Jesuitengesetz

Jesuitengesetz

Jesuitengesetz, das Reichsgesetz vom 4. Juli 1872, betreffend den Orden der Gesellschaft Jesu. Das Gesetz bestand bis zum 8. März 1904 aus nachfolgenden drei Paragraphen: § 1. Der Orden der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Orden und ordensähnlichen Kongregationen sind vom Gebiete des Deutschen Reiches ausgeschlossen. Die Errichtung von Niederlassungen derselben ist untersagt. Die zurzeit bestehenden Niederlassungen sind binnen einer vom Bundesrat zu bestimmenden Frist, die sechs Monate nicht übersteigen darf, aufzulösen. § 2. Die Angehörigen des Ordens der Gesellschaft Jesu oder der ihm verwandten Orden oder ordensähnlichen Kongregationen können', wenn sie Ausländer sind, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werden; wenn sie Inländer sind, kann ihnen der Aufenthalt in bestimmten Bezirken oder Orten versagt oder angewiesen werden. § 3. Die zur Ausführung und Sicherstellung des Vollzuges dieses Gesetzes erforderlichen Anordnungen werden vom Bundesrat erlassen. Begreiflicherweise ging das Bestreben des Zentrums nach Beendigung des Kulturkampfes, der das J. gebracht, dahin, dasselbe zu beseitigen. Allein der wiederholt gestellte Antrag auf dessen Beseitigung fand zwar die Zustimmung des Reichstags, nicht aber die des Bundesrats. Da kündigte Reichskanzler Graf Bülow im Februar 1903 im Reichstag zur allgemeinen Überraschung plötzlich an, daß Preußen im Bundesrat einer Aufhebung des § 2 des Jesuitengesetzes seine Zustimmung nicht versagen werde. Obwohl von Seiten einzelner Bundesfürsten und insonderheit von der geistigen Elite des deutschen Volkes, und zwar der protestantischen wie der katholischen, gegen die Aufhebung auch nur des § 2 energisch protestiert wurde, sah sich der Bundesrat aus politischen oder besser nationalen Gründen doch veranlaßt, dem Drängen der numerisch stärksten Partei des Reichstags, des Zentrums, nachzugeben, und stimmte in seiner Sitzung vom 9. März 1904 dem vom Reichstag beschlossenen Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung des § 2 des Gesetzes über den Orden der Gesellschaft Jesu vom 4. Juli 1872, zu. Für die Aufhebung stimmten Preußen mit 17, Bayern mit 6, Baden mit 3, Waldeck, Reuß ä. L. und Hamburg mit je 1 Stimme, zu sammen 29 Stimmen. Gegen die Aufhebung: Sachsen mit 4, Württemberg mit 4. Hessen mit 3, Mecklenburg-Schwerin mit 2, Braunschweig mit 2, Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Sachsen-Koburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Sachsen-Altenburg, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Reuß j. L. und Detmold mit je 1 Stimme, zusammen 25 Stimmen, Bremen, Lübeck, Anhalt und Schaumburg-Lippe mit je 1 Stimme enthielten sich der Abstimmung. Für die Stimmenenthaltung ist, wie verlautet, das formelle, aber staatsrechtlich nicht zutreffende Bedenken maßgebend gewesen, ob der Bundesrat berechtigt sei, auf den Beschluß eines frühern Reichstags zurückzugreifen. Als dem Jesuitenorden verwandt sind zurzeit noch anzusehen die Kongregation der Lazaristen (Congregatio Missionis) und die Gesellschaft vom heiligen Herzen Jesu (Société du sacré cœur de Jésus), nicht mehr aber die Kongregationen der Redemptoristen und der Priester vom Heiligen Geiste (Bekanntmachungen des Bundesrats vom 20. Mai 1873 und Bundesratsbeschluß vom 9. Juli 1894).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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