Schaugebilde

Schaugebilde

Entsprechend ihrer biologischen Bedeutung bei der Pollenübertragung und der Samenverbreitung finden sich Schaugebilde vorzugsweise bei den Blütenpflanzen. Auf sie allein kann auch die Einteilung der Schaugebilde in florale und extraflorale und in Fruchtschaugebilde Anwendung finden. Der Zahl nach überwiegen die floralen Schauausrüstungen bei weitem, ja man kann direkt die Blumen, d.h. die größern und auffälligen Blüten, als Schaugebilde an sich bezeichnen. Es finden sich aber insofern bei den Blumen wesentliche Unterschiede, als die Organkreise der Blüte im einzelnen Fall in verschiedenem Maß an der Ausbildung des Schauapparates beteiligt sind. Fälle, in denen der Kelch, also der äußerste Blattwirtel, als Schauapparat wirkt, finden wir z.B. bei Caltha-, Anemone-, Helleborus-, Aquilegia- und Delphinium-Arten, bei denen die Blumenblätter fehlen oder weniger auffallende, zur Honigabsonderung bestimmte Gebilde darstellen, der Kelch aber schön gefärbt ist. Bei der im Malaiischen Archipel überall häufigen Rubiazee Mussaenda frondosa entwickelt sich in jedem fünfblütigen Blütenstand an zwei gegenüberstehenden Blüten je eines der fünf sonst unscheinbaren Kelchblätter zu einer mehrere Zentimeter breiten, porzellanweißen, gestielten Scheibe, die wie ein weißer Schmetterling aus dem Urwalddickicht hervorleuchtet. Bei vielen Pflanzen, namentlich aus der Abteilung der Monokotyledonen, wirken alle Blätter der Blütenhülle in gleichartiger Ausbildung zusammen als Schaugebilde, namentlich in farbenprächtiger Entwickelung bei Lilien, Tulpen, Kaiserkronen, Narzissen, Krokus, Amaryllis etc. Dasselbe kommt aber auch bei vielen Dikotyledonen vor, z.B. bei den Fuchsien, manchen Gesneriazeen (namentlich Alloplectus peltatus [Fig. 13] mit feuerrotem Kelch und weißgelber Krone) und manchen Rubiazeen. Warscewiczia coccinea (Fig. 12) wird durch einen einzelnen großen, scharlachroten Kelchzipfel zu einem der auffälligsten Gewächse Westindiens. In den Blüten mancher polyandrischen Pflanzen, wie z.B. bei der bei uns vielfach als Zierpflanze gezogenen Hauslinde, Sparmannia africana, nehmen auch die Staubblätter an der Ausbildung des Schauapparates einen wesentlichen Anteil. Bei vielen Myrtazeen, Mimoseen und Kapparidazeen trockner Gegenden, namentlich bei den Gattungen Eucalyptus, Melaleuca, Acacia und Callistemon (Fig. 8), aber auch bei den einheimischen Thalictrum-Arten überlassen die unscheinbaren oder hinfälligen Blumenblätter das Anlockungsgeschäft ganz den buschigen und lebhaft gefärbten Staubfäden. Manchmal entwickelt sich auch ein Teil der Staubblätter blumenblattartig, wie bei einigen Kommelinazeen und noch auffälliger bei den häufig in Gärten gezogenen Canna-Arten, vor allem aber in den weiblichen Blüten der Pandanazeen und Cyklanthazeen, wo bei der Gattung Carludovica die Staminodien zu langen, farbigen Fäden auswachsen. Zu den Schaugebilden der Blüten gehören auch die Saftmale (s. Nektarien und Blütenbestäubung), z.B. bei Digitalis purpurea (Fig. 2) die dunkeln, weiß umsäumten Flecke im Innern der Krone; sie erleiden bisweilen während des Blühens einen merkwürdigen Farbenwechsel, wie z.B. bei Arnebia echioides aus Schwarzviolett in Gelb, bei Aesculus Hippocastanum (Fig. 4) aus Gelb in Rot. Der letzte hierher gehörige Fall, in welchem die Narben und andre Teile des Fruchtknotens blumenblattartig erscheinen, wird besonders schön durch die Schwertlilienarten unsrer Gärten vorgeführt, deren Griffel mit drei großen blumenblattartigen Narbenlappen gekrönt ist. Einen besondern Fall stellt die Zusammendrängung vieler kleinerer Blüten zu strauß-, dolden-, kopf- und traubenförmigen Blütenständen dar, die in ihrer Verbindung natürlich weiter sichtbar sind, als wenn sie einzeln und halbversteckt in den Blattachsen stünden, und dabei widmen sich häufig die Randblüten der Blütenverbände, indem sie strahlen- oder zungenförmig auswachsen, zugleich aber unfruchtbar werden, ausschließlich dem Anlockungsgeschäft, wie bei vielen Umbelliferen, Kaprifoliazeen, Saxifrageen u.a. Auf die Spitze getrieben, erscheint dieses Prinzip bei den Dipsazeen und Kompositen, bei denen durch Vereinigung vieler zusammengedrängter kleinerer Blüten innerhalb eines gemeinsamen kelchartigen Teiles (Hüllkelch) eine scheinbar einfache Blume höherer Ordnung entsteht, deren Randblüten (Strahl- oder Zungenblüten) zu flachen Blättern auswachsen und oft auch in der Farbe zu den meist gelben, innern Scheibenblüten wirksame Gegensätze bilden, wie bei Maßliebe, Astern, Zinnien, Georginen, in ähnlicher Weise auch bei der schön rosenroten Rhodoleia Championi (Hamamelidazeen, Fig. 9) u.a. Zuweilen treten die zusammengesetzten Blumen kleinerer Art nochmals(wie einfache Blumen) zu Dolden und Sträußen zusammen; manchmal, wie beim Edelweiß, beteiligen sich auch die Hüllblätter an der Schaufärbung. Ein Seitenstück hierzu bildet das Blühen vor dem Erscheinen oder nach dem Abfall der Blätter, wodurch ein ganzer Baum zu einem riesigen, weithin leuchtenden Blumenstrauß wird, wie unsre Obstbäume aus der Familie der Rosazeen, namentlich aber viele tropische Leguminosen und vor allen die Korallenbäume (Erythrina-Arten), deren von Insekten und Kolibris umschwärmte Wipfel in scharlachroter Blütenpracht strahlen. Bei manchen tropischen Bäumen teilen sich die Astsysteme nach den Himmelsrichtungen in die Blütenzusammendrängung, indem z.B. bei Mangifera indica und Eriodendron anfractuosum erst die eine Wipfelseite die Blätter verliert und Blüten treibt und dann die andre. Hierher gehören zum Teil auch die Stammblütler, die, wie der Judasbaum (Cercis Siliquastrum), ihre Blüten an sehr auffälliger Stelle aus dem Stamm und altem Holz hervortreiben.

Zu den extrafloralen Schaugebilden, d.h. den außerhalb der Blüte, aber in deren Nähe befindlichen, lebhaft gefärbten Hochblättern gehören in unsrer Flora die schön purpurrot, violett oder blau gefärbten Blütentragblätter der Melampyrum-Arten (Fig. 10), die an der Spitze des Stengels einen lebhaft gefärbten und oft mit der Blütenfarbe in Kontrast stehenden Schopf bilden. Ähnliche Beispiele liefern verschiedene Salbei-Arten, namentlich die in den Gärten häufig gezogene Salvia sclarea (Fig. 14). Bei den Arazeen haben die großen, kahn- oder dütenförmigen Hüllblätter oft die Gestalt einer schneeweißen (bei der Calla, Richardia aethiopica), gelben oder siegellackrot (bei Anthurium Scherzerianum) gefärbten Flagge; bei manchen Arum-Arten ist Hülle und Kolbengipfel trüb rot, wie faules Fleisch gefärbt und lockt Aasfliegen an. Ähnliche lebhaft gefärbte Hochblätter haben in den Tropen Pandanen, Bananen, Helikonien und namentlich Bromeliazeen (z.B. Vriesea Wittmackiana, Fig. 7), bei denen sich außerdem oft am Gipfel des Blütenstandes ein brennendroter oder auch mehrfarbiger Blätterschopf wie eine Eiesenblüte erhebt. Manchmal werden diese Blätter wieder grün und nehmen am Assimilationsgeschäft teil, nachdem ihre Funktion als Schaugebilde mit der Blütezeit erfüllt und nach derselben überflüssig geworden ist. Bei den Bougainvillea-Arten (Fig. 6) sind die unscheinbaren Blüten mit großen, oft herrlich rosenroten Hüllblättern versehen. Bei den Marcgraviazeen (s.d.) wandeln sich die meist lebhaft gefärbten Brakteen oft noch außerdem in Honigbehälter um. Den schönsten Anblick gewähren die Hochblätter, wenn sie sich zu einem lebhaft gefärbten Stern, einer Hülle oder Straußmanschette um die Einzelblüte oder den Blütenstand zusammenfügen. Das beste Beispiel gibt die häufig bei uns gezogene Euphorbia (Poinsettia) pulcherrima, eine mexikanische Euphorbiazee, deren unscheinbare gelbgrüne Blüten von einem handgroßen, zinnoberroten Hüllblätterstern umgeben sind. Auch bei vielen andern Arten der Gattung Euphorbia, z.B. bei E. splendens (Fig. 11), sind kleinere rote Hochblätter vorhanden. Einen stahlblauen Hüllenstern von ansehnlicher Größe besitzt das von den Alpenbewohnern häufig als Hutschmuck getragene Eryngium alpinum (Fig. 3), und auch das Edelweiß wird von einem Stern schneeweißer Hochblätter umgeben. Ähnliche schön blau oder rot gefärbte Hüllen aus einem oder zwei Blattpaaren besitzen mehrere Rubiazeen wärmerer Länder, wie Cephaëlis tomentosa und C. Swartzii; im erstern Fall ist das äußere große, zu einem Becher zusammenwachsende Blattpaar leuchtend rot, das innere kleinere zitronengelb gefärbt wie die Blüten. Manchmal sind auch die Blütenstiele, mitunter alle oberirdischen Teile der Pflanzen lebhaft gefärbt. Dies gilt namentlich von Schmarotzergewächsen, die von andern Pflanzen zehren und daher keiner grünen, assimilierenden Blätter bedürfen. Hierher gehören die in Stengel, Blattschuppen und Blüten gelb, rot, blau und violett gefärbten Orobanchen, der prächtig safrangelb gefärbte Cytinus Hypocistus und das fleischige, dunkel braunrote Cynomorium coccineum der Mittelmeer länder sowie viele andre Balanophorazeen, Rafflesiazeen und ähnliche Schmarotzer.

Bei den Früchten treten die Schaugebilde als lebhaft gelb, scharlachrot oder blau gefärbte Fruchthaut bei allen solchen Arten auf, die von den tierischen Verzehrern des Fruchtfleisches Verbreitung der schwerverdaulichen Samen erwarten können, während Früchte mit eßbaren Samen, wie Walnüsse, Mandeln, Maronen etc., grün bleiben; außerdem finden sich farbige Fruchthüllen, die aus fleischig werdenden andern Blumenteilen, wie dem Blütenboden, dem Perigon etc., hervorgegangen sind. Mitunter erscheinen die Früchte nach dem freiwilligen Aufbrechen selbst blumenartig, wie die rosenrote, vierklappige Kapsel von Evonymus europaea (Fig. 5) mit den dottergelben Samen darin, das sogen. Rotkehlchenbrot, und ähnlich verhalten sich die Früchte mancher brasilischer Clusia-Arten, die einen weißen, fünfstrahligen Stern mit ebenso vielen mennigroten Samen darstellen. Überhaupt gehören alle diejenigen Früchte, die sich freiwillig öffnen und auffallend gefärbte Samen zeigen, wie die Erythrina-Arten, Abrus precatorius (Fig. 1), Adenanthera, die Muskatnuß mit dem roten Samenmantel etc., hierher.


Schaugebilde.
Schaugebilde.

http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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