Jamaika

Jamaika

Jamaika (engl. Jamaica, spr. dschämǟka), britisch-westind. Insel und nächst Puerto Rico die kleinste der vier Großen Antillen (s. die Karten »Westindien« und »Cuba«), zwischen 17°42'–18°33' nördl. Br. und 76°10'–78°24' westl. L., von Haïti durch die 185 km breite Windwardpassage geschieden, 150 km südlich von Cuba, 960 km nördlich von Colon, von ihrer östlichen Spitze, Morant Point, bis South Negril Point 225 km lang, 50–60 km breit und 10,859 qkm groß, nach der Zählung von 1891 mit 639,491 Einw. (305,948 männliche, 333,543 weibliche), nach Schätzung von 1903 mit 785,434 Einw. Die Nordküste ist steil, die Südküste mannigfaltiger gestaltet und von gefährlichen Rissen umgeben, doch zählt man 16 gute Häfen und 30 Reeden. Das Innere ist ein malerisches Hügelland, das in den dicht bewaldeten Blauen Bergen im Blue Mountain Peak 2243 m erreicht. Ausgedehntere Alluvialebenen von ungemeiner Fruchtbarkeitkommen nur in einigen Flußtälern vor. Sehr verbreitet sind, zumal im Westen der Insel, tertiäre Bildungen. Im östlichen Teil von J. lehnen sich an eruptive Gesteine (Syenit, Granitporphyr, Diorit und Andesit), die den Kern bilden, Kalk- und Sandsteine sowie Konglomerate der Kreideformation. An der Nordküste und in den Clarendon Mountains, nach der Mitte der Insel, fehlen auch sogen. Trapprücken (Basalt) nicht. Kupfer-, Silber-, Blei-, Zink- und Eisenerze kommen vor, aber nicht in abbauwürdiger Menge. Die Insel ist reich bewässert, aber nur der Black River (im SW.) ist auf kurzer Strecke für flache Boote schiffbar. Das Klima ist echt tropisch und gleichmäßig. Temperatur: Kingston Jahr 26,0°, kältester Monat Januar 24,3°, wärmster Juli 27,6°. Die niedrigste Temperatur sinkt in den meisten Jahren nicht unter 15°, während die höchste selten über 35° steigt, es können indessen Temperaturen von 4 und 40° vorkommen. J. hat keine eigentliche Trockenzeit, am meisten regnet es im Mai und Oktober, am wenigsten von Januar bis April. Die mittlere Regenmenge von Kingston ist 930 mm, die der Nordostküste 2300 mm Die größten Regenmengen fallen im NO., die geringsten im S. Verheerende Orkane sind weniger häufig als auf den Kleinen Antillen. – J. ist verhältnismäßig reicher an endemischen Pflanzenarten als Cuba. Blütenpflanzen kennt man im ganzen 2200, Farne 450. Die Nordseite ist wegen der reichlichen Niederschläge das ganze Jahr hindurch in frisches Waldesgrün gekleidet. Die Südküste wird an den Lagunen von Mangrovewald, auf trocknem Boden von Kakaopflanzungen umsäumt. Die sandigen Alluvialebenen bilden die dürrsten Teile der Insel. Mehrere Mimosen sowie der Kampeschebaum (Haematoxylon) sind vom Festland eingeführt. Große Cereus-Arten treten auf den Klippen massenhaft auf. Zur Zeit der Entdeckung war fast ganz J. mit Wäldern bedeckt, in denen die beiden Meliazeen, Mahagoni (Swietenia) und Zedrele, vorherrschten. Gegenwärtig nehmen die Fußhügel Zuckerrohr, die höhern Gehänge Kaffee-, Kakao- und Südfruchtpflanzungen ein. Die Savannen sind durch die Einführung des Guinea- und Paragrases (Panicum maximum und P. molle) der Viehzucht besser nutzbar gemacht worden. In den unberührt gebliebenen Waldungen bietet der Baumwollenbaum (Eriodendron) die auffälligste Erscheinung. Zu den größten Bäumen gehören ferner die Myrtazee Psidium montanum und die Guttifere Symphoria. Orchideen, Farne, Bromeliazeen und Gesneriazeen überziehen als Schlingpflanzen und Epiphyten Baumstämme und Felsen. An den Uferrändern der Bäche wachsen Bambusse, Piperazeen und Arazeen. Mit zunehmender Höhe werden die Holzgewächse mannigfaltiger Hier sind vertreten: Melastomazeen, Myrtazeen, Malvazeen, Tiliazeen, Bombazeen, Combretazeen und Laurazeen. In demselben Niveau, wo noch Kaffee gebaut wird (1200–1800 m), findet sich ein abgesonderter Waldgürtel, der vorwiegend aus Farnbäumen besteht. Nur zwei Koniferen (Juniperus barbadensis und Podocarpus coriaceus) nebst einigen Sträuchern begleiten sie. Über der Region der Farnbäume (1800 bis 2500 m) werden die Gipfel der Blauen Berge von dem Yakkabaum (Podocarpus coriaceus) bekleidet, der an der obern Grenze fast ausschließlich den Wald bildet. – Zu der westindischen Subregion der neotropischen Region gehörig, hat J. eine Tierwelt ähnlich der von Cuba und Haïti; größere einheimische Tiere fehlen, ebenso die auf Cuba und Haïti sich findenden Spitzrüßler (Solenodon), dagegen kommt eine Ferkelratte (Capromys) auf J. vor, und eine Fledermausgattung ist der Insel eigen. Von den Vögeln hat J. eine größere Zahl gemeinsam mit den andern Antillen, ein ziemlicher Prozentsatz ist jedoch J. eigen; von den nordamerikanischen nach Süden ziehenden Zugvögeln wird J. weniger besucht als Cuba und Haïti. Die Reptilien und Amphibien schließen sich eng an die der übrigen Antillen an. In einem viel höhern Maß noch als die andern Antillen zeichnet sich J. durch seinen ungewöhnlich hohen Reichtum an Mollusken aus, von denen eine Reihe von Formen dieser Insel eigentümlich ist.

Die Urbevölkerung der Insel war bereits 1558 durch die Spanier völlig ausgerottet worden; zum Betrieb der Pflanzungen führte man daher Negersklaven ein, deren Zahl 1833 bei Abschaffung der Sklaverei sich auf 309,000 belief. Von den 1891 gezählten 639,491 Einw. waren nur 14,692 Weiße, 121,955 aber Mischlinge, 488,624 Neger und 481 Chinesen. Im Innern hausen noch Maronneger, die Nachkommen der den Spaniern entsprungenen Negersklaven. Die meisten Neger sind noch immer Heiden, wennschon sechs protestantische Konfessionen, darunter die Brüdergemeinde mit 14 Stationen und 12,000 Anhängern, sowie die Katholiken an der Bekehrung der Eingebornen arbeiten. In der Hauptstadt Kingston residieren ein anglikanischer und ein katholischer Bischof. Juden sind zahlreich. Für den Unterricht sorgten 1900: 746 Regierungsschulen mit 98,598 schulpflichtigen und 61,219 schulbesuchenden Kindern, ferner 3 Lehrerinnen- und ein Lehrerseminar, eine Hochschule und eine Anzahl Kirchen- und Privatschulen. Die Landwirtschaft ist infolge der Aufhebung der Sklaverei sehr zurückgegangen; an Stelle großer Pflanzungen sind jetzt viele von Negern bewirtschaftete getreten, denen erst in letzter Zeit größere Sorgfalt zugewendet wird. Auch heben sich die größern Pflanzungen schnell, nachdem das 1886 erlassene Verbot der Einführung ostindischer Kulis aufgehoben wurde, so daß man 1893 bereits 13,966 derselben zählte. Es gab 1900: 60,671 Pflanzungen von weniger als 2 Hektar, 16,183 weitere von weniger als 20,2110 von weniger als 200,639 von weniger und 250 von mehr als 600 Hektar. Unter Kultur stehen 277,000 Hektar, davon kommen auf Weideland über die Hälfte, auf Kaffee 9950, auf Zuckerrohr 10,250, Bananen 11,220 Hektar, der Rest auf Piment, Ingwer, Kassawen, Bataten, Mais, Brotfrüchte, Kürbisse, Erbsen, Bohnen, Arrowroot, Gemüse. Auch Cinchonapflanzungen hat man angelegt. Der Viehstand betrug 1900: 55,100 (1893: 70,729) Pferde, 118,900 Rinder, 16,500 Schafe und 18,150 Schweine. Der Handel ist sehr bedeutend. Eingeführt werden namentlich Baumwollwaren, Mehl, Fische, ausgeführt Bananen (1,134,750 Pfd. Sterl.), Rohzucker (167,663 Pfd. Sterl.), Rum (156,581 Pfd. Sterl.), Mahagoni- und Kampescheholz, Orangen, Piment; 1902 betrug die Einfuhr 2,061,787, die Ausfuhr 2,324,888 Pfd. Sterl. Die wichtigsten Verkehrsländer sind England und Nordamerika. Die bedeutendsten Häfen sind Kingston, Morantbai, Port Morant, Montego, Lucca, Falmouth; 1900 betrug der Tonnengehalt der ein- und ausgelaufenen Schiffe (ohne Küstenfahrer) 1,742,224 Ton. Regelmäßiger Dampferverkehr besteht mit Europa durch 6 englische und eine französische, mit New York durch eine amerikanische Linie. Eisenbahnlinien gibt es 298, Telegraphenlinien 1108, Telephonlinien 248 km. Durch Kabel ist Kingston mit Colon, Santiago de Cuba, Havana und den Vereinigten Staaten, Ponce und San Juan auf Puerto Rico, Sankt Thomas, den Kleinen Antillen und Guayana verbunden. Dem Gouverneur steht ein Geheimer Rat und eine Versammlung aus den neun höchsten Beamten und neun von der Krone ernannten Mitgliedern zur Seite. Für die Rechtspflege sorgen ein Obergericht, Distriktsgerichte und in jedem Kirchspiel Gerichte erster Instanz. Die Einkünfte betrugen 1900/1901: 906,037, die Ausgaben 917,653, die Kolonialschuld 3,824,782 Pfd. Sterl. An Militär stehen in J. drei Kompagnien Infanterie, eine Kompagnie Genietruppen und eine Batterie, zusammen 1739 Mann, außerdem ein koloniales Freiwilligenkorps von 647 Mann. Hauptstadt ist Kingston. Unter der Verwaltung des Gouverneurs von J. stehen auch die Turks- und Caicosinseln sowie die Caymans. – Das Wappen Jamaikas zeigt einen silbernen Schild mit rotem St. Georgskreuz, das mit fünf Ananasfrüchten belegt ist. Der Helm trägt als Kleinod (Crest) einen Alligator. Als Schildhalter dienen zwei federngeschmückte Indianer, die auf einem Devisenband stehen. Devise: INDUS UTERQUE SERVIET UNI.

Die Insel J. wurde von Kolumbus auf seiner zweiten Reise 5. Mai 1494 entdeckt und Santiago genannt. 1509 wurde die Insel von Esquimel für Diego Colon in Besitz genommen, und bereits 1560 war die Urbevölkerung fast gänzlich ausgerottet. Die Engländer erschienen 1597 zum erstenmal auf J., das sie 1655 eroberten und 1670 im Frieden von Madrid abgetreten erhielten. Von da ab war die Insel, die nun den Namen J. (»Wald- und Wasserland«) erhielt, der Hauptsitz englischer Macht in den westindischen Gewässern. Hartnäckige Kämpfe mit den Maronnegern (entlaufenen Sklaven) im Innern der Insel wurden erst 1795 beendet. 1807 hörte die Einfuhr der Sklaven auf; am 1. Aug. 1838 wurden alle Sklaven für frei erklärt und den ehemaligen Besitzern eine Entschädigung von 394 Mk. pro Kopf bezahlt. Seit sener Zeit verarmte die einst wohlhabende Insel. Die frei gewordenen Neger, welche sich den harten Bedingungen der bisherigen Sklavenhalter nicht unterwerfen wollten, verließen zum großen Teil die Arbeit auf den Plantagen und siedelten sich im unangebauten Innern der Insel an. Die Plantagenbesitzer dagegen suchten die Neger mit Hilfe der Gerichte von dem okkupierten Grundbesitz zu vertreiben, was in Port Morant auf der Ostseite von J. im Oktober 1865 einen Aufstand hervorrief. Die Pflanzer und auch der Gouverneur Eyre betrachteten denselben als eine günstige Gelegenheit, die Neger zu züchtigen, erklärten den Belagerungszustand und wüteten nun auf das furchtbarste unter Schuldigen und Unschuldigen. Außer zahlreichen im Kampf oder ohne Urteil Erschossenen wurden 330 Neger hingerichtet, über 600, worunter auch Frauen, gepeitscht und zu schweren Kerkerstrafen verurteilt, mehr als 1000 Häuser eingeäschert. Eyre ward allerdings von der englischen Regierung abberufen, jedoch nicht bestraft; die von Sir Henry Storks geleitete Untersuchung der vorgefallenen Gewalttaten verfuhr sehr mild, indes wurde eine Besserung der Verhältnisse auf der Insel durch eine im Oktober 1866 erteilte neue Verfassung angebahnt. Gegenwärtiger Gouverneur ist seit Februar 1898 Sir Aug. Will. Lawson Hemming. Vgl. Sawkins, Reports on geology of Jamaica (Lond. 1869); Philippi, Climate of Jamaica (das. 1876); Hill, Geology and physica I geography of Jamaica (Cambridge 1899); Burry, Jamaica as it is (Lond. 1903); H. Paasche, Im Fluge durch J. und Cuba (Stuttg. 1900); Stark, Illustrated Jamaica (Reiseführer, Lond. 1898); Gardner, History of Jamaica (das. 1874); Cundall, Studies in Jamaica history (das. 1900); Livingstone, Black Jamaica (das. 1900); das amtliche »Handbook of Jamaica« (jährlich).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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