Aufgebot [1]

Aufgebot [1]

Aufgebot (Proklamation), öffentliche Bekanntmachung, Aufruf. 1) Im Kirchenrecht die Bekanntmachung einer beabsichtigten ehelichen Verbindung vor versammelter Kirchengemeinde. Das A. soll nach dem Tridentiner Konzil durch die beiderseitigen Pfarrer des Domizils der Verlobten an drei aufeinander folgenden Feu-, resp. Sonntagen öffentlich während des Gottesdienstes erfolgen. Nichtigkeit der Ehe hat jedoch die Unterlassung des Aufgebots nicht zur Folge. Auch die evangelische Kirche nahm die Vorschriften des kanonischen Rechts über das A. an. Dagegen ist durch die Einführung der Zivilehe in dieser Hinsicht eine wesentliche Änderung hervorgerufen worden. Der Eheschließung soll ein A. vorhergehen. Für die Anordnung des Aufgebots ist jeder Standesbeamte zuständig, vor dem nach § 1320 des Bürgerlichen Gesetzbuchs die Ehe (s. d.) geschlossen werden darf (regelmäßig, wo einer der Verlobten seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat). Das A. soll die Personalien der Verl obien und ihrer Eltern enthalten und ist durch zweiwöchigen Aushang bekannt zu geben. Das A. iat nach vorgängiger Prüfung der Statthaftigkeit der von den Verlobten beabsichtigten Ehe zu erlassen und zu veranlassen. Es verliert seine Kraft, wenn seit dessen Vollziehung 6 Monate verstrichen sind, ohne daß die Ehe gefcht offen wurde. Von dem A. kann nur die zuständige Staatsbehörde dispensieren. Wird jedoch ärztlich bescheinigt, daß die »lebensgefährliche Erkrankung eines der Verlobten den Aufschub der Eheschließung nicht gestattet«, so kann der Standesbeamte auch ohne A. die Eheschließung vornehmen. Wenn übrigens die Kirche diesem staatlichen A. gegenüber gleichwohl an dem kirchlichen A. festhält, so kann es lediglich als eine Aufforderung zur Fürbitte für die Verlobten aufgefaßt werden. Die evangelischen Landeskirchen Deutschlands haben zudem das A. der Kirche meistens auf eine einmalige Proklamierung beschränkt. Vgl. Reichsgesetz vom 6. Febr. 1875 über die Beurkundung des Personenstandes und die Eheschließung, § 44 ff., Bürgerliches Gesetzbuch, § 1316, und Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Art. 46; Kommentare zum Personenstandsgesetz von P. Hinschius (3. Aufl., Berl. 1890) und von Sartorius (Münch. 1901); Blumstengl, Die Trauung im evangelischen Deutschland nach Recht und Ritus (Weim. 1879). In Österreich soll das dreimalige A. durch den kompetenten (katholischen oder evangelischen) Pfarrer, bez. Rabbiner und nur bei der Zivilehe durch die politische Behörde erfolgen. Verweigert ein Geistlicher das Aufgebot (gemischte Ehe!), so erfolgt Notaufgebot durch die politische Behörde. Die Ehe ist ungültig, wenn nicht wenigstens ein A. erfolgte. Doch kann unter Umständen auch von allen Aufgeboten dispensiert werden.

2) Im bürgerlichen Recht versteht man unter A. eine öffentliche, von der zuständigen Behörde erlassene Aufforderung zur Anmeldung von Rechten und Ansprüchen. Rechtliche Wirkungen, z. B. Ausschluß von Ansprüchen, Untergang und Erlöschen von Rechten etc., hat ein A. nur in den vom Gesetz besonders bestimmten Fällen. So erlischt z. B. das Eigentumsrecht an einem Grundstück durch A., wenn ein andrer dies Grundstück 30 Jahre im Eigenbesitz hatte (§ 927 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Weitere Fälle des Aufgebots kennt das Bürgerliche Gesetzbuch zwecks Todeserklärung (s. d.), zwecks Kraftloserklärung (Amortisation) von Schuldverschreibungen (§ 799 u. 808), zwecks Ermittelung unbekannter Erben (§ 1965 u. 2358), bei Hypotheken (§ 1162 u. 1170), gegen Nachlaßgläubiger (§ 1970 u. 2061), gegen unbekannte Reallastberechtigte (§ 1122), Schiffspfandgläubiger (§ 1269), Vorkaufsberechtigte (§ 1104) und Vormerkungsberechtigte (§ 887). Abhandengekommene Wechsel endlich können vom Eigentümer beim Gerichte des Zahlungsortes aufgeboten (amortisiert) werden (Wechselordnung, § 73, 98). Über das Aufgebotsverfahren s. d.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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