Hirzel

Hirzel

Hirzel, 1) Hans Kaspar, philosophischer Schriftsteller, geb. 21. März 1725 in Zürich, gest. 20. März 1803, war Oberstadtarzt und Mitglied des Großen Rats in Zürich, bereiste mit Sulzer die Schweiz und Deutschland und lernte in Berlin die damaligen Koryphäen der deutschen Literatur kennen. Die von Klopstock in seiner Ode »Der Zürchersee« besungene Fahrt leitete H. Er schrieb: »Die Wirtschaft eines philosophischen Bauers« (Zürich 1771, 2. Aufl. 1774); »Das Bild eines wahren Patrioten« (das. 1767, 2. Aufl. 1775); »Auserlesene Schriften zur Beförderung der Landwirtschaft« (das. 1792, 2 Bde.) u. a.

2) Salomon, Buchhändler und Goetheforscher, geb. 13. Febr. 1804 in Zürich, gest. 9. Febr. 1877 in Halle, seit 1830 als Schwiegersohn Georg Andreas Reimers (s. d.) neben dessen Sohn Karl Mitglied der Weidmannschen Buchhandlung in Leipzig, schied 1853 aus dieser aus, um unter seinem eignen Namen ein neues Geschäft zu gründen, für das er einen kleinen Teil des Weidmannschen Verlags übernahm. Sein gewählter Verlag umfaßt, außer höherer Belletristik (darunter die Werke Gust. Freytags), fast nur hervorragende wissenschaftliche Werke, z. B. das Grimmsche Wörterbuch der deutschen Sprache, die Schriften der königlich sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften und der Jablonowskischen Gesellschaft in Leipzig, die »Staatengeschichte der neuesten Zeit«, die »Chroniken der deutschen Städte«, die »Publikationen aus den königlich preußischen Staatsarchiven« u. a. H. war einer der feinsten Goethe-Kenner und Besitzer wohl der vollständigsten Goethe-Bibliothek. Auf Grund der letztern veröffentlichte er 1848 (anonym und nur zur Verteilung an Freunde gedruckt) sein »Verzeichnis einer Goethe-Bibliothek« (3., sehr vermehrte Ausgabe 1874), das erst nach seinem Tod im Buchhandel erschien (neue Ausg., mit Nachträgen und Fortsetzung von Ludwig Hirzel, 1884). Er gab heraus: »Der junge Goethe. Seine Briefe und Dichtungen von 1764–1776« (mit Einleitung von Bernays, Leipz. 1875, 3 Bde.; 2. Aufl. 1887). Von der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig erhielt H. 1865, am 100jährigen Gedenktag des Eintritts Goethes in die Leipziger Hochschule, den Doktortitel. Seine Goethe-Bibliothek hat er der Universitätsbibliothek in Leipzig, die Sammlung Zwinglischer Schriften der zu Straßburg vermacht. Vgl. Dove, Salomon H. (in der »Allgemeinen Deutschen Biographie«, Bd. 12, Leipz. 1880); Springer, Der junge H. (als Manuskript gedruckt, das. 1883). – Nach Hirzels Tode wurde das Geschäft (Firma »S. Hirzel«) fortgeführt von seinem Sohn Heinrich H. (geb. 1836, gest. 1894), danach von dessen Sohn Georg H. (geb. 11. Aug. 1867). Der Verlag hat sich neuerdings auch der Medizin und den Naturwissenschaften zugewandt.

3) Bernhard, Orientalist, geb. 1807 in Zürich, gest. im Juni 1847 in Paris, studierte in Zürich und Berlin Theologie und Philologie, ward 1835 Professor der orientalischen Sprachen in Zürich, übernahm aber 1837 die Pfarrei Pfäffikon. Als durch die Berufung von D. F. Strauß an die Universität Zürich eine Aufregung im Lande veranlaßt wurde, führte H. 6. Sept. 1839 eine Volksmenge gegen die Hauptstadt und zwang die Regierung zur Abdankung. Von dem neugewählten Großen Rat zum Mitglied des Kirchen- u. Erziehungsrats ernannt, legte er 1841 diese Stelle, 1845 auch seine Pfarrstelle nieder und trat wieder als Privatdozent an der Universität Zürich auf, mußte aber bald darauf wegen Wechselfälschung flüchten und begab sich nach Paris, wo er seinem Leben durch Gift ein Ende machte. H. übersetzte verschiedene Meisterwerke aus dem Sanskrit, z. B. Kalidasas »Sakuntala« (Zürich 1833).

4) Christoph Heinrich, Chemiker, geb. 22. März 1828 in Zürich, studierte daselbst Chemie, habilitierte sich 1852 in Leipzig und wurde 1865 außerordentlicher Professor. 1861 begründete er in Plagwitz bei Leipzig eine chemische Fabrik und Petroleumraffinerie, die allmählich in eine Maschinenfabrik zum Bau von chemisch-technischen Anlagen umgewandelt wurde. Er schrieb: »Katechismus der Chemie« (8. Aufl., Leipz. 1901); »Toilettenchemie« (4. Aufl., das. 1892); »Das Steinöl und seine Produkte« (das. 1864). Auch gab er das »Hauslexikon« (Leipz. 1858–62, 6 Bde.) und 1865–74 mit Gretschel das »Jahrbuch der Erfindungen« heraus.

5) Ludwig, Literarhistoriker, geb. 1838 in Zürich, gest. 1. Juni 1897 in Bern, Sohn des Theologen Ludwig H. (gest. 1841; Verfasser des »Kommentars zum Hiob«, 1839; 3. Aufl. von Dillmann, 1869), studierte in Zürich, Jena und Berlin, wurde 1862 Gymnasiallehrer in Frauenfeld, 1866 Lehrer an der Kantonschule in Aarau und 1874 Professor an der Universität in Bern. Er schrieb: »Goethes italienische Reise« (Basel 1871), »Über Schillers Beziehungen zum Altertum« (Aarau 1872), »Karl Ruckstuhl, ein Beitrag zur Goethe-Literatur« (Straßb. 1876), »Goethes Beziehungen zu Zürich« (Zür. 1888), »Wieland und Martin und Regula Künzli; ungedruckte Briefe etc.« (Leipz. 1891) und gab A. v. Hallers »Gedichte« (Frauens. 1882) und »Tagebücher« (Leipz. 1883), S. Hirzels »Verzeichnis einer Goethe-Bibliothek« (1884, s. Hirzel 2) sowie Wielands »Geschichte der Gelehrtheit« (Frauens. 1891) heraus.

6) Rudolf, Philolog, Sohn des Buchhändlers Salomon H. (s. oben 2), geb. 1846 in Leipzig, seit 1888 Professor an der Universität Jena, schrieb: »Untersuchungen zu Ciceros philosophischen Schriften« (Leipz. 1877–83, 3 Bde.); »Der Dialog, ein literarhistorischer Versuch« (das. 1895, 2 Tle.); »Der Eid. Ein Beitrag zu seiner Geschichte« (das. 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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