Dyck [1]

Dyck [1]

Dyck (spr. daik), Anthonis van, niederländ. Maler, geb. 22. März 1599 in Antwerpen, gest. 9. Dez. 1641 in London, Sohn des Handelsmanns Franz van D. und dessen Frau Maria Cuypers, wurde 1610 als Schüler des Hendrik van Balen in die Listen der Antwerpener Malerzunft eingetragen, trat jedoch nach wenigen Jahren als Gehilfe in die Werkstatt von Rubens, bei dem sich erst sein Stil ausbildete, und war bei ihm noch eine Zeitlang tätig, nachdem er schon 11. Febr. 1618 als Freimeister in die Lukasgilde aufgenommen worden war. In einem Dokument vom 29. März 1620, das die von Rubens auszuführende Ausschmückung der Jesuitenkirche in Antwerpen betrifft, wird van D. noch unter den Gehilfen von Rubens genannt. Wie eng er sich anfangs an diesen angeschlossen, beweisen unter anderm der im Wetteifer mit einem ähnlichen Bild von Rubens entstandene Hieronymus in der Dresdener Galerie, die Verspottung Christi, die Ausgießung des Heiligen Geistes und die beiden Johannes im Berliner Museum sowie die Kreuztragung in der Dominikanerkirche zu Antwerpen. In der spätern Zeit seiner Tätigkeit bei Rubens scheint van D. auch auf den koloristischen Stil seines Meisters von Einfluß gewesen zu sein. Im Juli 1620 befand sich van D. noch in Rubens' Haus; er muß aber bald darauf nach England gegangen sein, wo er für Jakob I. tätig und noch 26. Febr. 1621 anwesend war. Im Dezember 1622 befand er sich wieder in seiner Vaterstadt. Im folgenden Jahr ging er über Frankreich nach Italien, wo er sich zuerst in Genua und Venedig aufhielt. Hier machten besonders Tizian und Veronese den größten Eindruck auf ihn und halfen seine Kunstweise bestimmen. Danach begab sich van D. nach Rom, wo er im Palast des Kardinals Bentivoglio wohnte und dessen Bildnis (Florenz, Palazzo Pitti) malte. Keine Stadt ist so reich an Porträten von van D. wie Genua, wo die vornehmsten Edelleute sich von ihm darstellen ließen: Werke, deren frische, noch an Rubens erinnernde Auffassung, verbunden mit dem Adel italienischer Vorbilder, von dem Künstler nicht mehr übertroffen wurde. Ein Teil der in Genua gemalten Bildnisse ist nach England gekommen. Die Bildnisse eines alten Senatorenpaares sind im Berliner Museum. Auch Palermo, Florenz und andre Städte besuchte er und trat dann vermutlich 1626 die Rückreise nach Brabant an. 1627 entstand die großartige Kreuzigung (im Dom zu Mecheln). 1629 schenkte er den tief empfundenen Christus am Kreuz (jetzt im Museum von Antwerpen) den Dominikanerinnen; in demselben Jahr entstand das Gemälde der Madonna mit der heil. Rosalie und 1630 das der Madonna mit dem Prämonstratenser Hermann Joseph (beide im Hofmuseum zu Wien). Im Frühjahr 1632 begab sich der Künstler nach London, wo er bald in Beziehung zu König Karl I. trat und ihm die größten Ehren und zahlreiche Auftrage von seiten des Hofes und der Aristokratie zu teil wurden; am 5. Juli d. J. wurde er Ritter, und 17. Okt. 1634 erhielt er vom König eine jährliche Rente von 200 Pfd. Sterl. Mit dieser Übersiedelung war ein entscheidender Wendepunkt in van Dycks Kunstweise eingetreten: er malte jetzt fast ausschließlich Bildnisse. 1639 verheiratete er sich mit der armen, aber schönen Maria Ruthven, Tochter des Arztes Patr. Ruthven, des fünften Sohnes des Grafen von Gowrie. Zu Anfang des Herbstes 1640 ging van D. mit seiner Gemahlin nach Antwerpen und von da nach Paris, wo er Aufträge zur Ausmalung der großen Galerie des Louvre zu erhalten hoffte, sich aber getäuscht sah, da ihm Nic. Poussin vorgezogen wurde. Er kehrte darauf nach England zurück, wo er nur noch kurze Zeit lebte, da seine z. T. durch Ausschweifungen erschütterte Gesundheit durch die Strapazen einer beschleunigten Reise den letzten Stoß erhalten hatte. Am 11. Dez. 1641 wurde seine Leiche im Chor der alten St. Paulskirche beigesetzt.

Van D. ist nach Rubens der größte flämische Maler des 17. Jahrh. Im Anfang seiner Laufbahn zeigt er sich noch von seinem Lehrer abhängig, wie die oben genannten Bilder beweisen. Bald entwickelte er aber seinen Kolorismus noch über Rubens hinaus zu einer noch blühendern Behandlung des Fleisches und einem noch wärmern Gesamtton. Die italienische Reise führte ihn zu feinerer Formauffassung und zu einer geschmackvollen, gleichsam feierlichen Farbenstimmung. Nach Antwerpen zurückgekehrt, schuf van D. wieder eine größere Zahl von Historienbildern. Mit besonderm Glück malte er Darstellungen, worin sich Schmerz und Trauer aussprechen, daher besonders gern die Beweinung Christi (schönstes Exemplar im Museum zu Antwerpen), ferner heilige Familien und überhaupt ruhigere, gemessenere Gegenstände, als es bei Rubens der Fall ist, dessen kühne Bewegtheit und unerschöpfliche Phantasie ihm fehlten. Herrliche Historienbilder dieser Art sind: die Beweinung Christi, in München, Christus am Kreuz, in Wien, desgleichen in Antwerpen, eine heilige Familie mit dem Engeltanz, in St. Petersburg und im Palazzo Pitti in Florenz. Hervorragende Bildnisse dieser dritten Periode befinden sich namentlich in München, im Louvre und in St. Petersburg. Von den Porträten seiner letzten Periode ist ganz England voll; so edel und vornehm auch der Ausdruck darin ist, so läßt sich nicht verkennen, daß öfter eine oberflächliche Behandlung und eine gewisse Flauheit vorherrschen, was z. T. darin begründet ist, daß er die ihm massenhaft zuströmenden Aufträge nur mit Gehilfen bewältigen konnte. Bei der Leichtigkeit, womit van D. die Arbeit von statten ging, hat er trotz seines frühen Todes eine Menge von Werken hinterlassen. Sein Heimatsland hat deren noch ziemlich viele; so werden in Antwerpen gegen 24 gezählt. Im Brüsseler Museum befinden sich eine Kreuzigung Christi, ein trunkener Silen und mehrere Porträte. Sehr reich an Werken van Dycks ist die Münchener Pinakothek; hervorzuheben sind noch Susanna im Bade, von tizianischer Glut; eine Madonna mit dem Kinde; das Porträt der Frau des Bildhauers Colyn de Nole und dieser selbst; der Herzog Wolfgang von Neuburg; das Bildnis des Malers Snayers, voll kühnen Lebens und von durchsichtiger goldiger Farbe; dann eine Anzahl von kleinen Grisaillen, die der Künstler zum Zweck der Vervielfältigung durch den Kupferstich malte. Im Berliner Museum sind noch hervorzuheben: die bußfertigen Sünder vor Christus und das Bildnis des Thomas von Carignan. Reicher ist die Dresdener Galerie, wo ein heil. Hieronymus und eine Anzahl Porträte hervorragen. Von großer Schönheit sind auch die Gemälde der Galerie zu Kassel (Meerstraten, Snyders und Frau, Lucas und Cornelis de Wael, Bildnisse eines Ehepaars u.a.). Eine besonders große Anzahl von Meisterwerken van Dycks sind in Wien, namentlich im Hofmuseum, Porträte sowohl als Historienbilder, worunter wir außer den schon genannten die heil. Magdalena und die herrlichen Porträte der Prinzen Ruprecht und Karl Ludwig, Moncadas, des Feldherrn in goldverzierter Rüstung (beide ersten Ranges) und das einer schwarz gekleideten Dame hervorheben. Unter den zahlreichen Bildern der Liechtenstein-Galerie ist das Bildnis der Maria Luise de Tassis das ausgezeichnetste. Im Louvre ragt vor allem das Reiterbild des Marquis de Moncada durch großartige Auffassung hervor und dasjenige Karls I. auf der Jagd. Zahlreich sind auch van Dycks Werke in Italien, worunter die zu Genua und die Kinder Karls I., in Turin, die hervorragendsten sind. Noch weit bedeutender ist die Anzahl der Bilder van Dycks in England. Wir nennen nur: das Bildnis van der Geests, in der Nationalgalerie, die Venetia Digby, Karl I. mit seinem Stallmeister, die fünf Kinder Karls I., die Söhne des Herzogs von Buckingham, alle in Windsor Castle, sowie das Bildnis des Malers Snyders, in Howard Castle. Selbstbildnisse van Dycks befinden sich in den Uffizien zu Florenz, in London und in Madrid (hier zusammen mit dem Kammerherrn König Karls I. Endymion Porter). Geistreich und von freiester Behandlung sind auch van Dycks Radierungen, die zumeist Porträte darstellen; sie kommen selten vor und erscheinen zum großen Teil von andern Kupferstechern in spätern Abdrücken überarbeitet. Überaus zahlreich sind die Stiche, die nach Dycks Werken existieren; namentlich bemühten sich die großen niederländischen Stecher Schelte a Bolswert, Vorsterman, P. de Jode, Pontius, Vermeulen, Neefs u.a., dann Bartolozzi, Strange, W. Hollar etc., seine Werke wiederzugeben. Van D. selbst ließ eine Sammlung seiner Porträte erscheinen, wozu er elf eigenhändig radierte, während die andern von den besten Stechern Antwerpens ausgeführt wurden; das Werk erschien zuerst von 1632 an bei M. van den Enden in 84 Blättern, dann 1645 bei Gillis Hendricx, der die Zahl der Blätter auf 100 brachte, u. d. T: »Icones principum, virorum doctorum etc. numero centum ab Antonio van D. pictore ad vivum expressae ejusque sumptibus aeri incisae«. Es erschien später noch in verschiedenen Auflagen und ist unter dem Namen »Ikonographie van Dycks« bekannt. Vgl. Guiffrey, Antoine van D., sa vie et son œuvre (Par. 1882, Prachtwerk); F. Wibiral, L'iconographie d'Antoine van D. d'après les recherches de H. Weber (Leipz. 1877); Lemcke in Dohmes »Kunst und Künstler« (das. 1876); Knackfuß, A. van D. (Bielef. 1896); Cust, A. van D.; an historical study of his life and works (Lond. 1900); Derselbe, A description of the sketch-book of sir Anthony van D. (das. 1902); P. de Mont, Anton van D. als Mensch und Künstler (deutsche Ausg. von Hebbel, Haarlem 1899–1900, Prachtwerk); Rooses, Antoine van D. (Par. 1901).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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