., Petersb. 1900, 3 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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