Hermann [2]

Hermann [2]

Hermann, 1) Nikolaus, geistlicher Liederdichter und Komponist, geb. um 1480, lebte als Kantor zu Joachimsthal in Böhmen, wo Luthers Freund Matthesius zu gleicher Zeit Pfarrer war, und starb in hohem Alter 3. Mai 1561. Seine geistlichen Lieder zeichnen sich, ohne den objektiven Charakter des streng liturgischen Kirchenliedes zu besitzen, durch Gemütsinnigkeit und leichten Fluß der Diktion aus und gingen großenteils in die Gesangbücher über. Sie erschienen in zwei Sammlungen, die sich an die Evangelien und an Historien des Alten Testaments anschließen, und wurden meist auch von ihm selbst komponiert (mit den Liedern des Matthesius hrsg. von Ledderhose, Halle 1855). Vgl. Pfeifer, Nikolaus H. (Berl. 1858).

2) Johann, Naturforscher, geb. 31. Dez. 1738 in Barr bei Straßburg, gest. 4. Okt. 1800 als Professor der Medizin, Botanik und Naturgeschichte in Straßburg, schrieb: »Anatomiae comparatae specimen osteologicum de dentibus« (Straßb. 1770); »Tabula affinitatum animalium« (das. 1777 und 1783); »Observationes zoologicae« (das. 1804). Sein Sohn Johann Friedrich, geb. 1768, gest. 1793, schrieb: »Mémoire aptérologique« (1804).

3) Gottfried, Philolog, geb. 28. Nov. 1772 in Leipzig, gest. daselbst 31. Dez. 1848, studierte seit 1786 in Leipzig und im Winter 1793/94, um unter Reinhold sich der Kantschen Philosophie zu widmen, in Jena, habilitierte sich 1794 in Leipzig und wurde 1798 außerordentlicher Professor der Philosophie, 1803 ordentlicher Professor der Beredsamkeit, 1809 auch der Poesie. H. war das anerkannte Haupt der kritischgrammatischen Schule, die in dem Verständnis der antiken Schriftwerke das Ziel der Philologie, in der Erforschung der Sprache das erste und unerläßlichste Mittel zur Erreichung desselben erkannte, und trat dadurch in einen Gegensatz zu der universalen Richtung Böckhs, die ihm einseitige Auffassung und die Vernachlässigung der sogen. Sachphilologie vorwarf. Der Streit hierüber veranlaßte ihn zu der Schrift »Über Böckhs Behandlung der griechischen Inschriften« (Leipz. 1826) und der »Rezension von Herrn K. O. Müllers Eumeniden des Äschylos« (das. 1835) nebst »Rezension einer Antikritik und zweier Rezensionen von Herrn K. O. Müller« (das. 1839). Freundschaftlicher war sein Schriftwechsel über Mythologie mit Creuzer: die »Briefe über Homer und Hesiodus« (Heidelb. 1818) und »Über das Wesen und die Behandlung der Mythologie« (Leipz. 1819). Seine Vorlesungen, meist exegetischer Natur, zeichneten sich durch seltene Lebendigkeit des Vortrags, Klarheit und Bestimmtheit der Darstellung, eine unübertroffene Methode aus; besonders wirkte er durch die 1799 gestiftete Griechische Gesellschaft sowie seit 1834 als Direktor des philologischen Seminars. Von seinen schriftstellerischen Arbeiten sind gleich die ersten über antike Metrik bahnbrechend, indem er eine wissenschaftliche Theorie derselben auf Grund der Kantschen Lehre von den Kategorien, allerdings unter Übergehung der alten Rhythmiker und Musiker, aufstellte. Wir nennen: »De metris poetarum graecorum et romanorum« (Leipz. 1796); »De metris Pindari« (in Heynes Pindarausgabe, das. 1798, 2. Aufl. 1817); das »Handbuch der Metrik« (das. 1799); die reichen »Elementa doctrinae metricae« (das. 1816); die »Epitome doctrinae metricae« (das. 1818, 4. Aufl. 1869). Vgl. Freese, De Hermanni metrica ratione (Halle 1820), und Geppert, Über das Verhältnis der Hermannschen Theorie der Metrik zur Überlieferung (Berl. 1835). Ferner ward H. der Begründer einer rationellern Behandlung der griechischen Grammatik und damit der Grammatik überhaupt. Hierher gehören: »De emendanda ratione graecae grammaticae pars I« (Leipz. 1801); die gehaltreichen Zusätze zu Vigers »De praecipuis graecae dictionis idiotismis liber« (das. 1802, 4. Aufl. 1834) und die »Libri IV de particula är« (das. 1831; auch »Opuscula«;Bd. 4). Am glänzendsten bewährt sich Hermanns Meisterschaft in seinen Ausgaben, besonders der griechischen Dichter Er vollendete nach Erfurdts Tod (1813) die von diesem begonnene Ausgabe des Sophokles bis 1825 und besorgte neue Auflagen der einzelnen Bändchen Von Euripides edierte er zunächst einzelne Tragödien für seine Vorlesungen; eine Gesamtausgabe desselben erschien nur bis zum 8. Bändchen (Leipz. 1831–41). Außerdem gab er heraus die »Nubes« des Aristophanes (Leipz. 1799 u. 1830), die »Orphica« (das. 1805), die Homerischen Hymnen (das. 1806); von lateinischen Dichtern: des Plautus »Trinummus« (das. 1800, 2. Aufl. 1853) und »Bacchides« (das. 1845); von griechischen Prosaikern: des Aristoteles »De arte poetica« (das. 1802), das Lexikon des Photios (bloßer Textabdruck, das. 1808) und den Metriker Drakon von Stratonikeia nebst des Tzetzes »Exegesis in Homeri Iliadem« (das. 1812). Nach seinem Tod erschienen, von seinem Schwiegersohn M. Haupt besorgt, die Ausgaben der Bukoliker Bion und Moschos (Leipz. 1849) und des Äschylos (das. 1852, 2 Bde.; 2. Aufl. 1859). Seine kleinern Aufsätze sowie seine lateinischen und griechischen Gedichte sind gesammelt in den »Opuscula« (Bd. 1–7, Leipz. 1827–39, von ihm selbst; Bd. 8, das. 1877, von seinem Enkel Theodor Fritzsche). »G. Hermanns lateinische Briefe an seinen Freund Volkmann« gab A. B. Volkmann (Heidelb. 1882) heraus. Vgl. A. Jahn, Gottfr. H., eine Gedächtnisrede (Leipz. 1849); Köchly, Gottfr. H. Zu seinem hundertsten Geburtstag (das. 1874).

4) Friedrich Benedikt Wilhelm von, Nationalökonom, geb. 5. Dez. 1795 in Dinkelsbühl, gest. 23. Nov. 1868 in München, studierte in Erlangen und Würzburg Mathematik und Kameralwissenschaften, wurde 1821 Lehrer der Mathematik am Gymnasium zu Erlangen, habilitierte sich 1823 auch als Privatdozent an der dortigen Universität und wurde hierauf Professor der Mathematik am Gymnasium und an der Polytechnischen Schule zu Nürnberg. Sein »Lehrbuch der Arithmetik und Algebra« (Nürnb. 1826, 2. Aufl. 1845) und die Schrift »Über polytechnische Institute« (das. 1826–28, 2 Hefte) machten ihn bald in weitern Kreisen bekannt. Er bereiste Frankreich, ind ward nach seiner Rückkehr 1827 außerordentlicher und 1833 ordentlicher Professor der Staatswirtschaft an der Universität zu München. Hier schrieb er seine »Staatswirtschaftlichen Untersuchungen« (Münch. 1832, 2. Aufl. 1870), die ihm in der volkswirtschaftlichen Literatur einen bleibenden Namen sichern. 1837 wurde H. zum Mitgliede des obersten Kirchen- und Schulrats, 1845 zum Ministerialrat im Ministerium des Innern, 1850 zum Vorstand des Statistischen Bureaus und 1855 zum Staatsrat im ordentlichen Dienst ernannt. 1848 in die konstituierende Nationalversammlung zu Frankfurt als Abgeordneter des ersten oberbayrischen Wahlbezirks gewählt, gehörte er dem linken Zentrum an und sprach hier wie auch später in der bayrischen Kammer für die deutsch-österreichische Zolleinigung. Eine große Zahl von Arbeiten Hermanns sind enthalten in den »Beiträgen zur Statistik des Königreichs Bayern« (Heft 1–13, Münch. 1850–67) sowie in Raus »Archiv« und in den Abhandlungen der bayrischen Akademie. Vgl. Helferich, Fr. B. W. v. H. als nationalökonomischer Schriftsteller, in der »Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft« (Tübing. 1878).

5) Karl Heinrich, Maler, geb. 6. Jan. 1802 in Dresden, gest. 30. April 1880 in Berlin, ward Zögling der Dresdener Akademie, dann der Akademie in Düsseldorf unter Cornelius. Mit Götzenberger und Förster malte er gemeinsam die Fresken in der Aula der Universität zu Bonn, worunter die von ihm entworfene Theologie ein Werk von besonders tiefsinniger Erfindung ist. Später begleitete er Cornelius nach München, wo er an der Ausführung der Fresken in der Glyptothek und in der Ludwigskirche beteiligt wurde. Unter seinen eignen Kompositionen sind die Fresken zu Eschenbachs »Parzival« im Königsbau, das Deckengemälde der protestantischen Kirche: die Himmelfahrt Christi, und eins der Bilder in den Arkaden des Hofgartens, der Sieg Kaiser Ludwigs des Bayern bei Ampfing, hervorzuheben. 1841 wurde H. nach Berlin berufen, um die Entwürfe Schinkels für die Vorhalle des Museums auszuführen, trat aber 1842 wieder zurück. In der Klosterkirche zu Berlin malte er 14 Freskobilder, die Erzväter, die Propheten, die Evangelisten und die Apostel Petrus und Paulus. Später stellte er in 15 großen Zeichnungen, die durch den Stich vervielfältigt wurden (Gotha 1852–54, mit Text von R. Foß), die Hauptentwickelungsmomente der deutschen Geschichte dar.

6) Karl Friedrich, Philolog, geb. 4. Aug. 1804 in Frankfurt a. M., gest. 31. Dez. 1855 in Göttingen, studierte seit 1820 in Heidelberg und Leipzig, promovierte 1824, unternahm eine 14monatige Reise nach Österreich und Italien, habilitierte sich 1826 in Heidelberg und wurde 1832 ordentlicher Professor in Marburg, 1842 Nachfolger O. Müllers in Göttingen. Sein Hauptwerk ist das »Lehrbuch der griechischen Antiquitäten« (Heidelb. 1831–52, 3 Bde.; neue Aufl. durch Blümner und Dittenberger unter Mitwirkung von Thumser, Thalheim, H. Droysen, A. Müller, Freiburg i. Br. 1882–92, 4 Bde.). Außerdem sind besonders zu nennen: »Geschichte und System der Platonischen Philosophie« (Heidelb. 1839, Bd. 1); die nach seinem Tode von G. Schmidt herausgegebene »Kulturgeschichte der Griechen und Römer« (Götting. 1857–58, 2 Bde.); sodann die treffliche Ausgabe von Lukians »De conscribenda historia« (Frankf. 1828) und die Textrezensionen des Platon (Leipz. 1851–53, 6 Bde.), des Persius und Juvenal (das. 1854). »Gesammelte Abhandlungen« erschienen Göttingen 1849. Vgl. M. Lechner, Zur Erinnerung an K. F. H. etc. (Berl. 1864).

7) Ludimar, Physiolog, geb. 21. Okt. 1838 in Berlin, studierte daselbst 1855–59, habilitierte sich 1865 an der Universität als Privatdozent der Physiologie und ging 1868 als Professor der Physiologie nach Zürich, 1884 nach Königsberg. Er schrieb: »Grundriß (seit der 7. Aufl. »Lehrbuch«) der Physiologie des Menschen« (Berl. 1863, 13. Aufl. 1904); »Lehrbuch der experimentellen Toxikologie« (das. 1874); »Untersuchungen zur Physiologie der Muskeln und Nerven« (das. 1867–68, 3 Hefte); »Die Vivisektionsfrage« (das. 1877); »Leitfaden für das physiologische Praktikum« (Leipz. 1898). Mit vielen andern Physiologen gab er das »Handbuch der Physiologie« (Leipz. 1879–83, 6 Bde.) heraus. Auch gibt er den »Jahresbericht über die Fortschritte der Physiologie« (Bonn 1894–1902, Stuttg. 1903 ff.) heraus.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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