Gentz

Gentz

Gentz, 1) Friedrich von, Publizist und Staatsmann, geb. 2. Mai 1764 in Breslau, gest. 9. Juni 1832 in Weinhaus bei Wien, studierte in Königsberg Rechtswissenschaften und Kantsche Philosophie und trat 1785 in preußischen Staatsdienst. Anfangs für die französische Revolution begeistert, wurde er, durch ihre Ausschreitungen abgestoßen, bald ein entschiedener Gegner dieser großen Bewegung und ein Bewunderer der englischen Zustände. Er übersetzte Burkes »Betrachtungen über die französische Revolution« und andre auf dieses Thema bezügliche Werke, trug sich auch mit dem Gedanken, eine Geschichte der französischen Verfassung zu schreiben. 1795 begründete er die »Neue deutsche Monatsschrift«. Durch seine geistvollen, stilistisch meisterhaften Aufsätze bereits allgemein bekannt, erregte er Aufsehen durch sein »Sendschreiben an den König Friedrich Wilhelm von Preußen« bei dessen Thronbesteigung (1797) mit den wohlgemeinten Ratschlägen, betreffend die Einführung von Preß- und Gewerbefreiheit, Vermeidung neuer Auflagen u. a. 1799 gründete er für seine publizistische Tätigkeit das »Historische Journal«, in dessen Programm die Bekämpfung Frankreichs und die Anpreisung der englischen Zustände eine hervorragende Stelle einnahm. Für die von ihm erstrebte bedeutsamere staatsmännische Tätigkeit bot sich ihm ein Feld, als er auf Befürwortung Stadions 6. Dez. 1802 von Kaiser Franz I. als kaiserlicher Rat bestellt wurde. Vor seiner dauernden Übersiedelung nach Wien begab er sich nach London und lernte die englischen Staatsmänner, wie Pitt, Granville, persönlich kennen. Trugen ihm schon früher seine England freundlichen Artikel nicht unbedeutendes Verdienst ein, so erhielt er jetzt für die Vertretung der englischen Interessen in Wien einen Jahresgehalt zugesichert; dabei war G. aber nicht im gewöhnlichen Sinn käuflich, vielmehr seine Begeisterung für England echt. Es gelang G. übrigens nicht, auf den Vizekanzler Cobenzl einen entscheidenden Einfluß zu gewinnen, so bedeutsam und glänzend auch die Denkschriften waren, die er in jener Zeit verfaßte, die sich sämtlich gegen Frankreich und Napoleon wendeten und schon damals das Zusammengehen Österreichs mit Preußen befürworteten. Erst seit 1809 erhielt G. auf Stadions Veranlassung tätigen Anteil an den Regierungsgeschäften; so verfaßte er das Kriegsmanifest vom 15. April und war auch während des Krieges publizistisch überaus rege tätig. Nach dessen unglücklichem Ausgang erkannte auch er die Notwendigkeit des Friedens, und mit Stadions Sturz (1810) gingen alle seine politischen Erwartungen in Brüche. Sein ganzes Denken und Wesen erfuhr in diesen Jahren eine entschiedene Wandlung. Zu Metternich, dem Nachfolger Stadions, trat er erst 1812 in nähere Beziehung; er wurde in die Staatskanzlei gezogen, woraus sich ein freundschaftliches Verhältnis entwickelte, bis G. endlich Gehilfe, Vertrauter, Berater Metternichs wurde. G. führte auf dem Wiener Kongreß, bei den Ministerkonferenzen in Paris (1815) als Generalsekretär das Protokoll, die meisten offiziellen Akte jener Tage rühren von ihm her. Er nahm auch an der Neuordnung des österreichischen Geldwesens lebhaften Anteil, besonders als 1814 Stadion an die Spitze der Finanzverwaltung trat. Maßgebendsten Einfluß gewann er auf die Richtung der innern Politik Österreichs. In den von ihm 1818 gegründeten »Wiener Jahrbüchern der Literatur« und später im »Österreichischen Beobachter« kämpfte er mit seiner glänzenden Feder gegen die Freiheitsbestrebungen der Völker. 1818 erschien er auf dem Aachener Kongreß an der Seite Metternichs, hatte an den gefaßten Beschlüssen den hervorragendsten Anteil und erntete reiches Lob und Belohnungen. G. verfaßte zum größten Teil die Vorschläge, die auf dem Karlsbader Kongreß 1819 zur Verhandlung kamen; sein Werk ist der Feldzugsplan gegen die Universitäten. Mit den Kongressen zu Troppau, Laibach und Verona (1820–22) ist sein Name dauernd verflochten; wo es galt, gegen den Liberalismus einzuschreiten, war er zur Stelle. Mit seiner hohen Begabung stand sein Charakter allerdings nicht im Einklang. Zeitlebens in Geldverlegenheit, hinterließ er, obwohl sich nach dem Wiener Kongreß, wo ihm von England aus eine hohe Pension zugesichert ward, seine regelmäßigen Einkünfte auf über 22,000 Tlr. belaufen hatten, bei seinem Tode bedeutende Schulden. Wenige Jahre vor seinem Ende war er erfüllt von Leidenschaft für die jugendliche Tänzerin Fanny Elßler, an die er liebeglühende Briefe schrieb. G. zählt unbestritten zu den Klassikern der Politik. Sein hohes literarisches Verdienst beruht in der Kunst der Darstellung, die ihn den ersten Prosaikern anreiht. Er war ein Meister des politischen Stils, gleich ausgezeichnet durch Klarheit der Entwickelung und durch begeisterndes Pathos der Rede. Seine »Fragmente« enthalten patriotische Mahnungen, die an Fichtes »Reden an die deutsche Nation« erinnern, seine Briefe an Adam Müller sind wahre Perlen des Geistes und stilistischer Vollendung. Von seinen größern Schriften nennen wir noch das historische Gemälde: »Maria, Königin von Schottland« (Braunschw. 1799, neue Aufl. 1827); das französisch geschriebene Buch »Essai actuel d'administration des finances de la Grande-Bretagne« (Hamb. 1801); »Über den politischen Zustand Europas vor und nach der französischen Revolution« (Berl. 1801–02,2 Hefte); »Betrachtungen über den Ursprung und Charakter des Kriegs gegen die französische Revolution« (das. 1801). Nach seinem Tode wurden seine »Ausgewählten Schriften« von Weick (Stuttg. 1836–38, 5 Bde.) und seine kleinern Schriften (Mannh. 1838–40, 5 Bde.) sowie »Mémoires et lettres inédites« (Stuttg. 1841) von Schlesier herausgegeben. Außerdem erschienen: »Briefe an Chr. Garve« (Bresl. 1857); sein Briefwechsel mit Adam Müller (Stuttg. 1857); »Briefe an Pilat« (Leipz. 1868, 2 Bde.); »Briefe politischen Inhalts von und an G.«, aus den Jahren 1799–1827 (hrsg. von Klinkowström, Wien 1870); »Aus dem Nachlaß Friedrichs v. G.« (hrsg. von Prokesch-Osten, das. 1867, 2 Bde.); »Dépêches inédites de Chev. de G. aux Hospodars de Valachie 1813–1828« (hrsg. von Prokesch-Osten [Sohn], Par. 1876; lückenhaft, teilweise ergänzt durch Metternichs »Österreichs Teilnahme an den Befreiungskriegen«, Wien 1887); »Zur Geschichte der orientalischen Frage. Briefe aus dem Nachlaß Friedrichs v. G.« (das. 1877) sowie seine »Tagebücher« aus dem Nachlaß von Varnhagen v. Ense, von 1800–1826 reichend (Leipz. 1873 bis 1874, 4 Bde.). Vgl. die Biographie von R. Haym in Ersch und Grubers »Enzyklopädie«; Karl Mendelssohn-Bartholdy, Friedrich v. G. (Leipz. 1867); Schmidt-Weißenfels, Friedrich v. G. (Prag 1859, 2 Bde.); Fournier, G. und Cobenzl (Wien 1880); Guglia, Friedrich v. G. (das. 1901).

2) Wilhelm, Maler, geb. 9. Dez. 1822 in Neuruppin, gest. 23. Aug. 1890 in Berlin, hatte bereits mehrere Semester die Universität besucht, als er sich im 21. Jahr entschloß, zur Malerei überzugehen. Er besuchte die Akademie zu Berlin, bildete sich daneben in Klöbers Atelier und studierte dann neun Monate lang auf der Antwerpener Akademie, worauf er sich 1845 nach Paris begab. Hier trat er in das Atelier des Orientmalers Gleyre ein. 1847 reiste er nach Spanien und nach Marokko und kehrte Ende 1848 nach Paris zurück, wo er den verlornen Sohn in der Wüste malte. Im Februar 1850 ging er nach Ägypten und dem Sinai; den Rückweg nahm er über Kleinasien, den Griechischen Archipel, Konstantinopel und Wien. 1852 lebte er in Berlin, und hier entstanden seine ersten Bilder orientalischen Lebens: ein Sklavenmarkt und eine arabische Schule; allein wenig damit zufrieden, wandte sich G. wieder nach Paris und schloß sich diesmal dem Coutureschen Atelier an. Er malte hier zwei religiöse Bilder mit lebensgroßen Figuren, Christus und Magdalena bei Simon und Christus unter den Zöllnern, um dann dies Gebiet für immer zu verlassen, und das erste eigenartige orientalische Genrebild: ägyptische Studenten unter Palmen (1854). Seit 1858 wieder in Berlin, schuf er eine lange Reihe orientalischer Darstellungen, die durch charaktervolle Auffassung und glänzende Färbung zuerst eine richtige Anschauung von dem Leben der Bewohner in Ägypten, Syrien, Palästina und Nordafrika und von dem Charakter der orientalischen Landschaft gaben. Dadurch hat G. für die Berliner Schule erst eine feste Grundlage für die Orientmalerei geschaffen. Die Zahl seiner Bilder ist sehr groß; bald ist die Landschaft, bald sind die Figuren überwiegend, in allen aber ist der Charakter von Land und Volk scharf ausgeprägt. Die bedeutendsten sind: Sklaventransport durch die Wüste (Museum in Stettin); Gebet der Mekkakarawane; Begegnung zweier Karawanen in der Wüste; Nillandschaft mit Flamingos (1870); Märchenerzähler bei Kairo; Totenfest bei Kairo (in der Dresdener Galerie); Dorfschule in Oberägypten; Schlangenbeschwörer (1872); der Einzug des Kronprinzen von Preußen in Jerusalem (1876, Berliner Nationalgalerie); ein Koranspruch als Heilmittel; Markt in Algier (1879); Gedächtnisfeier des Rabbi Isaak Barchischot in Algier (1881, Museum in Leipzig); Idyll in der Thebaïde (1883); Koranvorlesung in der Grotte des Jeremias; Palmsonntag in altchristlicher Zeit; der Prediger in der Wüste; Abend am Nil; Ritt Kaiser Friedrichs als Kronprinz zu den Kalifengräbern in Kairo (1888). G., der sich auch als Illustrator betätigt hat (z. B. bei Ebers' »Ägypten«), war ein Kolorist ersten Ranges, der namentlich die Wirkungen des Sonnenlichtes mit großer Meisterschaft darzustellen wußte. Er war königlicher Professor und Inhaber der großen Medaille der Berliner Ausstellung.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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