Giroverkehr

Giroverkehr

Giroverkehr ist ein Geschäftszweig der heutigen Banken, der im wesentlichen in der Vermittelung von Zahlungen (Girozahlungen) unter den Kunden der Bank (Kontoinhabern) durch Ab- und Zuschreiben im Bankbuch auf Grund von Depositen und Guthaben erfolgt. Er unterscheidet sich von demjenigen der ältern Girobanken (vgl. Banken, S. 334) dadurch, daß die Guthaben der Bankkunden nicht mehr lediglich in bar hinterlegten und in bar aufbewahrten Summen zu bestehen brauchen. Zettel- und Depositenbanken, so insbes. die Deutsche Reichsbank (nach den am 1. Febr. 1883 in Kraft getretenen modifizierten Bestimmungen über den G.), schreiben außer baren Einzahlungen auch diskontierte Wechsel, erteilte Lombarddarlehen sowie die Beträge eingelieferter Inkassopapiere auf Girokonto (Ausgleichungskonto) gut. Das Girokonto der Bank besorgt die Einziehung von Wechseln und Anweisungen sowie die Einkassierung fälliger Forderungen (Rechnungen). Über sein Guthaben kann der Kunde verfügen, indem er Wechsel und andre Papiere, aus denen er zu einer Zahlung verpflichtet ist, auf die Bank zahlbar stellt. Dann leistet die Bank auf Anweisung des Kunden (Giroanweisung) entweder Barzahlung, oder sie schreibt die Summe nur von dessen Konto ab und demjenigen eines andern Kunden gut, wobei die heutige Einrichtung der Reichsbank mit ihren Zweiganstalten es gestattet, Zahlungen an verschiedene Orte durch Ausgleichung zu bewirken, ohne daß eine besondere Geldsendung erforderlich ist. Die baren Auszahlungen erfolgen auf Grund der Verwendung des in Form einer Anweisung ausgestellten weißen Schecks (Anweisungsscheck), der auf Namen mit dem Zusatz »oder Überbringer« lautet, so daß jedem Inhaber ohne Prüfung seiner Legitimation gültige Zahlung geleistet werden kann. Soll an Stelle der baren Abhebung die Verrechnung mit der Bank oder einem Kontoinhaber erfolgen, so ist der Scheck zu kreuzen, d. h. quer über denselben zu schreiben »nur zur Verrechnung«, so daß der auf den Inhaber lautende Scheck weniger leicht von unrechtmäßigen Besitzern verwertet werden kann. Der rote Scheck dient überhaupt nur zum Zweck von Übertragungen. Alle Summen, welche die Girokunden durch Diskontierung von Wechseln und Lombarddarlehen erhalten, müssen erst auf deren Girokonto gutgeschrieben werden. Wechsel, aus denen ein Kontoinhaber zu einer Zahlung verpflichtet ist, sind bei der Reichsbank oder einem Bankhaus, das mit derselben in täglicher Abrechnung steht, zahlbar zu machen und rechtzeitig schriftlich anzumelden; andernfalls werden solche in den Besitz der Reichsbank gelangte Wechsel bar bezahlt. Der Kontoinhaber erhält ein Kontogegenbuch, in das alle für ihn eingehenden Gelder eingetragen werden. Verfügt er über mehr, als sein Guthaben beträgt, so lehnt die Bank die Zahlung ab; auch behält sie sich für diesen Fall vor, den Verkehr mit ihm abzubrechen. Die Girogelder werden von der Reichsbank kostenlos verwaltet (aber nicht verzinst). Über die von der Reichsbank im Zusammenhang mit dem G. eingerichteten Abrechnungsstellen s. d. Ende 1902 sind im G. der Reichsbank bei 18,030 Girokonten 84,594 Mill. Mk. eingenommen, 84,622,2 Mill. Mk. ausgegeben worden; der Betrag der Guthaben belief sich auf 439,9 Mill. Wk. Von dem Gesamtumsatz der Reichsbank mit (Ende 1902) 191,926 Mill. Mk. betrug der Umsatz im G. 169,216 Mill. = 88,1 Proz. – In ähnlicher Weise wie die Reichsbank pflegen den G. auch andre deutsche Zettelbanken, der Berliner Kassenverein und die Österreichisch-Ungarische Bank. Auch in Italien hat er eine große Ausdehnung gewonnen. Die Bank von Frankreich eröffnet den G. in drei Formen, wobei jetzt drei Arten Schecks statt der frühern beiden (weiß für Barabhebung, rot zur Überweisung) verwendet werden, nämlich comptes courants simples, comptes courants avec la faculté d'escompte (mit dem Recht, Papiere zum Eskomptieren präsentieren zu dürfen) und comptes courants extérieurs. Der rote Scheck (bon de virement rouge) dient ausschließlich zur Übertragung am Platz, er ist auf Namen gestellt; der violette Scheck dient zur Barabhebung am Platz durch den Inhaber innerhalb der gesetzlichen Präsentationsfrist. Der Scheck auf rosa Papier lautet auf Order, er ist nur bei einer andern Bank zahlbar, kann auf eine der 94 Sukkursalen der Bank gezogen werden, wird bei der das Konto führenden Bankanstalt erst präsentiert, abgestempelt, dann in Umlauf gesetzt und vermittelt so Zahlungen an auswärtige Nichtkontoinhaber (chèque indirect). Vgl. Bubenik, Die Technik des Giroverkehrs bei der Österreichisch-Ungarischen Bank (Wien 1888); Rauchberg, Der Clearing- und Giroverkehr in Österreich-Ungarn und im Auslande (das. 1897); Hartung, Der Scheck- und Giroverkehr der Deutschen Reichsbank (in den »Jahrbüchern für Nationalökonomie«, 1891, Bd. 1); Schinckel, Reichsbank und G. (Hamb. 1898); Telschow, Der gesamte Geschäftsverkehr mit der Reichsbank (9. Aufl., Leipz. 1900); Böttger, Kurzgefaßte Erläuterungen der Einrichtungen der Reichsbank (das. 1903). – Über Postgiroverkehr s. d.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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