Kost [1]

Kost [1]

Kost, die für den Genuß zubereiteten Nahrungsmittel, von deren Beschaffenheit und Menge das Wohlbefinden des Körpers, seine Erhaltung auf normalem Ernährungszustand, bez. sein Wachstum und seine Leistungsfähigkeit abhängen. Die K. muß eiweißartige Körper, Fett, Kohlehydrate und mineralische Stoffe in richtigem Verhältnis enthalten, und die Menge der täglich aufzunehmenden Nahrungsstoffe, das Kostmaß (s. Ernährung, S. 58), richtet sich nach der Individualität und nach den Anforderungen an den Körper. Ein arbeitender Mensch braucht mehr Nahrung als ein ruhender, und ein jugendlicher Körper soll sich nicht wie der erwachsene nur in dem vorhandenen Ernährungszustand erhalten, sondern er soll zunehmen, wachsen. Auf dieser Grundlage kann die K. sehr verschieden zusammengesetzt werden. Dabei kommt noch in Betracht, daß Fette und Kohlehydrate sich innerhalb gewisser Grenzen ersetzen können, daß aber die Menge des Fettes nicht ohne Nachteil unter ein gewisses Maß herabgedrückt werden kann, und ferner, daß die Eiweißkörper tierischer Abstammung sich günstiger verhalten als die vegetabilischen, die freilich billiger zu beschaffen sind. Stets sollte wenigstens der dritte Teil des Eiweißbedarfs durch tierisches Eiweiß gedeckt werden. Wer gezwungen ist, sich vorwiegend mit Kohlehydraten (Kartoffeln) zu ernähren, wird bald genug unter Entkräftung und Arbeitsunfähigkeit leiden, während eiweiß- und fettreiche Fleischkost die Leistungsfähigkeit bedeutend steigert. Der Arbeiter bedarf (Körpergewicht 70 kg) bei ganz leichter Arbeit oder bei Ruhe täglich etwa 110 g Eiweiß, 50 g Fett, 450 g Kohlehydrate, bei mittlerer, nicht angestrengter Arbeit 118 g Eiweiß, 50 g Fett und 500 g Kohlehydrate. Eine Stunde Arbeit verursacht einen Verlust von 6 g Kohlenstoff (= 8 g Fett), und deshalb ist bei angestrengter Arbeit das Mindestkostmaß auf 145 g Eiweiß, 100 g Fett und 500 g Kohlehydrate zu beziffern. Die Erhöhung der Eiweißzufuhr ist notwendig, weil schwer arbeitende, sehr muskulöse Individuen einen sehr hohen Eiweißbestand in den Muskeln zu erhalten haben, falls nicht ihre Leistungsfähigkeit sinken soll. Der bayrische Holzknecht verbraucht täglich 143 g Eiweiß, 180–300 g Fett und 690–780 g Kohlehydrate, doch dürfte solche enorme Belastung des Darmes die Arbeitsfähigkeit ungünstig beeinflussen. Die Frau, die etwa 10 kg leichter ist als der Mann und zumeist mehr Fett am Körper besitzt, was die Zersetzungsgröße beschränkt, bedarf etwa vier Fünftel der Kost des Mannes, so daß bei leichter Arbeit 90 g Eiweiß, 40 g Fett und 400 g Kohlehydrate ausreichen. Bei der Ernährung des Arbeiters spielt der Preis der Nahrungsmittel eine sehr große Rolle. Schwarzbrot wird dem Weißbrot vorgezogen, obwohl letzteres sehr viel besser ausgenutzt wird, Kartoffeln vergrößern das Volumen der K. und sind zur Erzeugung des Sättigungsgefühls von hohem Werte. Das Fleisch muß selbstverständlich allen hygienischen Anforderungen entsprechen, doch verdienen die billigern Stücke, auch die Eingeweide, den Vorzug. Fettes Fleisch von gut gemästeten Tieren ist stets preiswerter als mageres, Knorpel und Knochen eignen sich zur Darstellung von Sülzen. Sehr beachtenswert sind die im Binnenland noch viel zuwenig benutzten Fische und namentlich auch der Hering wegen seines hohen Fettgehalts. Billigere Käsesorten sind ebenso beliebt wie wohlfeil, Magermilch und Buttermilch finden noch nicht genügende Beachtung. Butter wird vorteilhaft durch Kunstbutter und Schmalz ersetzt, während der beliebte Speck weniger gut ausgenutzt wird. Fette Öle werden bei uns leider zuwenig benutzt. Ebenso werden die stickstoffreichen Hülsenfrüchte in vielen Gegenden vernachlässigt. Ihnen am nächsten stehen Mehl, Grieß, Grütze, Pilze, während Gemüse ungleich geringern Nährwert besitzen, aber durch ihren Gehalt an Salzen und würzigen Stoffen, durch ihr Volumen und dadurch, daß sie Abwechselung in die K. bringen, von großem Wert sind. In letzterer Beziehung verdient auch das Obst Beachtung. Viel wichtiger sind aber Gewürze, welche die Absonderung der Verdauungssäfte beschleunigen und vermehren und auch die einfachste Mahlzeit genußreich machen, was bei der starken Beschränkung in der Auswahl der Nahrungsmittel ganz besonders ins Gewicht fällt (vgl. Gewürze). Da der Arbeiter bei angestrengter Tätigkeit sehr viel Wasser verliert, so spielen die Getränke eine große Rolle. Am gesündesten ist jedenfalls gutes Trinkwasser, leider aber werden alkoholische Getränke allzusehr bevorzugt. Von diesen ist das Bier am bekömmlichsten, doch kann nicht geleugnet werden, daß ein Schnaps unter gewissen Umständen den Vorzug verdient (vgl. Alkohol, S. 338). Nur ist hier die Gefahr des Mißbrauchs viel größer; jugendliche Arbeiter sollten unter allen Umständen vor dem Schnaps geschützt werden. Guter Kaffee leistet vortreffliche Dienste als anregendes Mittel und verdient auch deshalb den Vorzug, weil der Anregung keine Erschlaffung folgt wie beim Alkohol. Guter starker Tee wirkt wie Kaffee. Ähnliches gilt für Tabak, der ebenfalls dem Alkoholmißbrauch entgegenwirkt. Hat der Arbeiter ausnahmsweise eine einmalige schwere Arbeit zu leisten, so wird ihn ein leichter Imbiß mit einem anregenden Mittel hinreichend dazu befähigen. Handelt es sich aber um eine dauernde größere Leistung, so muß die K. an tierischem Eiweiß und Fett bereichert werden. Eine Vergrößerung der Quantität der Kohlehydrate würde den Darm ebenso überlasten wie eine Vergrößerung des Volumens der Nahrung. Über die Beköstigung der Soldaten etc. s. Massenernährung.

Von den wohl habenden Klassen hat die Beköstigung im Gegensatz zu den Ärmern die obere Grenze des Kostmaßes, die sehr oft überschritten wird, zu berücksichtigen. Sie liegt für den erwachsenen Mann durchschnittlich bei einem Kostmaß von 150 g Eiweiß, 85 g Fett, 430 g Kohlehydrate und für die Frau bei 125 g Eiweiß, 85 g Fett und 320 g Kohlehydrate. Auch sollte der Eiweißgehalt der K. höchstens zu 75 Proz. durch tierisches Eiweiß gedeckt werden, weil die im Fleisch enthaltenen stickstoffhaltigen Extraktivstoffe bei fortdauernder starker Zufuhr sicher nicht indifferent für den Organismus sind. Große Zufuhr von Fett wird nur bei genügender Körperbewegung ohne Nachteil ertragen, ebenso wirkt Mißbrauch von starkem Kaffee, Tee, Tabak nachteilig, und reichlicher Alkoholgenuß in Form von starken Bieren, Wein, Likören schädigt schließlich ebenso wie der Schnaps des Arbeiters. Fettsucht, Gicht, Leberleiden, Hämorrhoiden, Magen- und Darmkrankheiten sind Folgen einer zu großen, resp. zu einseitigen Zufuhr von Nahrungsmitteln, während der anhaltende Gebrauch starker Genußmittel Affektionen des Herzens und des Nervensystems herbeiführen kann. Eine Suppe, Fleisch mit Gemüse und eine Nachspeise bieten eine sehr reichliche Hauptmahlzeit, und die gerühmte Hausmannskost, die nur ein kräftiges, gut zubereitetes Gericht bietet, verdient sehr allgemein den Vorzug. Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung der Verteilung der Mahlzeiten am Tage. Wenn der Hauptmahlzeit zwischen 2 und 4 Uhr ein reiches Abendbrot um 8 Uhr folgt, so wird der Körper zeitweise mit Nahrungsstoffen überladen, während er den größten Teil des Tages ohne erhebliche Nahrungszufuhr bleibt. Viel rationeller ist die Verteilung der Mahlzeiten bei den Arbeitern und noch besser bei den Engländern, die um 12 Uhr ein ziemlich reichliches Frühstück und nicht vor 6 Uhr, nach Erledigung der Tagesarbeit, die Hauptmahlzeit genießen.

Eine wesentliche Modifizierung erfährt die K. nach dem Alter der Individuen. Die obigen Angaben gelten für den Erwachsenen in rüstigen Jahren. Über Kinderernährung s. d. Im Alter wird weniger Eiweiß und Fett verbraucht, und der Bedarf wird beim alten, nicht arbeitenden Mann durch 90 g Eiweiß, 40 g Fett und 350 g Kohlehydrate, bei der alten, nicht arbeitenden Frau durch 80 g Eiweiß, 35 g Fett und 300 g Kohlehydrate gedeckt. Sind die Zähne ausgefallen, so muß die Konsistenz der Nahrung weicher sein. In der Schwangerschaft muß die K. sehr nahrhaft, leichtverdaulich und nicht zu voluminös sein. Schwarzbrot, Kartoffeln, Gemüse, Hülsenfrüchte sollten möglichst vermieden werden; saure und fette Speisen werden im allgemeinen schlecht vertragen. Wein, Bier, Kaffee, Tee sind nur in kleinen Mengen zuträglich. Die stillende Frau, die große Mengen von Nahrungsstoffen zur Bildung der Milch verbraucht, bedarf einer K. mit 150–160 g Eiweiß, 100 g Fett und 350–400 g Kohlehydrate und einer erhöhten Flüssigkeitszufuhr. Dabei sollte der Eiweißbedarf wesentlich durch tierische K. gedeckt werden, um die Masse der Nahrung nicht zu stark zu vergrößern. In den ersten Wochen nach der Entbindung ist große Vorsicht notwendig, doch soll die Diät kräftigend sein. Milch, Kakao, nahrhafte Schleimsuppen sind in den ersten Tagen empfehlenswert, später folgen Brühen mit Ei, Zwieback, geschabter Schinken, Wild, Taube, Milchreis, Kartoffelbrei, Semmel mit Butter und nach etwa 14 Tagen allmählich konsistentere Speisen. Die Jahreszeiten beeinflussen das Nahrungsbedürfnis in der Weise, daß der Organismus im Winter mehr Fett (bis 33 Proz.) verbraucht als im Sommer. Die hohe Sommertemperatur vermindert nicht die Oxydation im Körper, ja bei sehr hohen Temperaturen scheint eine Steigerung einzutreten. Das Kostmaß ist deshalb in den Tropen nicht geringer als bei uns. Da aber der Körper bei der hohen Lufttemperatur nur wenig Wärme abgibt, so kann leicht, wie in heißen Fabrikräumen, bei Tunnel- und Taucherarbeiten, in den Heizräumen von Dampfschiffen, auf Märschen geschlossener Truppenteile in der Sonnenhitze, eine abnorme Steigerung der Körpertemperatur eintreten. Die K. sollte in allen diesen Fällen aus Substanzen bestehen, die den Organismus in seinem Bestande zu erhalten vermögen, aber möglichst wenig Wärme liefern. Instinktiv werden kühle Speisen und Getränke sowie Obst bevorzugt, Fette und fettes Fleisch zurückgewiesen. Kohlehydrate werden gern genossen und gut verwertet, und daher erklärt sich die Vorliebe für den leichtverdaulichen Reis in den südlichen Ländern. Kühler Kaffee und Tee sind empfehlenswert, alkoholische Getränke erhitzen und erschlaffen übermäßig. Für den Winter empfehlen sich dagegen fettes Fleisch, Speck und fetter Käse sowie namentlich auch Hülsenfrüchte. Über Krankenkost s. Diätetik. Vgl. Meinert, Wie nährt man sich gut und billig? (3. Aufl., Mainz 1886); Wolff, Die Ernährung der arbeitenden Klassen (deutsch, Berl. 1885); weitere Literatur bei den Artikeln »Diätetik« und »Ernährung«.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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