Lappland

Lappland

Lappland (Sameland), Landschaft im nördlichsten Teil Europas (s. Karte »Schweden und Norwegen«), grenzt gegen N. an das Eismeer, gegen S. an das schwedische Norrland und an das mittlere Finnland, gegen O. an das Weiße Meer und gegen W. an das norwegische Amt Tromsö und zerfällt in das norwegische, russische und schwedische L. Das norwegische L., 47,385 qkm (860,6 QM.) groß, nimmt den nördlichsten Teil ein (s. Finmarken); das russische umfaßt den nordöstlichen, und zwar einen Teil des Gouv. Archangel (Halbinsel Kola und Gebiet am Kem) und einen Strich im finnischen Gouv. Uleåborg (Propstei Kemi am Bottnischen Meerbusen), zusammen etwa 130,000 qkm (2361 QM.), und das schwedische den südlichen Teil, 115,778 qkm (2102,7 QM.). Letzteres ist gegenwärtig in folgende fünf Lappmarken eingeteilt: Åsele- oder Ångermanlands-, Umeå- oder Lycksele-, Piteå, Luleå- und Torneå-Lappmark. Ein Teil von Torneå-Lappmark und ganz Kemi-Lappmark wurde von Schweden im Frieden von Frederikshamn (17. Sept. 1809) nebst Finnland, wozu es gegenwärtig gehört, an Rußland abgetreten. L. ist ein unwirtliches Land, teils bergig, teils eben und mit Wäldern und Sümpfen bedeckt, nach O. sich allmählich verflachend, und besteht, wie die skandinavisch-finnländische Urgneisplatte, mit der es im innigsten Zusammenhange steht, wesentlich aus Gliedern des Urgebirges (Gneis und Glimmerschiefer mit Granit, Syenit [Eläolithsyenit] und Diorit); nur an der Ostküste der Halbinsel Kola umsäumt eine verhältnismäßig schmale Zone devonischer Sedimente das Urgebirge. Ähnliche paläozoische Ablagerungen sind auch im N. südlich vom Nordkap weitverbreitet. Lagerstätten von Eisen-, Kupfer- und silberhaltigen Bleierzen finden sich im südlichen Teil der Halbinsel Kola, werden aber kaum ausgebeutet. In Norwegen sind neuerdings große Lager von Eisenerz am Varangerfjord entdeckt; vor allem aber enthält das schwedische L. kolossale Lager von Eisenerz, vornehmlich an der Eisenbahn Luleå-Narvik. Im Gebirge, das im Kebnekaise, dem höchsten Berge Schwedens, 2135 m erreicht, entspringen zahlreiche Flüsse, die in den Bottnischen Meerbusen münden, so Luleå, Piteå, Skellefteå und Umeå. Auch finden sich zahlreiche Seen, zum Teil von beträchtlichem Umfang, z. B der Enare in Finnland von 1421 qkm (25,8 QM.) Flächeninhalt. Der Winter ist lang und streng, der Sommer kurz. Der längste Tag dauert in den südlichen Gegenden 24 Stunden, in den nördlichsten aber drei Monate; ebensolang ist dann die längste Nacht im Winter. Im Sommer plagen zahllose Mückenschwärme Menschen und Vieh. Der Boden eignet sich nur in den südlichsten Gegenden des schwedischen L. zum Anbau. Pferde, Rindvieh und Schafe finden sich fast ausschließlich bei den Kolonisten und nur vereinzelt bei den norwegischen Lappen. Von wil den Tieren gibt es Wölfe, Bären, Luchse, Füchse, Marder, Hermeline, Fischottern, Hafen etc. Zugvögel und wildes Geflügel sowie Fische sind in Menge vorhanden.

Die Ureinwohner sind Lappen, zu denen etwa 10,000 Kolonisten kommen. Die Lappen, die sich selbst Same, Sabme oder Samelad nennen, ein Name, der mit dem der Finnen Surmalaiset zusammenhängt, während sie jenen Namen für schimpflich halten, gehören zum finnisch-ugrischen Volksstamm; doch sind sie hinsichtlich ihrer Körpergestalt von den Finnen sehr verschieden. Sie sind beträchtlich kleiner als die übrigen Bewohner Skandinaviens und Europas überhaupt, die Männer durchschnittlich 1,53, die Frauen 1,47 m groß. Sie bewohnten von jeher den hohen Norden südwärts bis 63° nördl. Br. Diese Grenze haben sie erst im 17. oder 18. Jahrh. überschritten. Seit etwa 1880 machten sie einen Vorstoß über die Hochplateaus von Norwegen, sogar bis 59° nördl. Br., sind aber wieder im Rückzuge begriffen. Bei den Lappen an den Küsten, die nur von der Fischerei oder als Lotsen leben, soll sich (nach Bastian) durch das beständige Sitzen in äußerst engen Kähnen eine eigentümliche, von Generation zu Generation zunehmende Schwächung und Verkürzung der Beine, dagegen kräftige Muskulatur und Größe der Arme herausbilden. Ihr Gesicht ist breit mit spitzem Kinn, großem Mund, vorstehenden Backenknochen, breiter Nase und eng geschlitzten, doch horizontal gestellten Augen. Ihr Haar ist dunkelbraun und schlicht, ihre Gesichtsfarbe gelblich. Das Hauptlaster der Lappen war lange die Trunksucht, und schon seit 1723 sind in den skandinavischen Ländern strenge Gesetze gegen den Verkauf von Branntwein an die Lappen erlassen worden. Ihre geistige Begabung ist nicht groß, doch können viele von ihnen lesen und schreiben. Als Heiden brachten die Lappen ihren Göttern auf Bergspitzen, Seeinseln und in Höhlen Opfer dar, die meist in Renntieren bestanden; Priester hatten sie nicht, wohl aber Zauberer und Wahrsager, die einen großen Einfluß ausübten. Gegenwärtig bekennen sie sich sämtlich zum Christentum, und zwar gehören die skandinavischen und finnischen Lappen zur evangelischen, die russischen, d.h. die Bewohner der Halbinsel Kola, zur griechisch-katholischen Kirche. Erstere besitzen auch eine bescheidene religiöse Literatur, bei allen aber spielt der Aberglaube noch eine bedeutende Rolle. Weini sie, wie nicht selten, von religiösen Bewegungen ergriffen werden, gebärden sie sich als wütende Fanatiker. Ursprünglich waren die Lappen ein Jäger- und Fischervolk, das keine andern Haustiere als den Hund (bœdnag) hatte.

Die an Flexionen, besonders an Kasusformen sehr reiche Sprache der Lappen gehört zu der finnisch-ugrischen Gruppe des uralaltaischen Sprachstammes (s. Uralaltaische Sprachen). Grammatiken verfaßten Possart (Stuttg. 1840), Stockfleth (Christ. 1850), Friis (das. 1856), eine »Laut- und Formenlehre der Lulalappischen Dialekte« Wiklund (Stockh. 1891), Wörterbücher Stockfleth (Christ. 1850), Friis (das. 1885–1887, mit Formenlehre, letztere auch besonders erschienen) und Genetz (Helsingf. 1891).

Nach ihrer Lebensweise teilt man die Lappen in Renntier- oder Berglappen, Waldlappen und Fischer- oder Küsten- und Seelappen, welch letztere die größere Zahl ausmachen und im ganzen viel höher stehen als die erstern. Man könnte noch eine vierte Klasse hinzufügen, die Lappen der Flüsse. Die Berglappen führen ein Nomadenleben, indem sie mit ihren Renntierherden umherziehen. Diese sind der einzige Reichtum des Lappen; von ihnen entnimmt er alles, was er zu seiner Nahrung und Kleidung bedarf. Doch ist zum Unterhalt einer Familie eine nicht geringe Zahl dieser Tiere erforderlich; wer nicht mehr als 100 Renntiere besitzt, ist gezwungen, sich mit seiner Herde an einen größern Besitzer anzuschließen, und tritt dadurch zu diesem in das Verhältnis der Dienstpflichtigkeit. Zur Selbständigkeit und Wohlhabenheit gehört eine Renntierherde von 300–500 Stück. Da aber das Gebiet, das den Lappen früher zu ungehindertem Durchziehen offen stand, durch das Vordringen der ackerbautreibenden Bevölkerung nach N. bedeutend geschmälert ward und noch wird, so sahen sich viele der ärmern Lappen genötigt, das nomadische Leben aufzugeben und mit Annahme fester Wohnsitze sich der Fischerei in den Seen und Flüssen und an den Meeresküsten sowie der Jagd zuzuwenden, welch letzterer auch die Renntierlappen obliegen. Das Zahmen der Renntiere (buotse) haben sie von den skandinavischen Völkern gelernt; ihr Wort für »zähmen« ist germanischen Ursprungs (dabmat, daman). Während die Wald- und Fischerlappen zum großen Teil Kleidung und Wohnung der norwegischen, schwedischen und russischen Bauern angenommen haben, haben die Renntierlappen noch meist ihre alten Eigentümlichkeiten bewahrt. Sie gerben Häute, verfertigen Zwirn aus den Sehnen der Renntiere, weben Decken, verfertigen hölzerne Gerätschaften, Kähne, Schlitten und die nötigen Kleidungsstücke. Die Tracht der beiden Geschlechter ist wenig verschieden; sie besteht in einem Petz, Beinkleidern, Schuhen und ist je nach der Jahreszeit von Renntierfell, Filz oder grobem Tuch. Beispiele ihrer Kunstfertigkeit s. auf Tafel »Nordische Kultur II«; s. auch Tafel »Volkstrachten I«, Fig. 1. Mit Beginn der warmen Jahreszeit ziehen die Renntierlappen nach den Hochplateaus, von wo sie im Herbst mit ihren beladenen Renntieren in das niedrige, waldreiche Land zurückkehren. Das Sommerzelt besteht aus einem mit Renntierfellen bedeckten Stangengerüst, die Winterhütte ist fester, außen mit Rasen bedeckt, innen mit Renntierfellen bekleidet und oft ganz eingeschneit. Die wenigen, von seßhaften Lappen bewohnten Dörfer bestehen aus Erd- und Holzhütten, die zerstreut um die hölzerne Kirche liegen. Die Zahl der Lappen nimmt anscheinend beständig ab, doch ist diese Abnahme aus der Vermischung mit den angrenzenden Völkern zu erklären. Gegenwärtig rechnet man im ganzen ca. 33,000 Lappen, davon ca. 21,000 in Norwegen. Vgl. die »Völker- und Sprachenkarte von Europa« (Bd. 6). Stockfleth, Bidrag til Kundskab om Finnerne i Norge (1878); Helms, L. und die Lappländer (Leipz. 1868); G. v. Düben, L. und die Lappen (1872); Aubel, Reise nach L. (Leipz. 1874); Friis, Lappisk Mythologi, Eventyr og Folkesagn (Christ. 1871) und Laila, Schilderungen aus L. (deutsch, Leipz. 1886); Nemiromitch-Dantschenko, L. und die Lappländer (Petersb. 1876); Donner, Lieder der Lappen (Helsingf. 1876); Ecker, L. und die Lappländer (Freiburg 1878); Poestion, Lappländische Märchen, Volkssagen etc. (Wien 1885); Passarge, Fahrten in Schweden, besonders in Nordschweden u. L. (Berl. 1897); Über die Bekehrungsgeschichte der Lappen vgl. H. Hammond, Den nordiske Missions Historie (Kopenh. 1787); J. Vahl, Lapperne og den lapske Mission (das. 1865); D. Thrap, Thomas v. Westen (Christ. 1882); Qvigstad u. Wiklund, Bibliographie der lappischen Literatur (1900). Eine ethnographische Karte des norwegischen L. lieferte Friis.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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