Gerbsäuren

Gerbsäuren

Gerbsäuren (Gerbstoffe), eine Gruppe sehr verschiedenartiger, aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff zusammengesetzter Substanzen, die im Pflanzenreich sehr verbreitet sind und besonders in den Familien der Rosazeen, Kupuliferen, Leguminosen, Erikazeen auftreten. Die G. entstehen in den Pflanzen, wenigstens zum größten Teil, in den Blättern und zwar unter Bedingungen, die denen der Entstehung der gewöhnlichen Assimilationsprodukte ganz gleich zu sein scheinen, nur macht sich der Einfluß des Lichtes ungleich stärker bemerkbar. Der im Licht sich anhäufende Gerbstoff verschwindet im Dunkeln durch Ableitung. Bei den Stauden gelangt der Gerbstoff zusammen mit dem Reservematerial in den Wurzelstock, das Reservematerial wird im nächsten Jahr zur Bildung neuer Organe verbraucht, ein Teil des Gerbstoffes wird in den Rhizomen in rote und braune Farbstoffe verwandelt, die Hauptmasse bleibt unverändert, wirkt wohl fäulniswidrig und als Schutzmittel des Rhizoms gegen Tierfraß. Bei den Holzgewächsen sammelt sich der Gerbstoff im Stamm und erleidet im Winter keine Verminderung; auch in den ausdauernden Blättern häuft sich der Gerbstoff an, die zweijährige Nadel ist gerbstoffreicher als die einjährige; selbst im Laubblatt findet eine Vermehrung von Monat zu Monat statt, und das abfallende Blatt enthält so viel Gerbstoff wie in der besten Vegetationszeit. Weitaus der größte Teil des Gerbstoffes geht in Äste, Stamm und Wurzel und zwar teils in die Rinde, teils in das Holz. Am reichsten an G. sind stets die Rinden, die Schalen der Früchte und Samen, und sehr reichlich treten sie auch in gewissen pathologischen Bildungen, namentlich in den Galläpfeln, auf. – Die G. sind meist amorph, geruchlos, schmecken herb zusammenziehend, lösen sich meist leicht in Wasser, auch in Alkohol, manche in Äther, reagieren sauer, bilden unkristallisierbare Salze und liefern mit vielen Metallsalzen mannigfach gefärbte Niederschläge. Sie färben und fällen Eisenoxydsalze schwarzblau oder grün, fällen Alkaloide und Eiweiß, viele auch Leim, und werden von geschwellter tierischer Haut unter Bildung von Leder aufgenommen. In alkalischen Lösungen färben sich die G. an der Luft unter Aufnahme von Sauerstoff braun. Einige G. scheinen Glykoside der Gallussäure, bez. von Deshydrationsprodukten derselben zu sein; sie zerfallen beim Kochen mit verdünnten Säuren in Gallussäure und Traubenzucker, andre enthalten statt Zucker Phloroglucin. Bei trockner Destillation geben sie Pyrogallussäure und Kohlensäure oder Brenzkatechin, mit schmelzendem Kalihydrat meist Protokatechusäure und Phloroglucin.

Galläpfelgerbsäure (Gallusgerbsäure, Tannin) findet sich in den Gallen der Eichen- und Rhus-Arten (in aleppischen Galläpfeln 55–65, in istrischen 22–26, in chinesischen 65–75, in japanischen 60–70, in Knoppern 28–33 Proz.), im Sumach, im chinesischen Tee etc. Zu ihrer Darstellung extrahiert man Galläpfelpulver mit einem Gemisch aus Äther, Wasser und Weingeist, schüttelt den sirupartigen gelben Auszug mit dem doppelten Volumen Äther (um Fett, Harze, Farbstoff aus der Lösung zu entfernen), läßt absetzen, wobei sich der Äther von der Gerbsäurelösung trennt, und verdampft letztere im Wasserbad zur Trockne. Sie bildet ein amorphes, farbloses, geruchloses Pulver, schmeckt stark zusammenziehend, ist leicht löslich in Wasser, wenig in Alkohol, kaum in Äther; die Tanninlösung wird durch viele Salze (wie Kochsalz) gefällt, durch Eisenchloridlösung dunkelblau gefärbt, durch Alkaloide, Eiweiß, Leimlösung gefällt, tierische Haut entzieht ihr das Tannin vollständig. Tannin bildet amorphe Salze (Tannate), von denen die der Alkalien in Wasser löslich sind und sich unter Braunfärbung an der Luft zersetzen. Durch Fermente oder verdünnte Säuren zerfällt Tannin unter Aufnahme von Wasser in zwei Moleküle Gallussäure: C14H10O9 + H2O = 2C7H6O5, und dieselbe Zersetzung erleidet es z. B., wenn man Galläpfelpulver mit Wasser anrührt und längere Zeit stehen läßt. Gallussäure gibt mit Phosphoroxychlorid Digallussäure, die früher für identisch mit Tannin gehalten wurde. Die Lösung reduziert viele Metallsalze. Das auf angegebene Weise dargestellte Tannin ist keine einheitliche Substanz, in den Galläpfeln scheint ursprünglich ein leicht zersetzbares Glykosid vorzukommen, das sich z. T. auch noch im Tannin findet, und von dessen Zersetzung der Zucker herstammt, der bei Behandlung des gewöhnlichen Tannins mit Säuren auftritt. Man benutzt Tannin als kräftiges adstringierendes Mittel bei profusen Blutflüssen, Schleimflüssen, Durchfällen, Ruhr, Magenkrankheiten, chronischen Katarrhen, Keuchhusten, Diabetes, Albuminurie etc., äußerlich bei Blutungen, Eiterungen, Wundsein, übermäßigem Hautschweiß, dann zur Reinigung von Trinkwasser, zum Klären von Bier und Wein, zur Bereitung von Tinte, zur Schwarzfärberei, zum Erschweren der Seide, als Beize in der Färberei mit Teerfarben, auch in der Photographie. Eichenrindengerbsäure erhält man aus einer Abkochung von Eichenrinde, wenn man sie mit Bleiessig fällt und den ausgewaschenen Niederschlag mit Schwefelwasserstoff zersetzt. Sie bildet eine amorphe gelbe Masse, färbt Eisenchlorid schwarzblau und gibt beim Kochen mit Säuren Zucker und amorphes Eichenrot. Vgl. Kraus, Grundlinien zu einer Physiologie des Gerbstoffs (Leipz. 1889); Mielke, Über die Stellung der G. im Stoffwechsel der Pflanzen (Hamb. 1893); Trimble, The Tannins (Philad. 1892–94, 2 Bde.).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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