Herrmann

Herrmann

Herrmann, 1) Ernst Adolf, Historiker, geb. 28. März 1812 in Dorpat, gest. 23. Sept. 1884 in Marburg, studierte in Dorpat Geschichte und Philosophie und seit 1834 in Berlin unter Ranke insbes. neuere Geschichte, promovierte 1837 mit einer Schrift über den Deutschen Orden, kehrte nach Dorpat zurück, verließ es aber 1839 wieder, ließ sich in Dresden nieder und bearbeitete seit 1842 die Fortsetzung von Strahls »Geschichte des russischen Staates« in der Heeren-Ukertschen Sammlung, die (Bd. 3–6, Gotha 1846 bis 1860) die Geschichte Rußlands bis 1792 darstellt. H. habilitierte sich 1847 in Jena, ward 1848 außerordentlicher Professor, redigierte 1849–51 die »Weimarische Staatszeitung« und ging 1857 als ordentlicher Professor nach Marburg. Seine Schrift »Die österreichisch-preußische Allianz vom 7. Febr. 1792 und die zweite Teilung Polens« (Gotha 1861) führte zu einer lebhaften, in die Geschichte vom Ursprung der europäischen Koalition gegen das revolutionäre Frankreich eingreifenden Fehde mit H. v. Sybel, die von H. in den »Forschungen zur deutschen Geschichte« sowie in seinem Ergänzungsband zur russischen Geschichte: »Diplomatische Korrespondenzen aus der Revolutionszeit« (das. 1866) fortgesetzt wurde. Er veröffentlichte noch: »Beiträge zur Geschichte des russischen Reichs« (Leipz. 1843, unter anderm das Tagebuch Münnichs enthaltend); Vockerodts und Pleyers Denkschrift über Rußland unter Peter d. Gr. (das. 1872); »Peter d. Gr. und der Zarewitsch Alexei« (das. 1880) und in dem zu Petersburg erscheinenden »Sbornik«: Diplomatische Beiträge zur russischen Geschichte (1868–74).

2) Emil, Lehrer des Kirchenrechts und des Kriminalrechts, geb. 9. April 1812 in Dresden, gest. 16. April 1885 in Gotha, habilitierte sich 1834 in Leipzig, ward 1836 in Kiel außerordentlicher, 1842 ordentlicher Professor der Rechte, ging 1847 in gleicher Eigenschaft nach Göttingen, 1868 nach Heidelberg und wurde 1872 zum Präsidenten des evangelischen Oberkirchenrats in Berlin ernannt, in welcher Stellung er sich um die Durchführung der evangelischen Kirchenreform in Preußen und das Zustandekommen der Kirchengemeinde- und Synodalordnung verdient machte. Gegenüber der kampflustigen evangelischen Orthodoxie, der seine Synodalordnung zu liberal war, konnte er jedoch nicht standhalten. Im März 1878 nahm er seine Entlassung. Von seinen Schriften erwähnen wir: »Johann Freiherr zu Schwarzenberg« (Leipz. 1841); »Über die Stellung der Religionsgemeinschaften im Staat« (Götting. 1849); »Zur Beurteilung des Entwurfs der badischen Kirchenverfassung« (das. 1861); »Über den Entwurf einer Kirchenordnung für die sächsische Landeskirche« (Berl. 1861); »Die notwendigen Grundlagen einer die konsistoriale und synodale Ordnung vereinigenden Kirchenverfassung« (das. 1862); »Das staatliche Veto bei Bischofswahlen nach dem Rechte der oberrheinischen Kirchenprovinz« (Heidelb. 1869). Mit J. N. Falck, M. Tönsen u. a. gab er heraus: »Staats- und Erbrecht des Herzogtums Schleswig« (Hamb. 1846). In dem »Corpus juris civilis« der Gebrüder Kriegel bearbeitete er den Justinianischen Kodex.

3) Wilhelm, protest. Theolog, geb. 6. Dez. 1846 in Melkow (Regbez. Magdeburg), wurde 1874 Privatdozent in Halle, 1879 ordentlicher Professor der systematischen Theologie in Marburg. H. hat die auf Albrecht Ritschls systematische Ausführungen sich gründende theologische Richtung unter besonderer Berücksichtigung der ethischen Probleme selbständig weitergebildet. Er schrieb: »Die Metaphysik in der Theologie« (Halle 1876); »Die Religion im Verhältnis zum Welterkennen und zur Sittlichkeit« (das. 1879); »Die Bedeutung der Inspirationslehre für die evangelische Kirche« (das. 1882); »Warum bedarf unser Glaube geschichtlicher Tatsachen?« (2. Aufl., Halle 1891); »Der Verkehr des Christen mit Gott, im Anschluß an Luther dargestellt« (Stuttg. 1886, 4. Aufl. 1903); »Die Gewißheit des Glaubens und die Freiheit der Theologie« (Freiburg 1887); »Der Begriff der Offenbarung« (Gießen 1887); »Der evangelische Glaube und die Theologie Ritschls« (Marb. 1890); »Worum handelt es sich in dem Streit um das Apostolicum?« (Leipz. 1893); »Römisch-katholische und evangelische Sittlichkeit« (3. Aufl., Marb. 1903); »Ethik« (3. Aufl., Tübing. 1904); »Die sittlichen Weisungen Jesu. Ihr Mißbrauch und ihr richtiger Gebrauch« (Götting. 1904).

4) Hans, Maler, geb. 8. März 1858 in Berlin, machte seine ersten Kunststudien von 1874–79 auf der dortigen Akademie, besonders bei Gussow und Chr. Wilberg, und bildete sich dann von 1880–83 auf der Düsseldorfer Akademie bei Dücker zum Landschaftsmaler aus. Seine erste, 1880 unternommene Studienreise nach Holland gab seinem künstlerischen Schaffen die entscheidende Richtung. Er erkor sich das Leben in den holländischen Städten, in den Strand- und Fischerdörfern zum Gegenstand seiner Darstellungen, wobei er die Landschaft und die örtliche Umgebung mit den Figuren zu einem Ganzen verschmolz, das durch die Kraft der Luft- und Lichtstimmungen beherrscht wurde. Seine Eigenart zeigte sich zum erstenmal 1883 in einem Fischmarkt zu Amsterdam, einem Motiv, das er später noch mehrfach behandelte. Von seinen sehr zahlreichen spätern Bildern nach holländischen Motiven sind noch zu nennen: Ein Novembermorgen in Amsterdam, Fischerboote im Hafen von Amsterdam, holländische Fischauktion, auf den Wällen von Vlissingen, der Dom von Veere in Holland, das Innere der Fleischhalle in Middelburg, die Scheldemündung, der Milchmarkt, die Fischhalle und der Trödelmarkt in Amsterdam, Abend in Maasluis, Blumenmarkt in Leiden. 1888 unternahm er eine Reise nach Italien, deren Früchte der Fischmarkt in Chioggia und eine Reihe venezianischer Ansichten in Öl und Aquarell waren. 1889 beschäftigten ihn vorzugsweise die Stranddörfer am Zuidersee. Dann malte er mit besonders glücklichem Erfolg Ansichten von Straßen und Plätzen Berlins bei Frühjahrs-u. Herbststimmung m Ot und Aquarell (die Potsdamer Brücke, der Potsdamer Platz, Blick auf das Reichstagsgebäude). Ein Aquarell, das Judenviertel in Amsterdam, ist von der Berliner Nationalgalerie, eine Reihe Hamburger Ansichten von der Kunsthalle in Hamburg, ein Gemälde: alte holländische Stadt, von der Dresdener Galerie angekauft worden. H., der in Berlin lebt, erhielt 1900 die große goldene Medaille der Berliner Ausstellung.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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