Determinismus

Determinismus

Determinismus (lat.), im allgemeinsten Sinne die metaphysische Lehre, nach der jeder einzelne Teil der Wirklichkeit von einem oder mehreren andern so abhängt, daß durch die letztern sein Dasein sowohl als seine Beschaffenheit vollständig bestimmt sind, so daß jener Teil weder an einem andern Punkte des Raumes, noch zu einer andern Zeit, noch mit andern Beschaffenheiten hätte existieren können, als an dem Punkte, zu der Zeit und mit den Beschaffenheiten, die er tatsächlich hat. Der D. leugnet also, daß irgend etwas in der Welt zufällig sein oder geschehen könne, und behauptet vielmehr, daß alles notwendig sei. Der tiefere Grund, weshalb jede wissenschaftliche Weltauffassung (insbes. die naturwissenschaftliche) zum D. hinneigt, liegt in der Natur unsers Denkens selbst, das nur dann eine vollständige Befriedigung findet, wenn es alle Tatsachen in einen Zusammenhang nach Grund und Folge, Ursache und Wirkung gebracht hat. Doch kann der D. verschiedene Formen annehmen und sich auf ein engeres oder weiteres Gebiet erstrecken. Der Naturforscher beschränkt sich auf die Voraussetzung, daß alle Vorgänge der körperlichen Natur durch materielle Ursachen notwendig bestimmt seien, ohne sich ein Urteil anzumaßen, warum die letzten Ursachen und die Gesetze ihres Wirkens se seien, wie sie sind, und nicht anders. Nach Spinoza dem Hauptbegründer des metaphysischen D., ist alles Seiende, sei es geistiger oder materieller Art, durch das Wesen des einheitlichen Weltgrundes (der absoluten Substanz) mit Notwendigkeit gesetzt. Leibniz schwächte diese Lehre dahin ab, daß bei der einmal gegebenen Verfassung der Welt alles Einzelne in derselben zwar (relativ) notwendig sei, daß aber der Schöpfer der Welt auch eine andre Verfassung hätte geben können, wodurch natürlich auch der ganze Lauf derselben ein andrer geworden wäre. In der kirchlichen Philosophie ist der D. in der Form der Prädestinationslehre (s. Prädestination) aufgetreten. Den Haupteinwand gegen den D. hat man zu allen Zeiten darauf begründet, daß derselbe in folgerechter Anwendung die Freiheit des menschlichen Willens leugnen müsse, denn wenn alles in der Welt notwendig bedingt sei, so müßten es auch unsre Willensentschlüsse sein, dies aber widerspreche unserm tatsächlichen Freiheitsbewußtsein, überdem werde durch den D. die Verantwortlichkeit des Menschen, also die Grundlage det Sittlichkeit, aufgehoben. Ob indes die entgegengesetzte Lehre des Indeterminismus (s.d.) den Forderungen der Ethik besser entspricht, ist sehr fraglich. Vgl. Freiheit.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Determinismus — Determinismus, System od. Weltansicht, wonach Alles, was in der Welt geschieht, also auch alle menschlichen Handlungen, durch eine äußere od. innere Nothwendigkeit des Causalnexus aller Dinge bestimmt wird. Der D. ist ein fatalistischer, wenn er… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Determinismus — (lat.), Bestimmungs , Notwendigkeitslehre, nach welcher der menschliche Wille nicht sich selbst seine Richtung gibt, sondern sie von einer äußern Ursache empfängt; Gegensatz Indeterminismus, welcher die vollständige Freiheit des Willens behauptet …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Determinismus — Determinismus, in der Moralphilosophie diejenige Ansicht, nach welcher der menschliche Wille sich nicht selbst seine Richtung gibt, sondern dieselbe von einer äußern Ursache empfängt; consequent durchgeführt kann neben dem D. die Willensfreiheit… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Determinismus — Der Determinismus (lat. determinare „abgrenzen“, „bestimmen“) ist die Auffassung, dass zukünftige Ereignisse durch Vorbedingungen eindeutig festgelegt sind. Die Gegenthese (Indeterminismus) vertritt, dass es überhaupt oder in einem bestimmten… …   Deutsch Wikipedia

  • Determinismus — Vorherbestimmung; Vorbestimmung * * * De|ter|mi|nịs|mus 〈m.; ; unz.; Philos.〉 Lehre, dass der menschl. Wille von äußeren Ursachen bestimmt u. daher nicht frei sei; Ggs Indeterminismus [zu lat. determinare „begrenzen, bestimmen“] * * *… …   Universal-Lexikon

  • Determinismus —    , Determination    (lat. die Lehre von der ”determinatio “ = Abgrenzung, Festlegung). In deterministischer Sicht sind die Bewegungen des menschlichen Willens nicht frei im Sinn der Wahlfreiheit (Freiheit), sondern im voraus zu dieser Freiheit… …   Neues Theologisches Wörterbuch

  • Determinismus (Begriffsklärung) — Determinismus steht für: eine philosophische Denkrichtung, siehe Determinismus speziell in der Technik, siehe Technikdeterminismus einen Begriff in der Theoretischen Informatik, siehe Determinismus (Algorithmus). einen Begriff aus der Linguistik …   Deutsch Wikipedia

  • Determinismus (Algorithmus) — Ein deterministischer Algorithmus oder auch determinierter Algorithmus ist ein Algorithmus, bei dem nur definierte und reproduzierbare Zustände auftreten. Anders gesprochen heißt das, auf eine Anweisung im Algorithmus folgt unter den gleichen… …   Deutsch Wikipedia

  • Determinismus — De|ter|mi|nịs|mus 〈m.; Gen.: ; Pl.: unz.; Philos.〉 Lehre, dass der menschl. Wille von äußeren Ursachen bestimmt u. daher nicht frei sei; Ggs.: Indeterminismus [Etym.: <lat. determinare »begrenzen, bestimmen«] …   Lexikalische Deutsches Wörterbuch

  • Determinismus — ⇡ Freiheit …   Lexikon der Economics

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”