Hettner

Hettner

Hettner, 1) Hermann Theodor, Literarhistoriker und Kunstschriftsteller, geb. 12. März 1821 zu Leisersdorf bei Goldberg in Schlesien, gest. 29. Mai 1882 in Dresden, besuchte das Gymnasium zu Hirschberg, studierte in Berlin, Halle und Heidelberg Philosophie und Philologie, wandte sich aber seit 1843, namentlich während eines Aufenthalts in Breslau, von den abstrakt philosophischen zu kunst- und literargeschichtlichen Studien. Zu diesem Zweck trat er 1844 eine mehrjährige Reise nach Italien an, von der er nach längerm Aufenthalt in Rom und Neapel erst Ostern 1847 nach Deutschland zurückkehrte. Als deren Früchte erschienen die »Vorschule zur bildenden Kunst der Alten« (Oldenb. 1848) und »Die neapolitanischen Malerschulen« (in Schweglers »Jahrbüchern«). H habilitierte sich darauf in Heidelberg als Privatdozent der Ästhetik und Kunstgeschichte und entwickelte fortan eine rege akademische und literarische Tätigkeit. Sein Werk »Die romantische Schule in ihrem Zusammenhang mit Goethe und Schiller« (Braunschw. 1850) veranlaßte seine Berufung an die Universität Jena, wohin er Ostern 1851 als außerordentlicher Professor der Ästhetik, der Kunst- und Literaturgeschichte ging. Im Sommer 1852 unternahm er von hier aus gemeinsam mit Göttling und L. Preller eine Reise nach Griechenland, die er in den »Griechischen Reiseskizzen« (Braunschw. 1853) beschrieb. Noch vorher war sein Buch »Das moderne Drama« (Braunschw. 1852) erschienen. Ostern 1855 ward er als Direktor der königlichen Antikensammlung und des Museums der Gipsabgüsse sowie als Professor der Kunstgeschichte an der Akademie der bildenden Künste nach Dresden berufen. Durch die spätere Übernahme der Direktion auch des historischen Museums und die Berufung zum ordentlichen Professor der Kunstgeschichte am königlichen Polytechnikum erweiterte sich hier Hettners Wirkungskreis noch bedeutend. Noch bevor er Jena verließ, war der erste Teil seines umfassenden Hauptwerkes: »Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts«, erschienen, die bis 1870 vollendet ward und aus drei Hauptteilen: »Englische Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts« (Braunschw. 1856; 5. Aufl. besorgt von Brandl, 1894), »Französische Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts« (das. 1859; 5. Aufl. besorgt von Morf, 1894) und »Deutsche Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts« (das. 1862–70; 4. Aufl. besorgt von Harnack, 1893–95, 4 Bde.) besteht. Diese zugleich wissenschaftlich tief begründete und durch lebendig fesselnde Darstellung doch populäre Literaturgeschichte gehört zu den geistvollsten historischen Werken der Gegenwart. Nach ihrer Vollendung wandte sich H. wiederum vorwiegend kunsthistorischen Studien zur Geschichte der Renaissance zu, als deren erste Frucht die »Italienischen Studien« (Braunschw. 1879) hervortraten, Abhandlungen, die sich durch Gründlichkeit und klare, gewinnende Form gleich sehr auszeichnen. Er schrieb noch: »Die Bildwerke der königlichen Antikensammlung zu Dresden« (Dresd. 1856, 3. Aufl. 1875), »Das königliche Museum der Gipsabgüsse in Dresden« (4. Aufl., Dresd. 1880), »Der Zwinger in Dresden« (Leipz. 1873, mit 46 Tafeln) und gab Anselm Feuerbachs »Schriften«, die »Dichtungen« des Malers Müller, den »Briefwechsel Georg Forsters mit Sömmerring« (Braunschw. 1877) sowie die 4. Auflage von W. v. Humboldts »Ästhetischen Versuchen über Goethes Hermann und Dorothea«, mit wertvoller Einleitung (das. 1882) heraus. Seine »Kleinen Schriften« erschienen nach seinem Tode (Braunschw. 1884). Vgl. Ad. Stern, Hermann H., ein Lebensbild (Leipz. 1885); Spitzer, H. Hettners kunstphilosophische Anfänge und Literarästhetik (Graz 1903, Bd. 1).

2) Felix, Archäolog, Sohn des vorigen, geb. 29. Juli 1851 in Jena, gest. 11. Okt. 1902 in Trier, studierte in Leipzig und Bonn, wurde 1877 Direktor des Provinzialmuseums in Trier und 1892 archäologischer Dirigent der vom Deutschen Reich unternommenen Ausgrabungen des germanisch-rätischen Limes (s. d.). Er verfaßte zahlreiche Schriften über Triersche und römische Altertümer und war Mitbegründer der »Westdeutschen Zeitschrift für Geschichte und Kunst«. Vgl. Lehner, Felix H. (Trier 1903).

3) Alfred, Geograph, Bruder des vorigen, geb. 6. Aug. 1859 in Dresden, studierte in Halle, Bonn und Straßburg, unternahm 1882–84 eine Forschungsreise in die kolumbischen Anden, 1888–90 in das südliche Peru, das nördliche Bolivien, Chile und Südbrasilien, habilitierte sich 1887 in Leipzig und wurde dort 1894 zum außerordentlichen Professor ernannt; 1897 folgte er einem Rufe nach Tübingen, 1899 nach Heidelberg. Er schrieb: »Das Klima von Chile und Westpatagonien« (Bonn 1881); »Gebirgsbau und Oberflächengestaltung der Sächsischen Schweiz« (Stuttg. 1887); »Reisen in den kolumbianischen Anden« (Leipz. 1888) und »Die Kordillere von Bogota« (Gotha 1892). Seit 1895 gibt er die »Geographische Zeitschrift« (Leipz.) heraus.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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