Mündelsicherheit

Mündelsicherheit

Mündelsicherheit, bisher pupillarische Sicherheit genannt, die Sicherheit, die für auszuleihende Mündelgelder vom Gesetz verlangt wird. Nach § 1007 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches soll die Anlegung von Mündelgeld erfolgen entweder in Hypotheken oder bei Sparkassen oder in Schuldverschreibungen. In jeder Richtung bestehen aber einengende Bestimmungen.

A. In Hypotheken (Grund- oder Rentenschulden). M. besitzen nach § 1807, Ziff. 1, Forderungen, für die eine sichere Hypothek (Grund- oder Rentenschuld) an einem inländischen Grundstück besteht. Es ist dem Landesrecht überlassen, für die Grundstücke seines Geltungsbereichs zu bestimmen, wann eine Hypothek als sicher gelten kann. Die Ausführungsgesetze zum Bürgerlichen Gesetzbuch stellen die nähere Norm fest. Sie verfahren dabei verschieden. Das preußische Ausführungsgesetz, Art. 73, § 1, nennt eine Hypothek sicher, wenn sie innerhalb des Fünfzehnfachen oder, sofern ihr kein andres, der Eintragung bedürfendes Recht im Range vorgeht oder gleichsteht, innerhalb des zwanzigfachen des staatlich ermittelten Grundsteuerreinertrags oder bei einem ländlichen Grundstück innerhalb der ersten zwei Drittel, bei einem städtischen Grundstück innerhalb der ersten Hälfte des Wertes zu stehen kommt. Der Wert ist bei ländlichen Grundstücken durch Taxe einer preußischen öffentlichen Kreditanstalt, die durch Vereinigung von Grundbesitzern gebildet ist und durch staatliche Verleihung Rechtsfähigkeit besitzt (Landschaften), oder durch Taxe einer preußischen provinzial- (kommunal-) ständischen öffentlichen Grundkreditanstalt oder durch gerichtliche Taxe, bei städtischen Grundstücken in gleicher Weise oder durch Taxe einer öffentlichen Feuerversicherungsanstalt festzustellen. Da in nicht wenigen Landesteilen die Grundsteuerveranlagung niedrig ausgefallen ist, gehen die vorhin genannten Kreditanstalten in ihren Beleihungen weiter hinaus. Daher bestimmt auch Art. 73, § 2, daß statt des Zwanzigfachen des Grundsteuerreinertrags, also hinsichtlich solcher Hypotheken, die an erste Stelle kommen, bei Grundstücken, die von einer solchen Kreditanstalt satzungsgemäß ohne besondere Ermittelungen bis zu einem größern Vielfachen beliehen werden können, das größere Vielfache, sofern es jedoch den dreißigfachen Betrag übersteigt, dieser Betrag maßgebend ist. Mißbräuche sind dadurch hintangehalten, daß die Beleihungsgrundsätze der öffentlichen Landschaften und Kreditanstalten königlicher Genehmigung unterstehen. Für einzelne Bezirke, bestimmt Art. 73 noch, kann durch königliche Verordnung statt des Zwanzigfachen des Grundsteuerreinertrags ein das Vierzigfache nicht übersteigendes größeres Vielfaches bestimmt werden. Scheinbar ergibt sich aus diesen Bestimmungen über die Beleihungsgrenze, daß für die Anlage von Mündelgeld in Hypotheken eine geringere Sicherheit verlangt wird als für die Hypotheken, die von Hypothekenbanken zur Deckung ihrer Pfandbriefschulderworben werden. Hiernach ist Beleihung bis zu 60 Proz. des Verkaufswerts zulässig (s. Banken, S. 343). Allein die landschaftliche Taxe ist eine Kredittaxe und darum der bei ihr ermittelte Gutswert regelmäßig niedriger als der Verkaufswert (s. Landschaften). Das bayrische Ausführungsgesetz verlangt im Artikel 92 für eine sichere Hypothek, daß sie innerhalb der ersten Hälfte des Wertes des Grundstücks zu stehen kommt. Der Schätzungswert des Grundstücks muß also zum mindesten den doppelten Betrag der sicherzustellenden Forderung erreichen. Daß die Hypothek die erste Stelle einnimmt, ist nicht notwendig; es genügt, wenn mit Einrechnung der vorhergehenden Belastungen die Wertshälfte nicht überschritten ist. Das gleiche gilt nach württembergischem Recht (Ausführungsgesetz, Art. 68), nur daß hier noch bestimmt ist, daß vorgehende Rechte in doppeltem Betrag von der Hälft ein Abzug zu bringen sind und die Wertsermittelung durch amtliche Schätzung des Gemeinderats oder einer Abteilung desselben zu geschehen hat.

B. Bei Sparkassen. Mündelgeld kann bei inländischen öffentlichen, d.h. von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts eingerichteten Sparkassen angelegt werden, wenn dieselben von der zuständigen Behörde des Bundesstaats, in dem sie ihren Sitz haben, zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet erklärt sind. In Preußen geht diese Erklärung vom Regierungspräsidenten mit Zustimmung des Landgerichtspräsidenten aus (Ausführungsgesetz, Art. 75). In Bayern hat das Justizministerium auf Grund der Zuständigkeitsverordnung vom 24. Dez. 1899 die bayrischen Gemeinde- und Distriktssparkassen für geeignet erklärt.

C. In Schuldverschreibungen. Nach § 1807 kann die Anlegung geschehen in verbrieften Forderungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat sowie in Forderungen, die in das Reichs- oder in ein Staatsschuldbuch eingetragen sind, oder deren Verzinsung Reich oder Staat gewährleistet; endlich in verbrieften Forderungen (Wertpapieren, insbes. Pfandbriefen) gegen eine inländische kommunale Körperschaft (Provinzial- oder Deichverband etc.) oder die Kreditanstalt einer solchen Körperschaft, sofern die Forderungen vom Bundesrat für geeignet erklärt sind. Außer diesen reichsrechtlich zuzulassenden Mündelpapieren gibt es sogen. landesrechtliche Mündelpapiere. Der Art. 212 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch überläßt dem Landesrecht, auch seinerseits gewisse Wertpapiere zur Anlegung von Mündelgeld für geeignet zu erklären. Die Staaten machten von der Befugnis in verschiedenem Umfange Gebrauch. Der Unterschied zeigt sich in der Verleihung der M. an Pfandbriefe von Hypothekenbanken. Die Staaten mit einer konservativ-agrarischen Parlamentsmajorität, wie Preußen, Sachsen, Mecklenburg, versagten diesen Papieren M. Nach Art. 74 des preußischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch sind mündelsichere Papiere für Preußen nur 1) die Rentenbriefe der zur Vermittelung der Ablösung von Renten dienenden preußischen Rentenbanken; 2) die Schuldverschreibungen, die von einer deutschen kommunalen Körperschaft oder von der Kreditanstalt einer solchen Körperschaft (z. B. provinzialständische Grundkreditanstalt) oder mit Genehmigung der staatlichen Aufsichtsbehörde von einer Kirchengemeinde oder einem kirchlichen Verband ausgestellt und entweder von seiten der Inhaber kündbar sind oder regelmäßiger Tilgung unterliegen; 3) mit staatlicher Genehmigung ausgegebene Schuldverschreibungen (Pfandbriefe etc.) einer Landschaft oder kommunalständischen öffentlichen Grundkreditanstalt; 4) die auf den Inhaber lautenden Schuldverschreibungen, die von einer preußischen Hypothekenaktienbank auf Grund von Darlehen an preußische Körperschaften des öffentlichen Rechts oder von Darlehen, für die eine solche Körperschaft Gewährleistung übernahm, ausgegeben sind (preußische Kommunalobligationen, s. Banken, S. 343). In Bayern wurden für mündelsicher erklärt die Schuldverschreibungen bayrischer Gemeinden und vom Justizministerium zu bestimmende Wertpapiere von Kreditanstalten (Gesetz über die Übergangsvorschriften zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 9. Juni 1899, Art. 32). Es sind dies zurzeit folgende: Pfandbriefe und Kommunalobligationen der bayrischen Landwirtschaftsbank, die Pfandbriefe der Bayrischen Hypotheken- und Wechsel bank und der Süddeutschen Bodenkreditbank, die Pfandbriefe und Kommunalobligationen (Schuldbriefe für Gemeindedarlehen) der Pfälzischen Hypothekenbank, dann die Pfandbriefe der Bayrischen Vereinsbank, Bayrischen Handelsbank und der Vereinsbank in Nürnberg. Allerdings hat Bayern für die Einräumung dieses Vorteils über die Grenzen des Hypothekenbankgesetzes hinausgehende Beschränkungen als Bedingung gesetzt. Die betreffenden Banken mußten sich verpflichten, städtische und landwirtschaftliche Grundstücke nur bis zur Hälfte des Wertes und nur ausnahmsweise und mit Zustimmung des Treuhänders höher, bis zu 60 Proz., zu belehnen, ferner auf landwirtschaftliche Grundstücke nur Amortisationshypotheken zu gewähren, und zwar nur solche, bei denen der jährliche Tilgungsbetrag des Schuldners nicht weniger als 1/2 Proz. des Hypothekenkapitals beträgt, vorbehaltlich vom Staatskommissar (Treuhänder) zu gewährenden Ausnahmen. In Württemberg sind landesrechtlich zugelassene Mündelpapiere 1) die Schuldverschreibungen württembergischer kommunaler Körperschaften, 2) Schuldverschreibungen (Pfandbriefe) württembergischer Kreditanstalten, die das Justizministerium bis 1. Jan. 1900 für geeignet erklärte (Württembergischer Kreditverein, Württembergische Hypothekenbank).

Die Erklärung von Wertpapieren zu mündelsichern hat eine über die Anlegung von Mündelgeld hinausreichende Tragweite, indem andre gesetzliche Bestimmungen vorschreiben, daß mündelsichere Papiere auch für Anlegung andrer Gelder verwendet werden dürfen, die nach gesetzlicher Vorschrift wie Mündelgeld anzulegen sind. So bestimmt das Bürgerliche Gesetzbuch, § 234, daß Wertpapiere sich zu Sicherheitsleistungen nur eignen, wenn sie einer Gattung angehören, in der Mündelgeld angelegt werden kann. Ebenso ist für den Fall, daß ein Nießbrauchsrecht an einer verzinslichen Forderung besteht und die Forderung gezahlt wird, bestimmt, daß das gezahlte Kapital nach den für Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften verzinslich anzulegen ist (§ 1079). Das gleiche gilt für Heimzahlung einer verpfändeten, auf Zins ausstehenden Forderung (§ 1288). Nach § 1377 hat der Mann das ein gebrachte Gut der Frau nach den für Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften anzulegen. Das gleiche muß der Vorerbe mit Geld tun. das nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft dauernd anzulegen ist (§ 2119). Dazu kommen dann die großen Vermögensmassen der Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung, die mündelsicher anzulegen sind.

Kann Mündelgeld den Umständen nach nicht in irgend einer der bisher beschriebenen Arten angelegt werden, so ist das Geld nach Bürgerlichem Gesetzbuch, § 1808, bei der Reichsbank, einer Staatsbank oder einer durch Landesgesetz dazu für geeignet erklärten inländischen Bank oder bei einer Hinterlegungsstelle anzulegen. Das preußische Ausführungsgesetz, Art. 76, hat für geeignet erklärt: a) eine preußische öffentliche Bankanstalt (Zentralgenossenschaftskasse, Landesbank, landschaftliche, ritterschaftliche Darlehnskasse); b) eine preußische Privatbank, sofern sie entweder vom Ministerium als Hinterlegungsstelle anerkannt oder ihre Wertpapiere vom Bundesrat als mündelsicher erklärt sind.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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