Frucht [1]

Frucht [1]

Frucht (lat. fructus, hierzu die Tafel »Fruchtformen«) heißt bei den Pflanzen jedes Organ, das als Hülle eines oder mehrerer Samen auftritt. Im strengen Sinne bedeutet F. nur das nach stattgehabter Befruchtung weiter ausgebildete Gynäzeum der Angiospermen (s. Blüte). Je nachdem der Fruchtknoten verwachsenblätterig (synkarp) oder getrenntblätterig (apokarp) war, erscheint auch die F. als ein einheitliches Gebilde oder als Sammelfrucht, deren einzelne Teile dann als Früchtchen (fructiculi) bezeichnet werden. Die Gesamtheit der Früchte eines Blütenstandes bildet einen Fruchtstand. Bei der Ausbildung des Fruchtknotens zur F. wandelt sich dessen Wand zur Fruchtwand (Fruchthülle, Fruchtgehäuse, pericarpium) um. Man unterscheidet an dieser eine äußerste Schicht, das Epikarp (Exokarp), eine mittlere, das Mesokarp, und eine innerste, das Endokarp. Diese drei Schichten erhalten in manchen Fällen ganz verschiedenartige Ausbildung; so ist z. B. bei Pflaume und Kirsche das Epikarp hautartig, das Mesokarp fleischig, während des Endokarp den harten Steinkern bildet, in dem der Same eingeschlossen ist.

Die biologische Bedeutung der F. liegt in der Vermittelung der rechtzeitigen Aussaat keimfähiger Samen; die Aufgabe der Fruchtwand besteht demnach einmal in der schützenden Umhüllung der Samen bis zum Zeitpunkt der Aussaat und zweitens in der Vermittelung der Übertragung der Samen an den für die Entwickelung günstigen Ort. Der Schutz gegen mechanische Verletzung wird in vielen Fällen, in denen die Samen nicht eine eigne feste Schale ausbilden, bewirkt durch die Entwickelung harter, holziger oder lederartiger Gewebeschichten des Perikarps. Gegen Tierfraß schützen außerdem Bestachelung der Fruchtwand oder Anhäufung von Gerbstoff oder bitterm Milchsaft oder starkgiftiger Substanzen in demselben. Als der Aussaat dienende Einrichtungen der F. sind anzusehen: die Schwimmfähigkeit der Fruchtschale bei Strand- und Uferpflanzen, Flugeinrichtungen, wie z. B. die häutigen Flügel an der Flügelfrucht (samara; Tafel, Fig. 4 u. 9) des Ahorns u. der Pappus an den Achenen vieler Kompositen, hakenförmige Anhängsel, Kleb- und Klettapparate, welche die Verschleppung der Früchte durch vorbeistreichende Tiere ermöglichen, ferner die Ausbildung genießbarer Teile, welche die Tiere, besonders die Vögel, veranlassen, die Samen fortzutragen, endlich bei den Springfrüchten mancherlei Schleuder- und Ausstreuvorrichtungen an der sich öffnenden Fruchtwand (s. Aussaat, natürliche). Was die Fruchtformen anbetrifft, so unterscheidet man je nach der Beschaffenheit der Fruchtwand Trockenfrüchte und saftige Früchte. Bei den erstern ist das Perikarp gleichmäßig holzig, leder- oder pergamentartig oder dünnhäutig, während bei den letztern das Mesokarp und Endokarp oder nur das erstere eine fleischig-saftige oder breiartige Konsistenz annehmen. Die Trockenfrüchte bleiben entweder ganz geschlossen (Schließfrucht), oder zerfallen in mehrere einsamige Stücke (Bruchfrucht), oder spalten sich in geschlossen bleibende, den Fruchtblättern entsprechende Teile (Spaltfrucht), oder öffnen sich an bestimmten Stellen (Springfrucht). Eine aus einem unterständigen Fruchtknoten hervorgehende einsamige Schließfrucht, deren häutige Fruchtschale dem Samen dicht anliegt, ohne mit ihm zu verwachsen, wie bei den Kompositen, heißt Achene (achaenium, Tafel, Fig. 1 u. 1 a); bei der ebenfalls einsamigen Karyopse (caryopsis), die aus einem oberständigen Fruchtknoten hervorgeht, z. B. der F. der Gräser (Fig. 2), verwachsen dagegen Frucht- und Samenschale miteinander. Die Nuß (nux, Fig. 3), z. B. von Corylus, Tilia, ist eine Schließfrucht mit lederiger oder holziger Schale. Bei der Bruchfrucht (auch Gliederfrucht, Gliederhülse oder Gliedernuß, lomentum, Fig. 5), z. B. bei Coronilla, Ceratonia, Hedysarum u. a., zerfällt die F. zur Reifezeit in mehrere übereinanderstehende, einsamige Glieder. Die Spaltfrüchte (schizocarpia), z. B. bei den Umbelliferen, bei Cerinthe (Fig. 6), Geranium (Fig. 8), Acer (Fig. 9) u. a., gehen aus einem zwei- bis mehrfächerigen Fruchtknoten hervor und teilen sich in Abschnitte (Teilfrüchte oder mericarpia), die in verschiedener Weise miteinander in Verbindung bleiben oder sich voneinander lösen. Bei den Umbelliferen (Fig. 7) bleibt z. B. ein Teil der F. als sogen. Fruchtträger (carpophorum) in Form eines gabelteiligen Stieles stehen, an dessen Enden die Teilfrüchte (Doldenfrüchtchen), zusammen auch als diachaenium oder Doppelachene bezeichnet, hängen; in andern Fällen, z. B. bei Euphorbiazeen und bei Geranium (Fig. 8), lösen sich die Teilfrüchte von einem stehen bleibenden Mittelsäulchen (columella) ab. Unter den Springfrüchten, deren beim Öffnen entstehende Teile als Fruchtklappen bezeichnet werden, unterscheidet man die Balgfrucht oder Balgkapsel (folliculus, Fig. 10), die aus einem Fruchtblatt hervorgeht und sich nur an der Bauchnaht öffnet, z. B. bei vielen Ranunkulazeen, die Hülfe (legumen, Fig. 11 u. 12) vieler Leguminosen, die ebenfalls nur aus einem Karpell besteht, aber in zwei Klappen aufspringt, die Schote (siliqua, Fig. 16) und das Schötchen (silicula, Fig. 17 u. 17 a) der Kruziferen, bei denen sich zwei den beiden Fruchtblättern entsprechende Klappen von einer stehen bleibenden Scheidewand abgliedern, und endlich die Kapsel (capsula), deren Klappen sich bei der Reise nicht vollständig loslösen. Je nach der Art des Aufspringens (dehiscentia) zerfallen die Kapselfrüchte in verschiedene Unterformen. Mit Zähnen aufspringende Kapseln (Fig. 13) kommen z. B. bei Primula, Lychnis u. a. vor; in andern Fällen, z. B. bei der Porenkapsel von Papaver (Fig 14), bilden sich an engbegrenzten Stellen Löcher, durch welche die Samen ins Freie gelangen. Das Aufspringen kann auch, z. B. bei Hyoscyamus, Plantago, Anagallis (Fig. 15) u. a., durch einen scharf abgegrenzten Deckel (bei der sogen. Büchsenfrucht, pyxidium) stattfinden. Bei der Mehrzahl der mehrfächerigen Kapselfrüchte öffnen sich die Fächer durch Spalten oder Risse, die entweder in den Scheidewänden selbst (septlicid, capsula septicida) oder in der Mitte der Fruchtblätter (lokulicid, capsula loculicida) auftreten. In allen diesen Fällen wird die Öffnung der Trockenfrüchte durch anatomische Einrichtungen des Perikarpgewebes bedingt, dessen verschiedene Schichten eine ungleiche mechanische Spannung annehmen und sich beim Eintrocknen schließlich gewaltsam voneinander trennen.

Die saftigen Früchte springen nur in seltenern Fällen auf, z. B. bei Aesculus, einigen Kukurbitazeen u. a. Die geschlossenen Fleischfrüchte trennt man in Steinfrüchte (Steinbeere, drupa) und Beeren (bacca). Bei erstern, z. B. den Früchten von Prunus, Amygdalus, Persica u. a., ist das Epikarp hautartig, das Mesokarp fleischig, und das Endokarp bildet einen den Samen einschließenden Steinkern (putamen, Fig. 18), während bei den Beeren (Fig. 19 u. 20), z. B. von Ribes, Vitis, Atropa, Vaccinium u. a., das Mesokarp und Endokarp zusammen ein meist breiartiges Fruchtfleisch bilden, das die Samen (Fig. 21, Punica) direkt umgibt.

Für Früchte, die aus völlig getrennten Fruchtblättern hervorgehen, den sogen. Apokarpien, werden die angegebenen Bezeichnungen ebenfalls verwendet. Schwierigkeiten bei der Benennung der F. entstehen besonders dadurch, daß sich außer dem Gynäzeum noch andre Blütenteile, wie vor allem der oberste Teil der Blütenachse, der Kelch, das Perigon u. a., bei der Fruchtbildung durch Fleischigwerden beteiligen. Früher bezeichnete man derartige Bildungen als Scheinfrüchte (fructus spurii), doch sind sie dem gewöhnlichen Sprachgebrauch gemäß besser Sammelfrüchte (Fig. 23) zu nennen. Dahin gehört z. B. die Erdbeere, deren Fleisch aus dem vergrößerten und saftig gewordenen Blütenboden besteht, in dem erst die Früchte als zahlreiche kleine Nüßchen eingesenkt sind. Bei der Hagebutte der Rose ist die fleischige Masse die vergrößerte Kelchröhre, von der die freien Nüßchen zu mehreren eingeschlossen werden. Bei der sogen. Apfelfrucht (Fig. 22) der Pomoideen schließt der fleischige Achsenbecher die verwachsenen Fruchtblätter als pergamenthäutiges Kerngehäuse ein. Die Ananas ist eine Vereinigung miteinander verwachsener Beeren des ganzen ährenförmigen Fruchtstandes; bei der Maulbeere nehmen die Perigonblätter aller Blüten eines runden Köpfchens eine saftig beerenartige Beschaffenheit an, und die wirklichen Früchte sind Nüßchen, die von den so veränderten Perigonblättern umgeben werden; bei der Feigenfrucht ist es der verdickte, becherförmig eingesenkte Stiel des Fruchtstandes, der die süße, fleischige Masse bildet, die Nüßchen stehen in großer Anzahl auf der Innenwand des Bechers. – Bei den Gymnospermen bildet sich keine echte F., da die Fruchtknoten fehlen; jedoch erleiden bei ihnen die Träger der reisenden Samenanlagen ebenfalls gewisse Veränderungen: die reisen Zapfen sind bedeutend vergrößert, ihre Achse und ihre Fruchtschuppen sind verholzt, bisweilen beerenartig saftig; bei Taxus wird der einzeln auf einer Achse sitzende Same von einer zuletzt weich und saftig werdenden Wucherung der Achse (arillus) umwachsen und ähnelt so einer echten Beere.

Manche Pflanzen besitzen zwei oder drei verschiedene Fruchtformen mit verschiedener biologischer Aufgabe (heterokarpe Pflanzen). So entwickelt Calendula officinalis hakenlose Windfrüchte, daneben mit Hakenborsten versehene Klettfrüchte und eine dritte Fruchtform, die gewissen Raupen von Kleinschmetterlingen täuschend ähnlich sieht. Eine ähnliche Erscheinung ist die sogen. Amphikarpie oder Doppelfrüchtigkeit (s. Erdfrüchtler).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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