Möwe [1]

Möwe [1]

Möwe (Larus L., hierzu Tafel »Möwen«), Schwimmvogelgattung aus der Familie der Möwen (Laridae), kräftig gebaute Vögel mit ziemlich großem Kopf, mittellangem, bis zur Mitte der Firste geradem, dann sanft hakig abwärts gebogenem, scharfschneidigem Schnabel, bis aus Auge gespaltenem Rachen, kurzem Hals, mittelhohen, meist vierzehigen Füßen mit Schwimmhäuten, langen, breiten, schmal zugespitzten Flügeln und mittellangem, breitem, geradem, seltener seicht ausgeschnittenem Schwanz. Sie bewohnen die Küsten fast aller Länder, vorzugsweise des Nordens, und entfernen sich von ihnen häufiger landeinwärts als seewärts; einzelne siedeln sich gern an Binnengewässern an, und mehrere sind Zugvögel. Sie schwimmen und fliegen vortrefflich, ihre Stimme ist krächzend und kreischend. Sie sind mutig, herrschsüchtig, mißgünstig andern Vögeln und mißtrauisch dem Menschen gegenüber, erscheinen aber beständig in Häfen, in der Nähe der Ortschaften und Schiffe, um Abfälle aufzulesen. Sie nähren sich hauptsächlich von Fischen, viele jagen eifrig Insekten; sie nehmen auch Aas und sind äußerst gefräßig. In der Brutzeit scharen sie sich zu Gesellschaften zusammen, und besonders die kleinern bilden dicht gedrängt ungeheure Brutansiedelungen, die ganze Felsen und Berge bedecken. Sie legen 2–4 große, braungrünliche, grau oder schwarzbraun gefleckte Eier, die von beiden Eltern in 3–4 Wochen ausgebrütet werden. An die Brut zeigen die Alten außerordentliche Anhänglichkeit. Die Eier sind besonders im Norden, wie auch die Federn und das Fleisch der Jungen, sehr geschätzt. Möwencier kommen auch in Deutschland vielfach als Kiebitzeier im Handel vor. In Norddeutschland bildet hier und da das »Möwenschießen« an einem bestimmten Tage des Jahres eine verwerfliche Belustigung. In der Gefangenschaft halten sich jung aus dem Neste gehobene Möwen sehr gut, fliegen meilenweit aus, kehren aber regelmäßig zurück und pflanzen sich auch in der Gefangenschaft fort. Die Eismöwe (Taucher-, Bürgermeistermöwe, L. glaucus L., s. Tafel »Möwen«, Fig. 6), 75 cm lang, 170 cm breit, auf Mantel und Rücken zart blaugrau, auf den großen Schwingen hell bläulichgrau, sonst weiß, mit gelbem Fuß, Auge und Schnabel und rotem Längsfleck auf dem Unterschnabel, bewohnt den hohen Norden beider Erdhälften und geht auf dem Zuge bis Nordafrika und Long Island, selten erscheint sie an den deutschen Küsten. Die Mantelmöwe (L. marinus L., s. Tafel »Möwen«, Fig. 3), 73 cm lang, 1,7 m breit, am Kopf, Hals, Nacken, an der Unterseite, dem Unterrücken und Schwanz weiß, am Oberrücken und an den Flügeln schwarz, an der Spitze der Schwungfedern weiß, mit silbergrauen Augen, zinnoberrotem Augenring, gelbem Schnabel, an der Spitze rotem Unterschnabel und hell graugelblichen Füßen. Sie findet sich zwischen 70 und 60° nördl. Br., kommt vom Oktober bis März häufig an die Küsten der Nord- und Ostsee, einzeln auch im Sommer, brütet aber nicht und streicht im Winter bis Südeuropa und weiter. Die Silbermöwe (Blaumantel, L. argentatus Brünn., s. Tafel »Möwen«, Fig. 5), 65 cm lang, 145 cm breit, mit hell blaugrauem Mantel und am Ende weiß gesäumten Schulterfedern; von den Handschwingen sind die beiden ersten schwarz, an dem weißen Ende durch ein schwarzes Band geziert, die übrigen nach hinten zunehmend grau, vor der Spitze schwarz und an derselben weiß; der Fuß ist blaß fleischfarbig. Sie bewohnt die Küsten der Nordsee, das Südliche Eismeer und die Küsten Nordamerikas, erscheint im Winter an allen Küsten Europas, geht auch tief ins Land und streicht bis zum Mittelmeer und Westindien; sie brütet im Mai und Juni (s. Tafel »Eier II«, Fig. 14). Die Sturmmöwe (Wintermöwe, Stromvogel, L. canus L., s. Tafel »Möwen«, Fig. 7), 45 cm lang, 112 cm breit, auf dem Mantel möwenblau, an den drei ersten Handschwingen schwarz, an den übrigen grau, sonst weiß, mit braunen Augen, grauem Schnabel und blaugrünlichem Fuß, bewohnt den Norden der Alten Welt, die Nord- und Ostseeküste, brütet etwa vom 55. Breitengrad an, geht im Winter weit ins Land und streicht bis Nordafrika und China. Die Heringsmöwe (L. fuscus L., s. Tafel »Möwen«, Fig. 2), 60 cm lang, 140 cm breit, der Mantelmöwe sehr ähnlich und mit lebhaft gelben Füßen, bewohnt Nordeuropa, erscheint im Winter an den deutschen Küsten, besonders der Ostsee, bisweilen auch vereinzelt im Binnenland, brütet auch an den Küsten des Mittelmeers und streicht im Winter bis zu den Kanaren, der Goldküste und dem Victoria Niansa. Die Zwergmöwe (L. minutus Pall., s. Tafel »Möwen«, Fig. 4), 28 cm lang, 70 cm breit, mit schwarzem Kopf, zart möwenblauem Mantel und Schwingen, sonst weiß, unterseits rosenrot angehaucht, mit braunem Auge, schwärzlichrotem Schnabel und rotem Fuß, lebt in Osteuropa und Westsibirien, nördlich bis zum Onegasee, erscheint im Winter an der Nord- und Ostsee und bei Helgoland, auch in Süddeutschland. Die dreizehige M. (Stummelmöwe, Fischermöwe, L.[Rissa] tridactylus Bp.), 43 cm lang, 100 cm breit, mit rudimentärer Hinterzehe, schwächlichem Schnabel und verhältnismäßig kurzen, langzehigen Füßen, ist weiß, auf dem Mantel hell graublau mit weißgrauen, schwarzspitzigen Schwingen, braunen Augen, korallenrotem Augenring, gelbem Schnabel, blutrotem Mundwinkel und schwarzen Füßen, lebt im hohen Norden, brütet noch an den schottischen und englischen Küsten und im nördlichsten Norwegen, erscheint im Winter häufig an unsern Küsten, seltener an der Ostsee, einzeln im Binnenland auf den Flüssen und streicht bis zum Mittelmeer und den mittlern Vereinigten Staaten. Sie bildet an der Küste des Eismeeres kolossale Brutansiedelungen, die wegen ihrer Lage schwer auszubeuten sind. Das Gelege besteht aus 3–4 gelbbräunlichen oder hellgrünlichen, spärlich dunkler gefleckten Eiern. Die Lachmöwe (Seekrähe, Kapuzinermöwe, Mohrenkopf, Gieritz, Hutmöwe, L. ridibundus L., s. Tafel »Möwen«, Fig. 1), 42 cm lang, 94 cm breit, mit nußbraunem Oberkopf und Vorderhals, hell graublauem Mantel und weißen, schwarzspitzigen Schwingen, sonst weiß, mit braunen Augen, rotem Augenring und lackrotem Schnabel und Füßen, im Winterkleid ohne die dunkle Kopffärbung, brütet zwischen dem 30. und 60.° nördl. Br. an allen Küsten und Binnengewässern Europas, Asiens und Amerikas, verweilt bei uns vom April bis September und streicht im Winter bis zu den Philippinen, Indien, Abessinien und bis zum Gambia. Sie ist bei uns sehr zurückgedrängt und erscheint fast nur noch auf dem Zug; einzelne überwintern bei uns. Sie nährt sich hauptsächlich von Kerbtieren und kleinen Fischen, legt 4–5 Eier und brütet Ende April bis Juni gesellig auf Schilf- und Binsenbüscheln im flachen Wasser, im Morast oder im Sumpf. In der Gefangenschaft ist sie allerliebst. – Über die Familie der Möwen s. Schwimmvögel.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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