Ebenbürtigkeit

Ebenbürtigkeit

Ebenbürtigkeit, Gleichheit der Geburt nach, insbes. das gegenseitige Verhältnis verschiedener Stände, deren Angehörige miteinander eine vollwirksame und vollgültige Ehe eingehen können. Die E. war früher bei dem Adel allgemein die Bedingung einer standesmäßigen Ehe, mithin Voraussetzung des Eintritts der Standesgleichheit der Ehegatten und Bedingung der Übertragung der Rechte des Adels auf die Nachkommen. Nach englischem und französischem Recht sind alle Bevölkerungsklassen einander ebenbürtig. In Deutschland ist die E. nur noch bei den souveränen Familien und dem hohen Adel von Bedeutung. Dem hohen (ehemals reichsständischen oder landesherrlichen) Adel ist nämlich in der deutschen Bundesakte vom 8. Juni 1815, durch Bundesbeschluß vom 19. Aug. 1825 und laut des Aachener Konferenzprotokolls vom 7. Nov. 1818 das Recht der E. gegenüber den souveränen Häusern gewährleistet worden. Nach altem deutschen Recht war jede Ehe eines freien Mannes mit einer freien Frau ebenbürtig; nur die Verheiratung mit einer unfreien Person war eine Mißheirat. Als jedoch mit der Zeit eine schärfere Absonderung der einzelnen Geburtsstände eintrat, gewann das Erfordernis der E. der Ehegatten auch bei den Ehen der Ritterbürtigen insofern Bedeutung, als Kinder aus einer ungleichen Ehe der ärgern Hand folgten, d.h. den Stand des Nichtritterbürtigen teilten. Dies ist später nur beim Herrenstand, den ehemaligen Reichsständen, d.h. dem heutigen ebenbürtigen hohen Adel, in Geltung geblieben, indem hier jener Rechtssatz durch Hausgesetze und Hausverträge aufrecht erhalten ward. Von Mißheiraten des niedern Adels kann daher nicht mehr die Rede sein. Wo bei Ehen des hohen Adels die E. fehlt, ist eine Mißheirat (Disparagium) vorhanden, die außer der Ausschließung der Standesgleichheit der Ehegatten auch die Wirkung hat, daß die Kinder nicht den höhern Geburtsstand und Rang des Vaters teilen, und daß sowohl die Frau als die Kinder nur diejenigen vermögensrechtlichen Ansprüche an der Hinterlassenschaft des Vaters erhalten, die von der Voraussetzung der E unabhängig sind. Daher hat die Frau keinen Anspruch auf das standesgemäße Wittum, und die Kinder sind nicht zur Nachfolge in die Stamm-, Fideikommiß- und Lehnsgüter berechtigt; jedoch können diese Nachteile durch Verzicht der ebenbürtigen Erben und Einwilligung des Lehnsherrn teilweise gehoben werden. Werden diese Wirkungen der Mißheirat gleich bei Eingehung der Ehe vertragsmäßig bestimmt, so nennt man die Ehe eine Ehe zur linken Hand oder morganatische Ehe (s. Ehe). Für die Ehen der Mitglieder regierender deutscher Fürstenhäuser ist der Grundsatz der E. in den Verfassungsurkunden und in den Hausgesetzen vielfach ausdrücklich anerkannt. Nach diesen sind die Ehen der Mitglieder eines regierenden deutschen Fürstenhauses nur dann ebenbürtig, wenn sie mit einer Person geschlossen werden, die aus einem jetzt oder ehemals regierenden deutschen oder ausländischen Fürstenhaus oder aus einem ehemals reichsständischen Hause stammt und von ihrem eignen Haus als ebenbürtig anerkannt wird. Kinder aus nicht ebenbürtigen Ehen sind nicht thronfolgefähig. Durch Artikel 57 und 58 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch sind die landesherrlichen Vorschriften über das Erfordernis der E. für die landesherrlichen Familien und die Familien des hohen Adels aufrechterhalten. Vgl. außer den Lehrbüchern des Staatsrechts: J. St. Pütter, Über Mißheiraten deutscher Fürsten und Grafen (Götting. 1796); Göhrum, Geschichtliche Darstellung der Lehre von der E. nach gemeinem deutschen Recht (Tübing. 1846, 2 Bde.); R. v. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik (Bd. 2, I., S. 131 ff.); G. Meyer, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, S. 240 ff. (5. Aufl., Leipz. 1899).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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