Fremdwörter

Fremdwörter

Fremdwörter, aus fremden Sprachen entlehnte Wörter, finden sich in allen Sprachen, die nicht von der Berührung mit andern abgeschnitten sind. So haben das Javanische und andre hinterindische Sprachen und die drawidischen Sprachen Südindiens viel aus dem Sanskrit entlehnt; in der altgriechischen Sprache finden sich semitische Lehnwörter, wie Alpha, Beta und andre Buchstabennamen, Mna, der Name einer Münze, etc.; das Latein hat eine Menge Ausdrücke aus dem Griechischen übernommen; die romanischen Sprachen nahmen früh germanische Wörter auf; auch Ulfilas in seiner gotischen Bibelübersetzung nahm ohne Bedenken die Wörter praufetus oder praufetesProphet«), psalma (»Psalm«) u. a. aus dem Griechischen herüber. Der Prozentsatz der F. kann demjenigen der einheimischen sehr nahe kommen oder ihn sogar übersteigen, wie dies z. B. mit den romanischen Wörtern im Englischen der Fall ist; eine solche Sprache heißt eine Mischsprache (s.d.). Die Form, in der die F. herübergenommen werden, ist oft in frühern Sprachperioden ganz anders als in spätern; so ist schon früh das lateinische Wort advocatus in der Form Vogt ins Deutsche übergegangen und in unsrer Zeit noch einmal in der Form Advokat aufgenommen worden, nachdem längst Ursprung und Grundbedeutung von Vogt vergessen waren. In besonders großer Anzahl finden sich solche »Dubletten« im Französischen und andern romanischen Sprachen. So ist dette das lateinische debitum, combler das lateinische cumulare; in neuerer Zeit wurden aber diese Wörter noch einmal in einer den lateinischen Wörtern näherstehenden Form: débit und cummer, dem Latein entnommen. Die Franzosen nennen alle solche neuern Wörter »mots savants«, weil sie den Gelehrten und Gebildeten ihren Ursprung verdanken, im Gegensatze zu den Wörtern, welche die volkstümliche Entwickelung der lateinischen Wörter innerhalb des Französischen durchgemacht haben. Solche »gelehrte« Wörter finden sich in allen neuern Sprachen, und es ist eine zwar von eifrigen Patrioten oft beklagte, aber ganz natürliche Erscheinung, daß gerade F. dieser Art im Deutschen immer häufiger werden. In neuerer Zeit ist man bestrebt, dem Fremdwort genau die Aussprache und Form zu belassen, die es in seiner eignen Sprache hat. Früher war dies gerade umgekehrt; zu einer Zeit, als man noch wenig schrieb und las und die F. nicht durch die Literatur, sondern durch den mündlichen Verkehr eingeführt wurden, mußten sich die F. viel größere Veränderungen gefallen lassen. Noch in der neuesten Zeit haben die Einwohner von Hawaï, als sie das englische Wort steel (Stahl) aufnahmen, daraus kila gemacht. Ähnlich ist es den schon früher ins Deutsche aufgenommenen Fremdwörtern ergangen, wie z. B. Pilger, lat. peregrinus (»der Fremde«); Pferd, mittellat. paraveredus; Samstag aus Sabattag (hebr. schabbât, judend. Schabbes). Bei derartigen Entlehnungen ist insbes. die deutsche Betonung auf der ersten Silbe durchgeführt worden; nur so ist die Entstehung der Wörter Pilger und Pferd (Mittelstufen: párfrit, pférfrit) zu begreifen, oder der Übergang von sacristanus in Sigrist, von monasterium in Münster. Man nennt bisweilen solche ganz umgedeutschten Wörter Lehnwörter, diejenigen, die ihren fremdländischen Charakter noch entschieden beibehalten haben, F. im engern Sinne. Die Lehnwörter haben den Vorzug, daß sie gar nicht mehr als etwas Fremdes gefühlt werden und daher beliebige neue Ableitungen erzeugen können, wie z. B. unser »schreiben« der Ausgangspunkt einer beträchtlichen Anzahl deutscher Wortbildungen geworden ist, obschon es von dem lateinischen scribere herstammt. Lehnwörter wieder aus der Sprache entfernen zu wollen, ist ein Unsinn, dagegen ist die Überschwemmung der deutschen Sprache mit Fremdwörtern, wie z. B. im 17. Jahrh., sehr verwerflich; es verdienen daher die Bemühungen, dem z. T. noch herrschenden Unwesen in maß- und verständnisvoller Weise zu steuern, entschiedene Unterstützung (s. Sprachreinigung und Deutscher Sprachverein). Von den zahlreichen Fremdwörterbüchern, die wir seit Campe (1801) besitzen, seien hier nur die von Heyse (1804, 17. Aufl. von Lyon, Hannov. 1892; auch neu bearbeitet von Böttger, 13. Aufl., Leipz. 1898), Sanders (2. Aufl., das. 1891, 2 Bde.) und Kehrein (mit etymologischen Erklärungen und Belegen, Stuttg. 1876) erwähnt. Vgl. außerdem Ebel, Deutsche Lehnwörter (Filehne 1856); Tobler, Die fremden Wörter in der deutschen Sprache (Basel 1873); Heinze, Über die F. im Deutschen (Berl. 1878); Dunger, Wörterbuch von Verdeutschungen entbehrlicher F. (Leipz. 1882) und Das Fremdwörterunwesen in unsrer Sprache (Heilbr. 1884); Hechtenberg, Fremdwörterbuch des 17. Jahrhunderts (Berl. 1904), und die »Verdeutschungswörterbücher« von Sanders (Leipz. 1884), Sarrazin (2. Aufl., Berl. 1888), Hausding (für die Fach-, Handels- u. Verwaltungssprache, 2. Aufl., das. 1902) und vom Allgemeinen deutschen Sprachverein (bisher 9 Hefte; s. Deutscher Sprachverein).

Für die Schreibung der F. gilt jetzt im allgemeinen der Grundsatz, daß die fremde Orthographie beibehalten wird, wenn auch die fremde Aussprache geblieben ist, daß andernfalls aber die deutsche Bezeichnungsweise herrscht. So schreiben wir allgemein Kompliment für franz. compliment, blümerant franz. bleu mourant, Schanze (Glücksfall) für franz. chance etc., weil die Aussprache dieser Wörter bei uns eine andre geworden ist, als sie im Französischen war. Dagegen bleibt z. B. in Monsieur, Portefeuille, Portemonnaie u. a. die französische Orthographie unverändert, weil auch die Aussprache dieselbe geblieben ist wie im Französischen. Freilich unterliegt namentlich letztere Regel vielen Ausnahmen; so schreibt man räsonieren (franz. raisonner), Möbel (franz. meuble), Musselin (franz. mousseline), brüsk (franz. brusque), Marsch (franz. marche). Anderseits hat in vielen Fällen die Beibehaltung der fremden Orthographie auf die Sprache zurückgewirkt und die Aussprache verändert, während die fremde Orthographie blieb. So schreibt man Chaise wie im Französischen, spricht aber das stumme e aus, als ob es ein deutsches Wort wäre; in Billard wird vielfach das d, in Bataillon stets das n ebenso ausgesprochen wie in deutschen Wörtern. Bei solchen Wörtern kommt es häufig vor, daß einige Laute der französischen, andre der deutschen Aussprache gemäß ausgesprochen werden, so außer in den angeführten Wörtern in Courage, Mitrailleuse, Pension (wenn die erste Silbe wie im Französischen ausgesprochen wird) und dergleichen Wörtern. Völlige Regellosigkeit herrscht betreffs der Schreibung der F., die, wie viele Orts- und Personennamen, aus ferner liegenden Sprachen entnommen sind. Indessen stammen weitaus die meisten deutschen F. aus den drei allgemein bekannten Sprachen: Französisch (dem wir auch im Mittelalter zur Zeit des in Frankreich zuerst emporgeblühten Rittertums schon viele Wörter entlehnt haben), Lateinisch und Griechisch; auch unsre lateinischen F. sind uns vielfach erst auf dem Umweg über das Französische zugekommen, die griechischen haben in den meisten Fällen mindestens Eine Zwischenstufe, die des Latein, durchlaufen. Im ganzen ist jetzt bei den aus diesen Sprachen stammenden Wörtern eine ziemliche Einheit der Orthographie erreicht. Ein starkes Schwanken herrscht nur zwischen k und c und zwischen z und c, z. B. in Komitee neben Comité; in Zigarre neben Cigarre, publizieren neben publicieren. Doch sind unverkennbar die der deutschen Bezeichnungsweise gemäßen Buchstaben k und z im Vordringen begriffen und demgemäß in den von den verbündeten Regierungen vereinbarten »Regeln für die deutsche Rechtschreibung« vom Jahre 1902 bevorzugt (s. Rechtschreibung). Vgl. Wilmanns, Die Orthographie in den Schulen Deutschlands (Berl. 1887); Duden, Rechtschreibung der Buchdruckereien deutscher Sprache (Wörterbuch, Leipz. 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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