Appalachen [1]

Appalachen [1]

Appalachen (Appalachisches Gebirge, Appalachians, spr. äppälätschjens, Appalachian Mountain System), das vielgliederige Gebirgssystem, das sich im O. von Nordamerika von Alabama bis zum Lorenzgolf und an die Nordspitzen der Inseln Neufundland und Belle Isle erstreckt (s. die Karten bei »Nordamerika«), mit nordöstlich gerichteter Längsachse von 2500 km, 300–500 km Breite und 400,000 qkm Fläche. Durch den tiefen Einschnitt des Hudson- und Mohawktales, der vom Atlantischen Ozean bei New York zum Ontariosee hinübergreift und an den Eriekanalschleusen von Rome nur 132 m ü. M. liegt, gliedert es sich in zwei wesentlich voneinander verschiedene Hauptteile, die Süd- und Nordappalachen. Die Südappalachen oder Alleghanies (s. d.) zeichnen sich durch verhältnismäßig einheitlichen Bau aus. Vor allem werden sie von einem großen Längstale durchzogen, das von Alabama bis an den Hudson reicht und als negative Hauptachse des Gebirges bezeichnet worden ist. Es ist das Große Appalachische Tal (Great Appalachian Valley), von dem das Coosatal in Alabama, das Tal von Ost-Tennessee, das Virginische Tal, das Shenandoahtal, das Kittatinnytal von Pennsylvanien nur einzelne Abteilungen oder Kammen bilden. Diesem Tale, das sich bei Chattanooga 200 m, bei Harpers Ferry (am Potomac) 75 m, bei Mount Airy (in Südwestvirginien) aber 800 m ü. M. erhebt und eine Reihe untergeordneter Bergketten (Clinch Mountains, Massaminon) mit umfaßt, folgen alle Hauptverkehrsstraßen von NO. nach SW. Südöstlich von ihm erheben sich wie ein zusammenhängender Wall die Hauptketten des Systems: die Unaka und Smoky Mountains (Clingmans Dome 2030 m), die Stone und Iron Mountains (Snake Mountain 1705 m), die Nantahela und Cowee Mountains (Waya Bald 1674 m), die Balsam Mountains (Richland Mountain 1980 m), die Black Mountains (im Mount Mitchell oder Black Dome, dem höchsten Gipfel der A., 2048 m), und die Blaue Kette (Blue Ridge, Grandfather 1796 m). Die letztere bildet den steilen Ostrand des höhern Gebirges vom Coosa River bis zum Hudson (1500 km weit) und wird im S. nur von vergleichsweise hohen Pässen (Wind Gaps, d.h. Windklüften), im N. aber von den Stromdurchbrüchen (Water Gaps) des James (oberhalb Lynchburg), Potomac (bei Harpers Ferry), Susquehannah (bei Harrisburgh) und Delaware (bei Easton) gequert. Gneis, Glimmer-, Hornblende- und Tonschiefer und Quarzit sind hier die herrschenden Gesteine, z. T. mit Einlagerungen von Magneteisen-, Gold-, Kupfer- und Zinkerz, Halbedelsteinen, und dasselbe Gestein sowie triassischer Sandstein setzt das niedrigere Berg- und Hügelland zusammen, das östlich von der Blauen Kette liegt und als »Piedmont Region« (Fußhügelgegend) bekannt ist. Letztere bildet einen wesentlichen Bestandteil der A. und wird durch die sogen. Fall-Linie von der Atlantischen Küstenniederung abgegrenzt, d.h. durch eine Linie, an der sämtliche Appalachenströme in Gestalt von Wasserfällen und Schnellenreihen aus dem Gebirge treten. Nordwestlich vom Appalachischen Tale steigt ebenfalls ein steiler, mauerartiger Gebirgswall auf, im S. Cumberlandgebirge (s. d.), in Virginien und Pennsylvanien Alleghanygebirge (s. d.), in New York Catskills (s. d.) genannt, ebenfalls über 1500 km lang und nur in wenigen schwierigen Pässen übersteiglich (im Tennesseedurchbruch bei Chattanooga, Emory Gap, Cumberland Gap, Stone Gap, New Riverdurchbruch). Er hält sich ohne nennenswerte Gipfelung in 1100–1200 m Höhe, im allgemeinen besteht er aus mehreren Parallelketten, und stark gefaltete Schichten der Silur-, Devon- und Steinkohlenformation (Sandstein, Kalkstein und Schiefer) setzen ihn zusammen, gewaltige Schätze an Steinkohlen, Roteisenstein, Petroleum und Naturgas in sich einschließend. Gegen W. geht das Cumberlandgebirge ohne scharfe Grenze in das Cumberlandplateau und Ohio-Mississippibecken über. In den Nordappalachen ist der Zusammenhang der Hauptgebirgsglieder viel loser, infolge einer Mehrheit tief durchsetzender Längs- und Querverwerfungen, die Streichungsrichtung lenkt mehr nach N. ab, die Stellung der Gebirgsglieder zueinander ist abweichend. Außerdem sind in ihrer Ausgestaltung die Wirkungen der quartären Vergletscherung sichtbar. Im Gegensatze zu den Südappalachen sind die Nordappalachen außerordentlich reich an Seen und Wasserfällen, die Täler aber sind teils weit und flachgründig (durch Gletscherausfurchung; Mohawktal, Champlaintal), teils tief eingeschnittene Erosionstäler jugendlichsten Alters (Ausable Chasm). Die Adirondacks (s. d.) erreichen im Mount Marcy 1641 m, die Green Mountains im Mount Mansfield 1337 m, die White Mountains im Mount Washington 1917 m, das Gebirgsland von Maine im Katahdin 1589 m, das Shickshockgebirge am untern Lorenzstrom im Mount Bayfield 121 im, die Long Range von Neufundland im Mount Erskine 600 m. Alle diese Gebirge enthalten Kernmassen aus kristallinischen Felsarten, daneben treten paläozoische und triassische Schichtgesteine sowie jüngere Eruptivgesteine (Trapp) auf. Die produktive Steinkohlenformation ist nur im SO. (an der Narragansettbai) und NO. (in Neuschottland und auf Cape Breton, s. d.) entwickelt. An sonstigen Nutzmineralien enthalten die Nordappalachen namentlich Eisenerze (Adirondacks und Cobequid Mountains), Gold (Neuschottland), Marmor (Green Mountains) und Granit.

Abgesehen von den moos- und flechtenbedeckten »Barrens« von Neufundland und Neuschottland sowie von den nur Weidewuchs tragenden »Balds« (»Kahlenbergen«) von Nordcarolina und Virginien sind die A. ein reines Waldgebirge. Im N. setzen Weimuts- und Norfolkkiefern, Weiß-, Schwarz- und Hemlocktannen, Balsamfichten, Lärchen, Weißzedern, daneben Birken, Ahorne, Eschen, Pappeln, Roteichen die Bestände zusammen. Im S. dagegen treten die Laubbäume in den Vordergrund, darunter nicht weniger als 18 Eichenarten, 6 Hikoryarten, 5 Ahorne, 5 Magnolien, dazu Walnuß- und Tulpenbäume, Kastanien, Robinien, Buchen, Linden, Ulmen, Wildkirschen und ein üppiger Unterwuchs von Rhododendren, Kalmien, Azaleen, Vaccinien, Sumach. Auf den Höhen reichen die nordischen Formen weit südwärts. Namentlich Weimutskiefer (Pinus Strobus), Hemlocktanne (Tsuga canadensis), Bergesche (Sorbus americana) und Gelbbirke (Betula lutea) sind auch in den hohen Südappalachen weit verbreitet, während die höchsten Gipfel einen dichten Wuchs von Rhododendron catabiense und Balsamtannen (Abies Fraseri) tragen. Seiner Vielgestalt und Blütenpracht halber kann man den Appalachenwald den schönsten nennen, den es überhaupt gibt, und in vielen höhern Gebirgsteilen ist die Waldverwüstung noch nicht weit vorgeschritten. An wilden Tieren birgt er dort noch: Bären, Wölfe, Füchse, Dachse, Waschbären, Opossums, virginische Hirsche.

Dem Verkehr bieten die Südappalachen durch ihre langgezogenen, schwach gescharteten Parallelkämme, die oft acht- bis zwölffach hintereinander liegen, schwere Hindernisse. Die wenigen Eisenbahnen, die sie übersteigen, gehören zu den bedeutendsten Leistungen der amerikanischen Eisenbahnbautechnik, während die Landstraßen durchgängig sehr schlecht sind. Vgl. A. Guyot, On the Appalachian Mountain System (New Haven 1861); B. Willis, The Northern Appalachians, und Hayes, The Southern Appalachians (in dem Sammelwerk »Physiography of the United States«, New York 1896).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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