Korallpolypen

Korallpolypen

Korallpolypen (Anthozoa, »Blumentiere«), Abteilung der Cölenteraten (s. d.). Vgl. zu folgendem Tafel »Korallen I u. II«. In der einfachsten Form stellt der Körper einen festgewachsenen Schlauch dar (Tafel II, Fig. 9) mit einer Öffnung am freien Ende, die von einem Kranz von Fangfäden oder Tentakeln umstellt ist. Diese dienen zum Ergreifen der Beute und sind zu deren Lähmung reichlich mit Nesselorganen (s. Cölenteraten) versehen. Die Öffnung fungiert sowohl als Mund wie als After und läßt auch die Geschlechtsstoffe austreten. Sie führt in ein kurzes Schlundrohr und durch dieses in den Magen, der durch zahlreiche senkrechte Scheidewände, die Mesenterialfalten, in Taschen zerfällt, die am Hinterende des Tieres miteinander kommunizieren und sich oben in die (hohlen) Tentakeln sowie als Kanäle in die Körperwand fortsetzen. So zirkuliert die im Magen aus den Speisen gewonnene Nährflüssigkeit im ganzen Körper und zwar nicht nur durch Kontraktionen des Körpers, sondern auch durch die Flimmerung auf den Zellen des Magens und der Kanäle. Man unterscheidet am Leibe der K. drei Schichten, nämlich die aus Flimmerzellen bestehende Magenwand oder das Entoderm, ferner die äußere Haut oder das Ektoderm und das zwischen beiden gelegene, oft sehr massige Mittelblatt (vgl. Cölenteraten). Die Geschlechtsstoffe (Eier und Samen) entstehen in Verdickungen der Ränder der bereits erwähnten Mesenterialfalten und gelangen bei der Reise direkt in den Magen und von ihm aus ins Freie. In der Regel sind die Geschlechter getrennt, oder aber die Reise der beiderlei Geschlechtszellen erfolgt zu verschiedener Zeit. Die Befruchtung geschieht im mütterlichen Körper; ebenso kann hier die Entwickelung der Larven erfolgen. Wenn diese als sogen. Planula die Mutter verlassen (Tafel I, Fig. 2), sind sie sehr klein, einfach gebaut und bewegen sich frei schwimmend durch Wimperung; später setzen sie sich fest und erhalten die Tentakeln. Neben der geschlechtlichen Fortpflanzung findet sich in hohem Grade entwickelt auch die ungeschlechtliche, indem Knospen (Tafel II, Fig. 90) am Einzeltier, Polypen, auftreten; bleiben nun die neugebildeten Individuen mit den alten verbunden, so entstehen die Polypenstöcke (Tafel I, Fig. 1). In ihnen sind die Einzeltiere in eine gemeinschaftliche Masse (Cönenchym, Cönosark) eingebettet und kommunizieren alle miteinander, so daß die von jedem erworbenen Nährsäfte der Gesamtheit zugute kommen. In einem solchen Tierstaat herrscht also bei völliger Gleichwertigkeit der Individuen der vollendetste Kommunismus.

Sehr wichtig für den Aufbau der Stöcke der K. ist das Skelett, das bei manchen nur aus einzelnen nadelförmigen Kalkkörperchen besteht. Indem diese aber unter sich verwachsen, geben sie zu den oft steinharten Kalkskeletten Anlaß, aus denen manche sogen. Korallen (s. d.) bestehen. Einzelne K. besitzen auch ein Hornskelett, bei dem zu der hornigen Achse noch eine Verkalkung des Cönenchyms hinzukommen kann. Bei manchen wird die Kalkablagerung eine sehr bedeutende und das Skelett infolgedessen sehr massig. So entsteht bereits eine Mannigfaltigkeit von Formen der Polypenstöcke, die noch dadurch vermehrt wird, daß unvollkommene Teilung die Einzelpolypen in verschieden hohem Grade miteinander in Verbindung beläßt.

Die K., von denen über 3000 Arten bekannt sind (etwa gleichviel lebende und ausgestorbene), bewohnen sämtlich das Meer und sind im allgemeinen auf die wärmern Zonen angewiesen, während allerdings einige Arten sogar im hohen Norden vorkommen. In bedeutenden Tiefen (bis zu 6000 m) leben nicht wenige, indessen sind weitaus die meisten in der Nähe der Küsten zu finden; namentlich gilt dies von den Arten, welche die Koralleninseln und Korallenriffe (s. d.) bilden. Alle K. sind fleischfressende Tiere; zur Beute fallen ihnen hauptsächlich kleine Krebse, Larven verschiedener Tiere etc., aber auch Fische. Man teilt die lebenden K. nach der Zahl ihrer Tentakeln in die achtarmigen Octactinia (Alcyonaria) und die vielarmigen Hexactinia ein. Zu den erstern, auch wohl Fieder- oder Gliederkorallen genannt, gehören die Schwamm-, Kork- oder Lederkorallen (Alcyonidae), die sogen. Seefedern (Pennatulidae, s. Abbildung von Pteroides auf Tafel »Korallen I«, Fig. 4), ferner die vielgestaltigen sogen. Horn- oder Rindenkorallen (Gorgonidae), von denen Gorgonia (Tafel I, Fig. 5 u. 6) sowie die zu Schmucksachen verwendete weiße Koralle (Isis) und die Edelkoralle (s. d. und Tafel I, Fig. 1–3, und Tafel »Aquarium I«, Fig. 27) die bekanntesten sind, Sympodium (Tafel I, Fig. 13), endlich die Orgelkorallen (Tubiporidae, Tafel II, Fig. 6). Die Hexactinia (Hexacorallia), mit sechs oder mehrere Male sechs Tentakeln, sind teils ganz weich wie die Seeanemonen (s. d., Zoanthus, Tafel I. Fig. 9; Cerianthus, s. Tafel »Aquarium I«, Fig. 37), teils mit horniger Achse versehen (Antipatharia), teils verkalkt und dann an der Korallenbildung beteiligt (s. Korallen). – Unter den versteinerten K. gehören die jüngern aus dem Jura und dem Trias den Hexaktinien an, dagegen bilden die ältern aus der Grauwacke und andern paläozoischen Schichten eine besondere Klasse, die Tetracorallia oder Rugosa (etwa 500 Arten), mit ein oder mehrere Male vier Tentakeln. Eine besonders merkwürdige Form ist die früher zu den Armfüßern gerechnete, mit einem Deckel versehene Calceola sandalina (s. Tafel »Devonische Formation I«, Fig. 1). Vgl. Milne-Edwards und Haime: Recherches sur les polypiers (Par. 1848–1852) und Histoire naturelle des Coralliaires (das. 1857–60, 3 Bde.); Lacaze-Duthiers, Mémoire sur les Antipathaires (das. 1864–65); Kölliker, Die Pennatuliden (Frankf. 1872); Gosse, British Sea Anemones (Lond. 1860); Hertwig, Die Aktinien (Jena 1879); Andres, Le Attinie del golfo di Napoli (Leipz. 1884); Klunzinger, Die Koralltiere des Roten Meeres (Berl. 1878–79, 3 Tle.); v. Koch, Die Antipathiden des Golfes von Neapel (Berl. 1889).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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