Nantes

Nantes

Nantes (spr. nāngt'), Hauptstadt des franz. Depart. Niederloire, ehemals Hauptstadt der Bretagne, liegt unter 47°13´ nördl. Br. und 1°33´ westl. L., 6–40 m ü. M., 52 km vom Atlantischen Ozean entfernt, am rechten Ufer der Loire und auf mehreren Inseln des hier in sechs Arme geteilten Flusses, der rechts die Erdre und links die Sèvre Nantaise aufnimmt, ist Knotenpunkt der Orleansbahn, der Westbahn und der Staatsbahnen, hat schöne Kais mit monumentalen Gebäuden, 21 Brücken (darunter eine die nördlichen und südlichen Kais verbindende Schwebebrücke, seit 1903), mehrere bemerkenswerte Plätze, darunter die Place Royale mit schöner Fontäne, die Place Louis XVI mit einer Statue dieses Königs, und schöne Promenaden, darunter die Cours St.-Pierre und St.-André (mit Denkmälern von Duguesclin, Olivier de Clisson, Arthurs von Richemont und der Herzogin Anna von Bretagne) sowie den Cours Cambronne mit dem Denkmal dieses Generals. Von den Kirchen, worunter sich auch eine protestantische befindet, sind besonders zu erwähnen: die Kathedrale St.-Pierre aus dem 15. Jahrh. (1884 vollendet), mit den schönen Grabmälern Franz' II., Herzogs der Bretagne (von Michel Colomb, 1507), und des Generals Lamoricière (von Dubois, 1879); die im Stil des 13. Jahrh. 1844 bis 1870 erbaute Kirche St.-Nicolas mit dem Grabmal des Bischofs Fournier und 85 m hohem Turm; die Kirche Ste. – Croix aus dem 17. Jahrh., neuerdings restauriert; die Kirche St.-Jacques auf dem linken Flußufer (aus dem 12. Jahrh.). Bemerkenswerte Gebäude sind außerdem: das große ehemalige Residenzschloß der Herzoge der Bretagne (von 1466), die Präfektur (1777), das Stadthaus (1808) mit einer schönen Säulenhalle, der Justizpalast (1853) mit monumentaler Treppe und Portikus, die Börse (1812) mit Säulenfassade und Statuen, das Theater, eins der schönsten Frankreichs (1788), mit imposanter Fassade, die Leinwandhalle (jetzt Gemäldegalerie), das neue Post- und Telegraphengebäude, das große Magazin für Kolonialwaren (Salorges), die Passage Pommeraye (1843). N. zählt (1901) 127,253 (als Gemeinde 132,990) Einw. Die Industrie hat in den letzten Jahrzehnten einigen Aufschwung genommen und umfaßt den Schiffbau (1901 wurden Dampfer von 78,201 Ton., 1903 nur von 15,675 T. brutto gebaut), die metallurgische und Maschinenindustrie, die Bereitung von Sardinen und andern Konserven, die Zuckerraffinerie (neuerdings zurückgegangen), Gerberei, Glasmalerei, Färberei, Fabrikation von Kerzen und Seifen, chemischen und pharmazeutischen Waren, Schokolade, Biskuits, Papiermasse, die Tabakmanufaktur, den Mühlenbetrieb etc. Handel und Schiffahrt von N. sind, obgleich N. einen großen Teil des Verkehrs, namentlich mit dem Ausland, an den günstiger gelegenen, für die größten Schiffe zugänglichen Außenhafen von St.-Nazaire (s. d.) abgeben mußte, bedeutend und im Aufschwung begriffen. Überwiegende Bedeutung hat N. für den Verkehr mit den französischen Häfen behalten; auch ist es für das im Vorhafen von St.-Nazaire sich abwickelnde Geschäft der eigentliche Handelsplatz geblieben. Der zweite Vorhafen von N., zu Paimboeuf (s. d.), dessen Reede sehr verschlammt ist, wird nur wenig besucht. Zur Umgehung der Schiffahrtshindernisse auf der Loire zwischen Pellerin und Paimboeuf ist der 15 km lange Seeschiffahrtskanal der Loire ausgeführt worden (1892 vollendet). Außerdem führt von N. ein 368 km langer, 1842 vollendeter Schiffahrtskanal mit Benutzung der Erdre, des Isac, der Vilaine, des Oust, Blavet und der Anne in die Reede von Brest. Die Handelsmarine von N. belief sich Ende 1900 auf 267 Schiffe von 117,053 Ton. Der Hafen von N. kann 200 Schiffe bis zu je 300 Ton. aufnehmen. Die Hafenanlagen bestehen aus dem sogen. Seehafen in den nördlichen Armen der Loire unterhalb der Börsenbrücke und des pont de la Madeleine und haben eine Länge von 2,3 km und eine Breite von 70–180 m, eine Kaientwickelung von 8 km und eine Wassertiefe von 5–6 m, die aber auf 8 m gebracht werden soll, und dem Flußhafen in den Armen St.-Felix und Madeleine. In den Hafen von N. sind 1903: 1563 beladene Schiffe von 467,916 T. ein- und 1061 beladene Schiffe von 190,912 T. ausgelaufen. Auf den internationalen Verkehr kamen 601 ein- und 316 ausgelaufene Schiffe von 374,997, resp. 106,333 T. Der Warenverkehr umfaßte im ganzen 845,007 T., wovon auf die Einfuhr 741,151 T., die Ausfuhr 103,856 T. entfielen. Der Wert der ein- und ausgeführten Waren betrug 1901: 65,7, bez. 18,9 Mill. im Generalhandel, 62,2, bez. 16 Mill. Frank im Spezialhandel. Die wichtigsten Artikel waren: in der Einfuhr Zucker, Kaffee, Kakao, Pfeffer, Kohlen, Holz, Papiermasse, in der Ausfuhr Zucker (im Rückgang begriffen), Holz, Fische, Wein, Zink, Getreide, Pökelfleisch, Ölkuchen u.a. Außer mit französischen Häfen besteht regelmäßige Dampferverbindung mit Lissabon, Antwerpen, London, Glasgow, Dublin, Cayenne, Französisch-Westindien und Para in Brasilien. An Unterrichtsanstalten besitzt N. ein Lyzeum, eine Vorbereitungsschule für Medizin und Pharmazie, ein großes Seminar, eine hydrographische, eine Gewerbe- und Handelsschule, eine Kolonialschule, ein Mädchenlyzeum, eine Lehrerinnenbildungsanstalt, ein Konservatorium für Musik, ein Taubstummeninstitut, eine Stadtbibliothek (200,000 Bände), Museen für Kunst (mit mehr als 1000 Gemälden und 300 Skulpturwerken), für Archäologie, Naturwissenschaften, Gewerbe, Handel und Schiffahrt sowie einen Botanischen Garten. Die Stadt hat außerdem mehrere wissenschaftliche und gemeinnützige Gesellschaften und zahlreiche Wohltätigkeitsanstalten. N. ist Sitz eines Bischofs, eines Gerichts- und Assisenhofs, eines Handelsgerichts, eines Seehandelsgerichts und einer Handelskammer, einer Warenbörse, einer Filiale der Bank von Frankreich, mehrerer Konsuln fremder Staaten (darunter auch ein deutscher Vizekonsul) sowie des Generalkommandos des 11. Armeekorps. Als Vororte von N. sind die angrenzenden Orte Chantenay (s. d.) westlich, Doulon östlich (5945 Einw.) zu betrachten. – In keltischer Zeit hieß N. Condevincum, bei den Römern Portus Namnetum und war eine bedeutende Stadt; im Mittelalter wurde es wiederholt von den Normannen verwüstet und war dann die Residenz der Grafen und Herzoge von Bretagne, die auch zum Teil in der dortigen Kathedrale begraben liegen. Am 13. April 1598 wurde zu N. das berühmte Edikt von N. (s. d., Bd. 5) von König Heinrich IV. erlassen, das den Protestanten in Frankreich Religionsfreiheit gestattete, 22. Okt. 1685 aber von Ludwig XIV. widerrufen wurde. In der Zeit der französischen Revolution litt N. sehr teils durch den bis unter seine Tore geführten Krieg der Vendee, teils durch die grausamen Hinrichtungen (Noyaden und republikanischen Hochzeiten) Carriers, teils durch die Unterbrechung des Handels. N. ist Geburtsort Annas von Bretagne, Lamoricières und J. Vernes. Vgl. Travers (1680–1750), Histoire de la ville et du comté de N. (Nantes 1844, 3 Bde.); Mellier, Essai sur l'histoire de la ville et du comté de N. (das. 1872); Maillard, N. et le département an XIX. siècle (das. 1896); »La ville de N. et la Loire-Inférieure« (das. 1898, 2 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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