Fouché

Fouché

Fouché (spr. fūsché), Joseph, Herzog von Otranto, franz. Polizeiminister, geb. 21. Mai 1759 in Pellerin bei Nantes als Sohn eines Schiffskapitäns, gest. 26. Dez. 1820 in Triest, trat, wegen schwächlichen Körpers, bei dem Orden der Oratorier ein. Er erhielt aber nur die niedern Weihen und wirkte als Lehrer der Naturwissenschaften, dann als Vorsteher der Schule der Oratorier in Nantes. Wie viele seines Ordens, schloß er sich der Revolution an, trat dann 1792 aus dem Orden aus und heiratete. Als Gemäßigter wurde er gleichzeitig in den Konvent gewählt. Hier trat er bald zu der siegreich vordringenden Bergpartei über, mit der er für die Hinrichtung Ludwigs XVI. stimmte. Als Bevollmächtigter des Konvents organisierte er die Schreckensherrschaft und den Atheismus in Nantes sowie in den Departements von Mittelfrankreich, zeigte aber, trotz blutdürstiger Phrasen, tatsächliche Mäßigung und Schonung der Personen. Dasselbe System befolgte er, als er im November 1793 mit dem furchtbaren Collot d'Herbois zur Züchtigung der gegen die Schreckensherrschaft empörten Stadt Lyon ausgesandt wurde; er wagte zunächst nicht, sich offen dem Massenmorde zu widersetzen, rettete aber viele Einzelne und machte nach Collots Abreise dem Blutbad ein Ende (Februar 1794). Er wurde deshalb Robespierre verdächtig; so wurde F. einer der hauptsächlichsten Urheber von dessen Sturz am 9. Thermidor (27. Juli). Aber sein Auftreten als Schreckensmann führte seine Anklage vor dem Konvent herbei (August 1795), von deren Wirkungen ihn nur die Amnestie vom Oktober d. J. befreite. Der Sieg der entschiedenen Republikaner im Direktorium und seine alten Verbindungen mit deren Leiter Barras rissen ihn aus dreijähriger Untätigkeit und führten seine Verwendung im diplomatischen Dienste herbei. Im September 1799 zum Polizeiminister ernannt, trat er in die Laufbahn ein, zu der ihn sein scharfer Verstand, seine ungewöhnliche Menschenkenntnis, seine rücksichtslose Verschlagenheit, seine Freude an Intrigen und seine unbegrenzte Arbeitskraft vor allem beriefen. In wenigen Monaten organisierte er die öffentliche wie die geheime Polizei in mustergültiger Weise und benutzte sie, um sich selbst eine gewaltige Macht über alle Klassen der Bevölkerung sowie einen riesig anschwellenden Reichtum zu verschaffen. Dabei war er für seine Person mäßig, ein liebevoller Gatte und Vater. Sein hauptsächlicher Gesichtspunkt war, sich in der Gewalt zu erhalten, sein zweiter, die Grundsätze der Gleichheit und der religiösen Duldung, welche die Revolution verwirklicht hatte, zu bewahren. Sonst waren ihm Personen und Systeme der Regierung gleichgültig. Er wandte sich bald der gewaltigen Persönlichkeit Bonapartes zu und unterstützte ihn eifrig bei der Revolution des 18. Brumaire (9. Nov. 1799). Zugleich sicherte er seine persönliche Stellung, indem er durch schonende Behandlung der extremen Parteien sich sowohl unter den Royalisten wie Republikanern zahlreiche Freunde erwarb. Der Erste Konsul wurde aber der Selbständigkeit und Cigen sucht seines Polizeiministers müde und unterdrückte 1802 dessen Amt, indem er ihm zur Entschädigung die Senatorie von Aix übertrug. Allein die Ungeschicklichkeit, die Fouchés Nachfolger erwiesen, bewog den Kaiser, 10. Juni 1804 das Polizeiministerium wieder zu errichten und an F. zu übertragen. F. sah von dem beständigen Kriegszustande den Sturz des Kaisertums voraus. Er strebte deshalb mit allen Mitteln eine friedliche Politik an. Zugleich widersetzte er sich der Neigung des Kaisers zur Rückkehr zum alten Adel und zum Klerikalismus. Dadurch wurde Napoleon schon sehr gegen F. gereizt, und nur dessen scheinbare Unentbehrlichkeit erhielt ihn in seiner Stellung, in der er übrigens gegen die Presse sowie gegen die persönliche Freiheit der Individuen eine schrankenlose Tyrannei entfaltete. Als er aber 1809 versuchte, sich durch Organisierung der Nationalgarden eine persönliche Macht zu schaffen und dann, 1810, ohne Wissen des Kaisers, Friedensverhandlungen mit England begann, setzte Napoleon ihn 3. Juni ab und verbannte ihn in die Provinz. Die öffentliche Meinung bedauerte seinen Sturz, weil sie in ihm den Vertreter gemäßigter Grundsätze gegenüber der sozialen und pol itischen Reaktion erblickte. Nach der Niederlage in Rußland suchte Napoleon den unermüdlichen Intriganten unschädlich zu machen, indem er ihn zum Generalgouverneur der Illyrischen Provinzen ernannte, dann mit der Vertretung seiner Interessen in Italien betraute, wo aber F. Murat zum Abfall von dem Kaiser hetzte. Während der Hund ert Tage ernannte ihn Napoleon (20. März 1815), um ihn nicht zum Gegner zu haben, zum Polizeiminister. Allein F. erkannte bald die Notwendigkeit eines endgültigen Sturzes des Kaiserreiches, ermutigte die Opposition der Abgeordnetenkammer und knüpfte nach Waterloo, als Haupt der provisorischen Regierung, mit den Bourbonen an, deren Rückkehr er hauptsächlich veranlaßte. Zum Dank ernannte Ludwig XVIII. den Mörder seines Bruders abermals zum Polizeiminister (8. Juli 1815). Allein die in den neuerwählten Kammern vorherrschenden Ultraroyalisten erzwangen schon 15. Sept. seine Entlassung. Er ging als Gesandter nach Dresden. Das Ächtungsgesetz gegen die Königsmörder vom Januar 1816 nötigte ihn, auch diese Stellung aufzugeben. Er hielt sich in Prag, Linz und endlich in Triest auf, mit Abfassung von Verteidigungsschriften für seine Vergangenheit beschäftigt. Er hinterließ ein Vermögen von 15–20 Mill. Frank. Die »Mémoires de Joseph F., duc d'Otrante« (Par. 1824, 4 Bde.; deutsch, Darmst. 1825, 2 Bde.) sind nicht von ihm. sondern von Alphonse de Beauchamp, aber auf Grund echten Materials gearbeitet. Dagegen hat F. zahllose politische Pamphlete drucken lassen, aufgezählt in dem Vorwort zu der vorzüglichen Biographie Fouchés von Madelin (Par. 1901, 2 Bde.; 2. Aufl. 1903).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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