Augustus [2]

Augustus [2]

Augustus (eigentlich Gajus Julius Cäsar Octavianus), erster röm. Kaiser, geb. 23. Sept. 63 v. Chr., gest. 19. Aug. 14 n. Chr. zu Nola in Kampanien, Sohn des C. Octavius, der auf der Rückreise aus seiner Statthalterschaft Makedonien 58 zu Nola starb, und der Atia, einer Tochter der Julia, der jüngern Schwester Julius Cäsars, der also sein Großoheim war. Von seiner Mutter und seinem Stiefvater Lucius Marcius Philippus in Rom sorgfältig erzogen, erwarb er sich die Gunst des kinderlosen Cäsar, der ihn 45 nach Spanien nachkommen ließ, zu seinem Haupterben einsetzte und adoptierte. Nach Cäsars Ermordung eilte er von Apollonia in Illyrien, wo ihn Apollodor in der Beredsamkeit ausbildete, sofort nach Rom, um die Erbschaft Cäsars anzutreten; da Antonius sie ihm streitig machte, verkaufte er ererbte Landgüter, um jedem Bürger die in Cäsars Testament ausgesetzten 300 Sesterzien auszahlen zu können, wußte sich das Vertrauen Ciceros und andrer Republikaner zu erwerben, lockte durch Versprechungen und Geld die Cäsariänischen Veteranen in Kampanien und Samnium sowie einen Teil der aus Makedonien zurückgekehrten Legionen des Antonius in seine Dienste und wurde nun vom Senat zusammen mit den Konsuln Hirtius und Pansa beauftragt, den für einen Feind des Vaterlandes erklärten Antonius zu bekriegen. Nach glücklicher Beendigung des Krieges (bei Mutina 43) bemächtigte er sich, da die beiden Konsuln im Kampfe fielen, auch ihrer Truppen, erzwang, als ihn der Senat durch Zurücksetzung beleidigte, durch einen Zug gegen Rom seine Wahl zum Konsul und schloß mit Antonius und Lepidus das zweite Triumvirat. Nach blutigen Proskriptionen (wobei auch Cicero umkam) und nach großen Gelderpressungen zogen Oktavian und Antonius nach Makedonien und besiegten bei Philippi Brutus und Cassius. Während Antonius nach dem Osten ging, kehrte Oktavian nach Italien zurück, geriet jedoch wegen der Ackerverteilungen an die Veteranen mit Fulvia, der Gemahlin, und Lucius Antonius, dem Bruder des Triumvirs, in den »Perusinischen Krieg«. Er hatte ihn schon siegreich beendet (40), als M. Antonius sich der Küste Italiens näherte; schon damals schien die Entscheidung durch die Waffen bevorzustehen, doch brachten die beiderseitigen Freunde zu Brundisium einen Vertrag zustande, durch den Oktavian die Herrschaft über den Westen, jener die über den Osten erhielt, Lepidus auf den Besitz von Afrika beschränkt wurde. In den nächsten Jahren gelang es Oktavian durch seinen Feldherrn Agrippa, den in Brundisium durch einen Vertrag abgefundenen Sextus Pompejus an der Küste von Sizilien völlig zu schlagen und die Grenze am Rhein und an der Donau zu sichern, auch gewann er selbst durch eine klug berechnete Politik immer mehr die Gunst des Volkes, während Antonius durch unglückliche Kriege im Orient und durch seine Vermählung mit Kleopatra an Ansehen verlor (s. Antonius 3). Durch einen Beschluß des jetzt dem Oktavian völlig ergebenen Senats wurde Antonius seiner Macht für verlustig, an Kleopatra aber der Krieg erklärt, der durch das Verdienst Agrippas 2. Sept. 31 mit der Niederlage des Antonius in der Seeschlacht bei Aktion (s. d.) endigte; Antonius und Kleopatra gaben sich 30 in Alexandria den Tod. Oktavian selbst kehrte, nachdem er die Angelegenheiten im Osten geordnet, 29 als unbestrittener Alleinherrscher des römischen Reiches nach Rom zurück und empfing vom Senat den Titel Imperator auf Lebenszeit. Die nächsten Jahre benutzte er, um sich die Gunst des Heeres und des Volkes durch glänzende Freigebigkeit zu sichern und sich den Senat vermöge der ihm übertragenen zensorischen Gewalt durch die Ausscheidung unwürdiger und unzuverlässiger Mitglieder (28) vollkommen zu eigen zu machen. Dann aber führte er es geschickt herbei, daß ihm vom Senat der Oberbefehl und die prokonsularische Gewalt in allen Provinzen, die zu ihrem Schutz einer Militärmacht bedurften, förmlich übertragen und ihm zugleich der Ehrenname Augustus beigelegt wurde. Sodann wurden ihm 23 die tribunizische und die konsularische Gewalt, 19 die Befugnis, Verordnungen mit Gesetzeskraft zu erlassen, und endlich 12 das durch den Tod des Lepidus erledigte oberste Priesteramt übertragen. So vereinigte er die sämtlichen bedeutenden öffentlichen Ämter in seinem Besitz, um unter republikanischen Formen unumschränkt zu herrschen. Die Hauptgrundlage seiner Herrschaft bildete aber das Heer, das erste stehende von größerm Umfang, das die alte Zeit kennt. In der letzten Zeit seiner Regierung bestand es aus 25 Legionen (mit den Hilfsvölkern etwa 300,000 Mann), die über die Provinzen verteilt waren; hierzu kamen 9 Kohorten Prätorianer von je 1000 Mann zu Fuß und 200 Reitern in Rom und dessen nächster Umgebung. Indes trotz der Stärke dieser Streitmacht war er grundsätzlich ein Gegner weitaussehender Eroberungspläne; nur wenn es die Sicherheit der Grenzen verlangte, führte er Kriege, und auch dann nicht selbst, sondern durch seine Feldherren, namentlich durch Agrippa, später durch seine Stiefsöhne Tiberius und Drusus, von denen der erstere durch seine Politik im Osten den Partherkönig bestimmte, die in den Jahren 53 und 36 gewonnenen römischen Gefangenen und Feldzeichen auszuliefern (20). Allein dem spanischen Krieg, durch den 27–19 die Halbinsel vollständig unterworfen wurde, hat er teilweise beigewohnt. Von der größten Bedeutung waren die in den Grenzländern am Rhein und in den Donaugegenden geführten Kriege. Am Rhein wurden die Feindseligkeiten durch einen Einfall der am Niederrhein wohnenden Sigambrer in die Provinz Gallien 16 eröffnet. A. eilte selbst an den Rhein, um die Provinz zu schützen und neu zu ordnen; dann aber unternahm Drusus 12–9 wiederholt Einfälle in Deutschland, und durch diese wie durch die weitern Einfälle des Tiberius wurde Nordwestdeutschland für eine Zeitlang das römische Joch auferlegt, bis die 9 n. Chr. erfolgte Niederlage des Quintilius Varus im Teutoburger Wald (s. Arminius) die Römer wieder auf die Rheingrenze beschränkte. In den Donaugegenden wurden 16–15 die Provinzen Rätien und Vindelizien und dann 14–9 v. Chr. und 6–9 n. Chr. die Provinzen Noricum, Pannonien, Dalmatien, Mösien durch blutige Kriege entweder neu gegründet oder wiederhergestellt und gesichert, wodurch die römische Herrschaft südlich der Donau bis an das Schwarze Meer ausgedehnt wurde.

Weit mehr als Kriegführung lag ihm die Herstellung von Ruhe und Wohlfahrt im Innern des Reiches am Herzen. Denn nachdem seine kühle Besonnenheit und seine in den Mitteln nicht wählerische Berechnung ihn das Ziel seines Ehrgeizes, die Herrschaft, hatte erreichen lassen, sagte er sich äußerlich von den Handlungen des Triumvirats los (28) und ließ neben dem bis dahin schon bewiesenen Geschick, mit scharfem und klarem Urteil neue Einrichtungen zu planen und sie vorsichtig und geduldig durchzuführen, Milde, Gerechtigkeit und Versöhnlichkeit zur Geltung kommen. In vielen Provinzen des Reiches hielt er sich selbst längere Zeit auf, die bisherigen Mißbräuche in der Verwaltung abstellend, so daß sie nach den Erpressungen in den letzten Jahrzehnten aufatmeten; überall gründete er Kolonien, legte Landstraßen an, suchte durch Gesetze etc. auf Wiederherstellung der Religiosität und alten Sitte zu wirken und verschönerte Rom durch Tempel und öffentliche Gebäude. Ihm verdankte das durch die Bürgerkriege schwer erschütterte Reich eine Zeit äußern Glanzes und innerer Erholung. Auch die Blüte der Literatur, zu deren Gönner ihn eigne Neigung und kluge Berechnung machte, hat zu der Verherrlichung seines Namens beigetragen. Glücklich war die erste Hälfte seiner fast ein halbes Jahrhundert füllenden Regierung; in der zweiten waren ihm zahlreiche Enttäuschungen beschieden, namentlich in der eignen Familie. Er war dreimal verheiratet, mit Clodia, Scribonia, Livia; von der zweiten Gemahlin hatte er eine Tochter, Julia, die erst mit seinem Schwestersohn Marcellus (gest. 23 v. Chr.), dann mit Agrippa (gest. 12 v. Chr.), endlich mit Tiberius verheiratet war; Livia brachte ihm die schon genannten Söhne Tiberius und Drusus zu. Allein Drusus starb 9 v. Chr. in Deutschland; seine Tochter Julia erregte durch ihre Ausschweifungen so großen Anstoß, daß er sie 2 v. Chr. aus Rom verbannte, und die beiden Söhne der Julia aus der Ehe mit Agrippa, Gajus und Lucius Cäsar, starben 4 und 2 n. Chr. in jugendlichem Alter; es blieb daher dem A. nichts übrig, als den Tiberius zu adoptieren (4 n. Chr.) und ihn damit wider seine Neigung als seinen Nachfolger zu bezeichnen. Die Taten des A. sind zusammengestellt in der Steininschrift des Monumentum Ancyranum (s. Angora), »der Königin der Inschriften«, zuletzt herausgegeben von Th. Mommsen (2. Aufl., Berl. 1883). Unter den erhaltenen Bildnissen des A. sind hervorzuheben: die schöne, 1863 in der Kaiservilla ad Gallinas (Primaporta) gefundene, jetzt im Vatikan befindliche Marmorstatue (s. Tafel »Bildhauerkunst VI«, Fig. 6), eine reizende, A. in seiner Jugend darstellende Büste im Vatikan und zwei der Münchener Glyptothek. Vgl. Gardthausen, A. und seine Zeit (Leipz. 1891, 2 Bde.); Seeck, Kaiser A. (Bielef. 1902), sowie die neuern Geschichten Roms, namentlich von Höckh (Braunschw. 1841–50), K. Peter (s. d.), Merivale (s. d.); Schiller, Geschichte der römischen Kaiserzeit, Bd. 1 (Gotha 1883); Duruy, Geschichte des römischen Kaiserreichs, Bd. 1 (deutsch, Leipz. 1885).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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