Elektrische Spannung

Elektrische Spannung

Elektrische Spannung, der Intensitätsfaktor der elektrischen Energie, für elektrische Leitungen dasselbe, was für Wasserleitungen der Druck ist. Bei der Ladung eines anfangs unelektrischen isolierten Leiters wird für jede später zugeführte Elektrizitätsmenge, indem sie von der bereits vorhandenen Abstoßung erleidet, eine stets wachsende Arbeit erfordert, indem das Elektrische Potential (s. d.) des Körpers von seinem Anfangswert Null bis zu seinem Endwert V gleichmäßig zunimmt. Die für die Einheit der Elektrizitätsmenge geleistete Arbeit wird offenbar dieselbe sein, als wenn der Körper während des ganzen Vorganges der Ladung einkonstantes Potential 1/2V (Mittelwert zwischen dem Anfangswert Null und dem Endwert V) unverändert beibehalten hätte. Die geleistete Arbeit P ist demnach = (9.109)/g.1/2 V Kilogrammeter für ein Coulomb (g = 9,81 f. m. g. Br.) und für die ganze Ladung, die Q Coulomb betragen möge, (9.109)/g.1/2V.Q, oder wenn der Kürze halber 9.109. V = E gesetzt wird, P = 1/2g. E.Q Kilogrammeter. Diese Arbeit, die in dem geladenen Leiter gleichsam aufgespeichert ist und bei der Entladung von ihm wieder ausgegeben wird (z. B. in der Form von Wärme), heißt die Energie der elektrischen Ladung, das Produkt 1/2 V.Q das Potential des Leiters auf sich selbst oder Selbstpotential. Die Größe E wird die elektrische Spannung genannt. Es ist E = (2g. P)/Q und E = 1, wenn Q = 2g. P. Diese Einheit der Spannung wird zu Ehren Voltas als 1 Volt bezeichnet. In manchen Fällen ist die Spannung in Volt leicht durch Rechnung zu ermitteln. Ist z. B. eine Kugel vom Radius R Meter mit Q Coulomb geladen, so ist die Spannung, da V = Q/R ist: E = 9.109.Q/R Volt. Um in kompliziertern Fällen die Spannung zu bestimmen, könnte man nach obigem außer der Ladung Q in Coulomb die Ladungsarbeit P messen. Geschieht die Ladung mit einer Elektrisiermaschine oder Influenzmaschine, deren einer Pol zur Erde abgeleitet sein muß, da der Anfangswert des Potentials = 0 gesetzt wurde, so könnte man P messen, indem man zum Treiben der Maschine ein herabsinkendes Gewicht benutzte. Wiegt dasselbe p Kilogramm und sinkt es um s Meter herunter, bis der Konduktor mit Q Coulomb geladen ist, so ist P = p.s, wobei natürlich die sogen. Leerlaufsarbeit, d.h. die zum Betrieb der Maschine, wenn sie keine Elektrizität erzeugt, nötige Arbeit in Abrechnung gebracht werden muß.

Derartige Messungen sind schwer genau auszuführen. Einfacher ist die Messung der bei der Entladung des Konduktors zu gewinnenden Energie, die nach dem Gesetze der Erhaltung der Energie der zur Ladung verbrauchten Arbeit gleich sein muß. Man kann die Energie wieder als mechanische Energie zurückerhalten, wie dies z. B. der sogen. Korkkugeltanz erläutert.

Fig. 1. Elektrischer Korkkugeltanz.
Fig. 1. Elektrischer Korkkugeltanz.

In einem oben und unten durch Metalldeckel geschlossenen Glaszylinder (Fig. 1) befinden sich Kügelchen von Kork oder Holundermark; eine vom Konduktor herabhängende Kette leitet Elektrizität auf den obern Deckel; dieser zieht die unelektrischen Kügelchen an, stößt sie ab, nachdem sie in Berührung mit ihm gleichnamig elektrisch geworden sind, zieht sie wieder an, nachdem sie an den untern, mit der Erde leitend verbundenen Deckel ihre Elektrizität abgegeben haben, und so tanzen sie zwischen Deckel und Boden auf und ab, indem sie den Übergang der Elektrizität vom Konduktor zur Erde vermitteln. Eine andre Vorrichtung, welche die aufgespeicherte elektrische Energie in Bewegungsenergie umsetzt, ist das elektrische Glockenspiel (Figur 2). An einem mit dem Konduktor verbundenen Draht a b c hängen zwei Metallglocken, die eine bei c an einem Metalldraht, die andre bei a an einem Seidenfaden; letztere ist durch eine Kette nach dem Boden abgeleitet. Zwischen beiden in der Mitte hängt ein Metallkügelchen an einem Seidenfaden.

Fig. 2. Elektrisches Glockenspiel.
Fig. 2. Elektrisches Glockenspiel.

Wird die erste Glocke vom Konduktor her elektrisch, so zieht sie das Kügelchen an, stößt das gleichnamig elektrisch gewordene ab nach der andern Glocke hin, wo es seine Elektrizität abgibt, wird jetzt von der ersten wieder angezogen und bringt in dieser Weise, zwischen den Glocken hin und her fahrend, dieselben zum Tönen.

Zu messenden Versuchen ist keine dieser Vorrichtungen geeignet. Weitaus genauer läßt sich die Entladungswärme feststellen, indem man die Elektrizität durch einen langen dünnen Draht, der sich in einem Kalorimeter befindet, abfließen läßt. Nach dem Gesetze der Äquivalenz von mechanischer Arbeit und Wärme muß die Wärme, gemessen in (großen) Kalorien, der 427. Teil der in Kilogrammetern ausgedrückten Arbeit sein, d.h. diese das 427 fache der gemessenen Wärmemenge. Wäre z. B. die Wassermenge im Kalorimeter = 0,5 kg, und wäre deren Temperatur bei 10,000 Entladungen des Konduktors gestiegen um 0,1°, so berechnet sich die Wärme für eine Entladung = 0,5.0,1.10-4 Kalorien, somit P = 0,05.10-4.427 kgm. Wäre ferner die Ladung des Konduktors Q = 10-5 Coulomb gefunden (s. Elektrizitätsmenge), so folgt E = 2.9,81.0,05.10-4.427.105 = 4200 Volt.

Die genaueste Methode besteht darin, daß man nicht eine Elektrisier- oder Influenzmaschine zur Ladung benutzt, sondern eine auf dem Prinzip der Induktion beruhende magneto-elektrische Maschine (Dynamomaschine). Die Messung reduziert sich in diesem Call auf die Messung der Intensität des magnetischen Feldes, der Tourenzahl und der Dimensionen der stromerzeugenden Armatur, da aus diesen Größen die zum Betriebe der Maschine erforderliche Arbeit berechnet werden kann. Die Maschine kann z. B. einfach aus einer Drahtrolle bestehen, die im erdmagnetischen Felde gedreht wird (s. Erdinduktor bei »Elektrische Induktion«, S. 620).

Oben wurde bemerkt, daß die Spannung der Erde gewöhnlich = 0 gesetzt wird. Wäre sie eine andre, so würde E in der Formel nach wie vor die Differenz der Spannungen von Konduktor und Erde bedeuten. An Stelle der Erde könnte z. B. der zweite Konduktor Influenzmaschine oder die zweite (bisher abgeleitet gedachte) Klemme der Induktionsmaschine treten. Wäre die Spannung der einen + E/2, die der andern -E/2, so ist die Spannungsdifferenz wieder = E. (= 2xE/2). Elektrizität entwickeln heißt nichts andres, als die beiden Elektrizitäten, die in unelektrischen Körpern auf dem Niveau Null miteinander vereinigt sind, auf verschiedenes Niveau zu bringen oder eine Potentialdifferenz zwischen ihnen herstellen. Die Potentialdifferenz oder der Spannungsunterschied der beiden Platten eines galvanischen Plattenpaares wird durch die elektromotorische Kraft in stets glicher Größe aufrecht erhalten und ist ein Maß für die letztere. Elektromotorische Kraft und Potentialdifferenz sind daher gleichwertige Begriffe. Die elektromotorische Kraft eines Elements läßt sich berechnen, weil die Ladungsarbeit nach dem Gesetze der Erhaltung der Energie, in diesem Falle der verlornen chemischen Energie, d.h. der Verbrennungswärme des bei Erzeugung des Stromes verbrauchten Zinkes, äquivalent sein muß, und diese wieder der angesammelten Elektrizitätsmenge, der Ladung (s. Elektrizitätsmenge, Galvanische Batterie). Die Spannung des Weston- (Kadmium-) Elements ist nahezu 1 Volt. 10, 100, 1000 solcher Elemente hintereinander geschaltet würden also die Spannungsdifferenzen 10, 100, 1000 Volt ergeben.

Die Zunahme der Spannung auf dem Konduktor einer Elektrisiermaschine kann man mit Hilfe des Papierbüschels (Fig. 3) zeigen; auf einem leitenden Stäbchen, das man in ein oben auf dem Konduktor angebrachtes Loch steckt, ist oben ein leitendes Scheibchen befestigt, von dessen Rand schmale Streifen von dünnem Papier schlaff herabhängen; wird die Masch ine gedreht, so breiten sich die Streifen schirmartig auseinander.

Ein leitend aufgehängtes Pendelpaar, seien es nun zwei an Leinenfäden aufgehängte Holundermarkkügelchen oder wegen der bedeutenden Empfindlichkeit zwei Strohhälmchen oder noch besser zwei Goldblättchen, ist sehr geeignet, die auf einem Leiter, mit dem sie verbunden sind, herrschende e. S. anzuzeigen, und dient daher als Elektroskop.

Fig. 3. Elektrischer Papierbüschel.
Fig. 3. Elektrischer Papierbüschel.

Um damit die Spannung in Volt messen zu können, muß es mit einem Gradbogen versehen und in Volt geeicht werden, z. B. mittels hintereinander geschalteten Normalelementen, deren einer Pol mit dem Träger der Goldblättchen verbunden wird, während der andre ebenso wie das Gehäuse des Elektroskops mit zur Erde abgeleitet oder auch einfach mit dem Gehäuse verbunden wird (s. Elektrometer). Solche Elektrometer (elektrostatische Voltmeter) sind auch für Spannungsmessungen bei Wechselstrom, d.h. rasch wechselndem Sinne der Elektrisierung brauchbar, da die abstoßende Kraft zwischen den Blättchen sich nicht ändert, wenn ihnen statt positiver negative Elektrizität gleicher Spannung zugeführt wird. Früher wurde e. S. häufig gleichbedeutend mit Elektrischer Spannkraft (s. d.) gebraucht.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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