Handelsrecht

Handelsrecht

Handelsrecht ist der Inbegriff der besondern für den Handel geltenden Rechtssätze. Diejenigen Normen desselben, welche die aus dem Handelsverkehr entspringenden, auf Sonderinteressen beruhenden Beziehungen der Personen zueinander und zu den Sachen ordnen, bilden das Privathandelsrecht oder Handelsprivatrecht. Das Staatshandelsrecht, ein Teil des Verwaltungsrechts, regelt die Beziehungen der Staatsgewalt zum Handel nach der polizeilichen, finanziellen, strafrechtlichen und prozeßrechtlichen Seite. Das Völkerhandelsrecht bezieht sich auf die Bedingungen des Handelsbetriebs zwischen verschiedenen Staaten und deren Angehörigen; es ist teils allgemeines Völkerrecht der zivilisierten Staaten, teils Spezialvölkerrecht. Als Zweige des Privathandelsrechts sind zu betrachten: das Wechsel-, das See- und das Versicherungsrecht.

Das deutsche H. beruht gegenwärtig auf dem Handelsgesetzbuch vom 1. Jan. 1900, das nur eine Umarbeitung des allgemeinen deutschen Handelsgesetzbuches von 1861 ist, das gegenwärtig noch in Österreich gilt. Diese durch die Einführung des Bürgerlichen Gesetzbuches notwendig gewordene Umarbeitung erfolgte 1895–97 im Reichsjustizamt und erstreckte sich vor allem darauf, die Vorschriften des Handelsgesetzbuches mit dem Inhalt des Bürgerlichen Gesetzbuches in Einklang zu bringen, außerdem aber auch die Ergänzungen und Änderungen vorzunehmen, die seit seinem Bestehen sich als notwendig oder wünschenswert erwiesen hatten. Diese Veränderungen waren z. T. sehr wesentliche, so wurde z. B. ein ganz neuer Begriff des Kaufmanns (s. d.) aufgestellt und neue Abschnitte über die Handlungsagenten (s. Agent), das Lagergeschäft (s. d.) eingefügt. Das neue Handelsgesetzbuch zerfällt jetzt nicht mehr in fünf, sondern nunmehr in vier Bücher. Von diesen handelt das erste vom Handelsstand (§ 1–104), das zweite von den Handelsgesellschaften (§ 105–342), das dritte von den Handelsgeschäften (§ 343–473) und das vierte vom Seehandel (§ 474–905). Das in diesem Gesetzbuch niedergelegte Recht ist jedoch nicht ausschließlich ein Recht der Kaufleute und gilt nicht etwa nur für beiderseitige Handelsgeschäfte (s. d.), vielmehr fallen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, auch die Geschäfte eines Nichtkaufmanns mit einem Kaufmann (sogen. einseitige Handelsgeschäfte) für beide Teile unter das H., falls sie auch nur für den Kaufmann nach § 343 u. 344 handelsgeschäftlicher Natur sind. Dagegen gelten die Bestimmungen des Handelsrechts nicht für den Geschäftsverkehr von Nichtkaufleuten untereinander. Finden sich im H. keine besondern Vorschriften, so tritt das Bürgerliche Gesetzbuch ergänzend ein.

In Österreich gilt das bis 1900 bei uns in Kraft gestandene Allgemeine deutsche Handelsgesetzbuch mit Ausnahme des Seerechts, dem sich auch Ungarn im großen und ganzen (16. Mai 1875) anschloß. In Frankreich ist für das H. noch der Code de commerce in Geltung, der jedoch durch eine Reihe nachfolgender Gesetze teils abgeändert, teils ergänzt worden ist. In der Schweiz ist das gesamte Obligationenrecht durch Bundesgesetz vom 14. Juni 1881 nebst Ergänzungsgesetz vom 11. Dez. 1888 in einheitlicher Weise normiert. In Belgien gilt der Code de commerce, durch spätere Gesetze modifiziert; in den Niederlanden ist er seit 1838 durch ein neues Gesetzbuch (Wetboek van koophandel) ersetzt. Spanien besitzt seit 30. Mai 1829 ein Handelsgesetzbuch (Codigo de comercio), das den Code de commerce zum Vorbild hat und 1885 neu redigiert wurde. Auch das Handelsgesetzbuch der Türkei ist im wesentlichen dem Code de commerce nachgebildet. Portugal hat seit 1888 ein neues Handelsgesetzbuch. In Italien wurde durch Gesetz vom 28. Juni 1865 ein Handelsgesetzbuch für das Königreich publiziert, das wesentlich auf dem sardinischen Handelsgesetzbuch (30. Dez. 1842) beruht, jedoch mehrfach modifiziert wurde, bis 31. Okt. 1882 ein neues Handelsgesetzbuch (Codice di commercio) in Kraft trat. Das H. für Rußland bildet in 2883 Artikeln einen Teil des russischen Gesetzkodex, der mit 1. Jan. 1835 in Kraft getreten ist; im ehemaligen Königreich Polen gilt noch das französische Recht. Großbritannien, die skandinavischen Staaten und die Vereinigten Staaten von Amerika haben heute noch kein besonderes H., teilweise wird dort nach dem geltenden Bürgerlichen Recht, teilweise nach Handelsgewohnheitsrecht Recht gesprochen. In Brasilien gilt seit 25. Juni 1850 ein auf Grundlage des französischen, spanischen, holländischen und namentlich des portugiesischen verfaßtes Gesetzbuch. In Japan endlich gilt seit 1899 ein dem deutschen Handelsgesetzbuch nachgebildetes Handelsgesetzbuch.

Literatur des neuen Handelsgesetzbuches: 1) Systematische Darstellungen: Cosack, Lehrbuch des Handelsrechts (6. Aufl., Stuttg. 1903); Engelmann, Das deutsche Handels-, Wechsel- und Seerecht (Berl. 1899); Gareis, Das deutsche H. (7. Aufl., das. 1903); die preisgekrönte Darstellung des Handelsrechts von Korn (5. Aufl., das. 1901); Lehmann, Handels-, See- und Wechselrecht, in Birkmeyers »Enzyklopädie der Rechtswissenschaft« (das. 1900); 2) Kommentare, a) mit Seerecht: Makower-Löwe (12. Aufl., das. 1898–1902, 3 Bde.); b) ohne Seerecht: Düringer u. Hachenburg (Mannh. 1899 ff.), Gareis (2. Aufl., Münch. 1900), Frankenburger (2. Aufl., das. 1902), Goldmann (Berl. 1901 ff.), Lehmann u. Ring (das. 1899–1901, 2 Bde.), Rudorff (Stuttg. 1898), Staub (7. Aufl., Berl. 1901; Ausg. für Österreich bearbeitet von Pisko, Wien 1904); c) Seerecht allein: Boyens, Das deutsche Seerecht (Leipz. 1897 ff.); Leo, Deutsches Seehandelsrecht (Münch. 1902); 3) Textausgaben mit Anmerkungen: Basch (mit Einschluß des See- und Wechselrechts, 5. Aufl., Berl. 1902), Litthauer (l2. Aufl., das. 1901), Meyerhoff (das. 1900); 4) Gemeinverständliche Darstellungen: Döhn, Der Kaufmann und sein Recht (Leipz. 1900); Francke, Das Recht des Kaufmanns (das. 1901); Körner, Das neue deutsche H. (Hannov. 1901); 5) Zeitschriften: »Zeitschrift für das gesamte H.« (hrsg. von Lehmann und Keyßner, Stuttg. 1858 ff.); »Monatsschrift für H. und Bankwesen« (hrsg. von Holdheim, Berl. 1892 ff.); 6) Rechtsprechung: »Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen« (Leipz.) und die meisten juristischen Zeitschriften. Eine Zusammenstellung der alljährlich ergehenden oberstrichterlichen handelsrechtlichen Entscheidungen in Form kurzer Rechtssätze gibt die alljährlich erscheinende »Handelsrechtliche Rechtsprechung« von E. Kaufmann (Hannov. 1901 ff.); 7) Gesetzessammlung: Friedberg, Die Handelsgesetzgebung des Deutschen Reichs (7. Aufl., Leipz. 1903); Borchardt, Die geltenden Handelsgesetze des Erdballes ins Deutsche übertragen (Berl. 1884 ff., 5 Bde.). Für Österreich: Canstein, Lehrbuch des österreichischen Handelsrechts (Berl. 1895 bis 1896, 2 Bde.); Pollitzer, Das österreichische H. (Wien 1895), Kommentar von Staub (s. oben).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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