Heliométer [1]

Heliométer [1]

Heliométer (griech., »Sonnenmesser«, hierzu Tafel »Heliometer«), das genaueste astronomische Instrument zur Messung kleiner Winkel, dessen Prinzip darin besteht, daß das Objektivglas des Beobachtungsfernrohrs durch einen diametralen Schnitt in zwei Hälften zerlegt ist, die an zwei Metallschlitten befestigt sind, die eine zur Richtung der Schnittlinie parallele Verschiebung gestatten (s. Figur).

Tabelle

Solange beide Objektivhälften so nebeneinander stehen, daß die Ränder eine ununterbrochene Kreislinie bilden, wird man, wenn das Fernrohr beispielsweise auf die Sonne gerichtet ist, nur ein einziges Bild der Sonnenscheibe erblicken; wenn man aber eine der Objektivhälften verschiebt oder, wie es gewöhnlich geschieht, beide Hälften nach entgegengesetzter Richtung auseinander bewegt, wie es die obenstehende Figur zeigt, gibt jede der beiden Hälften ein kreisförmiges Bild der Sonne für sich, und durch eine Verschiebung von geeigneter Größe kann man die beiden Sonnenbilder in eine solche Lage bringen, daß sie sich in einem Punkt berühren; bewirkt man hierauf durch eine Verschiebung nach der entgegengesetzten Richtung, daß sich die beiden Scheiben wieder berühren, so entspricht die Verschiebung der Schlitten dem doppelten scheinbaren Sonnendurchmesser. Die Größe dieser Verschiebung wird entweder durch die Zahl der Umdrehungen einer die Bewegung hervorbringenden seinen Mikrometerschraube gemessen, wie bei den von Fraunhofer konstruierten Heliometern, oder durch Skalen, die an den Schlitten angebracht sind, wie bei den von Repsold gebauten Instrumenten. Kennt man den Winkelwert der Skalen, so kann man den scheinbaren Durchmesser der Sonnenscheibe in Bogenwert finden.

Das H. wurde zunächst auf die Bestimmung des Sonnendurchmessers angewendet, und diesem Umstand verdankt es seinen Namen H. oder Sonnenmesser. Doch ist seine Anwendung keineswegs auf Sonnenbeobachtungen beschränkt, sondern man kann auch den scheinbaren Abstand zweier benachbarter Sterne bestimmen, indem man das von der einen Objektivhälfte entworfene Bild des einen Sternes mit dem von der andern Hälfte entworfenen Bilde des andern Sternes zur Deckung bringt und, nachdem die Skalen abgelesen sind, durch eine weitere Verschiebung der Objektivhälften abermals ein Zusammenfallen der beiden Sternbilder hervorbringt. Die dazu notwendige Verschiebung der Schlitten entspricht dem doppelten Abstande der beiden Sterne. Das H. gestattet bei seinen Messungen die Genauigkeit des Fadenmikrometers (s. Mikrometer), übertrifft aber dessen Anwendbarkeit insofern, als mit letzterm Distanzen von höchstens 12–15 Bogenminuten gemessen werden können, während das H. Distanzen bis zu 2 Grad zu messen gestattet.

Beifolgende Tafel zeigt das H. der Sternwarte am Kap der Guten Hoffnung, das von Repsold in Hamburg erbaut ist. Das Objektiv desselben hat eine freie Öffnung von 7 Pariser Zoll (19 cm) und eine Brennweite von 2,6 m. Auf einer gußeisernen Säule, die auf einem Dreifuß auf einem massiv erbauten Pfeiler steht, ruht die Stundenachse, die an der einen Seite den Stundenkreis sowie ein Handrad nebst Trieb trägt, das die Drehung des ganzen Instruments um die Stundenachse ermöglicht. Am andern Ende der Stundenachse sitzt das Stundenrad T sowie die Deklinationsachse, die einerseits wieder den von einem Staubring verdeckten Deklinationskreis D sowie das eigentliche Heliometerrohr, anderseits das Gegengewicht hierfür trägt. Bei allen Distanzmessungen mit dem H. muß die Schnittlinie des Objektivs in der Verbindungslinie der beiden zu messenden Objekte liegen, und mithin muß das eigentliche Fernrohr um seine Achse drehbar sein, damit man die gewünschte Stellung immer erreichen kann. Aus diesem Grunde ist das Heliometerrohr nicht selbst in fester Verbindung mit der Deklinationsachse, wie beim Äquatorial (s. d., mit Tafeln), sondern ruht in einer zylindrischen Büchse, die an der Deklinationsachse fest ist, und läßt sich in dieser drehen. Das Objektivende des stählernen Rohres trägt eine gußeiserne Platte, auf der das Objektiv nebst dem zugehörigen Bewegungsmechanismus befestigt ist. Die beiden Hälften des durchschnittenen Objektivs werden getragen von zwei Schlitten, die sich auf Führungsflächen verschieben lassen, die entsprechend der Brennweite zylindrisch gekrümmt sind, damit der Brennpunkt des Fernrohrs beim Verschieben der beiden Schlitten sich nicht ändert. Die Bewegung der beiden Schlitten erfolgt gleichzeitig nach entgegengesetzten Seiten durch Drehen der Triebstange s vom Okularende des Fernrohrs aus, und die Größe der Verschiebung wird durch zwei auf den dem Innern des Fernrohrs zugewandten Flächen der Schieber angebrachte, nebeneinander liegende Skalen auf Platin-Iridiumstreifen angegeben und vom Beobachter ebenfalls vom Okularende aus mittels des Mikrometermikroskops M abgelesen. Beobachtet man Sterne von verschiedener Helligkeit, so wird bei Annäherung der beiden Bilder das schwächere meistens von dem hellern überstrahlt, und daher können die beiden Bilder nicht ganz scharf zur Deckung gebracht werden. Um dies zu vermeiden, ist vor dem Objektiv ein Schirm G angebracht, dessen Sektoren verschieden dichte Drahtgitter enthalten, mit denen man eine der beiden Objektivhälften bedecken und dadurch das Licht des hellern Sternes schwächen kann. Die Bewegung dieses Schirmes läßt sich ebenfalls vom Okular aus mittels des Schlüssels s1 ausführen, und eine am Schlüssel befindliche Scheibe zeigt dem Beobachter am Okular gleich die Stellung der verschiedenen Gitter an. Außerdem ist noch am Objektiv ein Thermometer angebracht, das die Temperatur der umgebenden Metallmassen angibt, da dieselbe bei der Reduktion der Skalenablesungen berücksichtigt werden muß. Die Triebstangen s, s1, die zur Bewegung der Objektivschlitten sowie zur Drehung des Schirmes dienen, sowie das Mikrometer M für die Ablesung der Skalen sind im Innern des Tubus angebracht, und um den Durchmesser desselben infolgedessen nicht unnötig zu vergrößern, sind Objektiv und Okular exzentrisch gelegt, so daß die optische Achse parallel der Achse des Rohres liegt. Bei der Drehung des ganzen Heliometerrohrs bleibt daher die optische Achse sich immer parallel, und da das H. nicht für terrestrische Objekte, sondern für solche von unendlicher Entfernung benutzt wird, macht die seitliche Lage des Rohres nichts aus. Das Okularrohr ist nun wieder von einem weitern Rohr umschlossen, das mit der an der Deklinationsachse befestigten zylindrischen Büchse, die das Heliometerrohr trägt, in fester Verbindung steht und daher bei Drehung des Heliometerrohrs in Ruhe verbleibt. An diesem Rohr sind die Schlüssel r, r1, d, d1, für die Klemmung und Feinbewegung des ganzen Fernrohrs in Rektaszension und Deklination, sowie der mit einem Mikrometer versehene Sucher S befestigt, ferner noch fünf Handräder e, mittels der die Drehung des Heliometerrohrs in seiner Büchse ausgeführt wird, und zwar kann man diese Drehung je nach Benutzung der verschiedenen Handräder mit verschiedener Geschwindigkeit ausführen. Der Positionswinkel der Schnittlinie des Objektivs wird an dem von einem Staubring überdeckten Positionskreis P angegeben, der an der zylindrischen Büchse sitzt und mittels zweier Mikroskope m vom Okularende aus abgelesen werden kann. Diese Mikroskope werden auch gleichzeitig zur Ablesung des Deklinationskreises D gebraucht, was ein in einem seitlichen Rohr sitzendes Prisma ermöglicht; die Bilder der beiden Teilungen erscheinen dadurch nebeneinander im Gesichtsfeld der Mikroskope.

Die bequeme Anordnung der einzelnen Schlüssel und Mikroskope ist aus Fig. 2 (Okularende des Heliometerrohrs) zu erkennen. O ist das Okular, s der Schlüssel zur Verschiebung der Objektivschlitten, M das Mikroskop zur Ablesung der Skalen an den Schlitten, s, der Schlüssel für die Handhabung des Gitters G, e die fünf Handräder zur Drehung des Heliometers im Positionswinkel, S der Sucher, r, r1, d, d1, die Schlüssel für die Klemmung und Feinbewegung des Fernrohrs in Rektaszension und Deklination, m die beiden Mikroskope zur gleichzeitigen Ablesung des Deklinations- und Positionskreises, p zwei kleine Täfelchen zur Auszeichnung von Notierungen beim Beobachten und k zwei Handknöpfe zur schnellen Bewegung des Fernrohrs.

Um das Instrument der täglichen Bewegung der Gestirne nachzuführen, ist neben demselben das mit einem Federpendel versehene Uhrwerk U aufgestellt, das mittels der Triebstange t auf das Stundenrad T einwirkt. Die Beleuchtung des Instruments, der Objektivskalen, der Positions-, Stunden- und Deklinationskreise geschieht mittels verschiedener kleiner elektrischer Glühlämpchen, von denen in der Figur zwei (l, l1.) sichtbar sind, die mittels Spiegel und Prismen die Lichtstrahlen an alle gewünschte Stellen hinwerfen und vom Okular aus zum Leuchten gebracht werden. Der Beobachtungsstuhl, der auf der Tafel sichtbar ist, ist im wesentlichen von derselben Konstruktion wie derjenige des großen Pulkowaer Refraktors (vgl. Tafel »Äquatorial« im 1. Bd.). Der Beobachter kann, ohne seinen Platz zu verlassen, mittels zweier Handseile einerseits seinen Sitz in passende Höhe zum Fernrohr bringen und auch den ganzen Stuhl um das Instrument herumfahren. Das größte H. befindet sich auf der Sternwarte in Wien-Ottakring und hat ein Objektiv von 9 Zoll Öffnung.

Die erste Idee des Heliometers ist von Savery 1743 und von Bouguer 1748 angegeben worden; beide wollten zwei nebeneinander verschiebbare Objektive anwenden. Der einfachere Gedanke, das Objektiv in zwei Hälften zu zerschneiden, rührt von Dollond her; aber erst Fraunhofer hat dem H. seine jetzige Gestalt gegeben. Das Fraunhofersche H. der Königsberger Sternwarte mit Objektiv von 6 Zoll (15,8 cm) Öffnung hat in Bessels Händen der Astronomie große Dienste geleistet, und auf den deutschen Expeditionen zur Beobachtung der Venusdurchgänge 1874 u. 1882 wurden Fraunhofersche H. von 31/2 Zoll (9,5 cm) Öffnung mit großem Erfolg angewendet. In den letzten Jahrzehnten wurde eine Anzahl von vervollkommten Instrumenten dieser Art auf den Sternwarten zu Bamberg, Göttingen, Kap der Guten Hoffnung, Leipzig, Newhaven (Connecticut) und Wien-Ottakring aufgestellt und namentlich zur Bestimmung von Sternparallaxen und zur Ermittelung der Sonnenparallaxe aus Beobachtungen kleiner Planeten benutzt. Vgl. Hansen, Ausführliche Methode, mit dem H. Beobachtungen anzustellen (Gotha 1827); Bessel, Theorie eines mit einem H. versehenen Äquatorialinstruments (Königsberg 1841); H. Seeliger, Theorie des Heliometers (Leipz. 1877).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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