Swift

Swift

Swift, Jonathan, polit. Satiriker der Engländer, geb. 30. Nov. 1667 in Dublin, gest. 19. Okt. 1745, zeigte bereits als Knabe jene selbstgenügsame Skeptik, die ihn als Mann charakterisierte und zu einer der seltsamsten literarischen Erscheinungen machte. Er besuchte die Schule in Kilkenny, studierte seit 1682 im Trinity College zu Dublin und ward 1688 Sekretär des Staatsmannes Sir William Temple zu Moor Park in Surrey. Für ihn schrieb er 1697 ein Pamphlet gegen den Philologen Bentley, »Battle of the books«, worin er in Art des Homerischen Froschmäusekrieges den Kampf der Alten gegen die Modernen parodierte. Als Temple 1699 starb, gab S. dessen politische Schriften heraus und ging dann, da ihm der König kein Staatsamt geben wollte, als Kaplan des Earl Berkeley, Vizekönigs von Irland, dorthin zurück. Seine Pfarrstelle in Laracor brachte ihm 400 Pfd. Sterl. jährlich ein. Wie er über die Streitigkeiten der christlichen Kirchen untereinander, speziell der Katholiken, Hochkirchler und Dissenters dachte, zeigt sein berühmtes Pamphlet »Tale of a tub« (d. h. Unsinnsgeschichte) 1704; alle drei, genannt Peter, Martin und Jack, haben sich den Urgeist des Christentums in Eitelkeit und Selbstsucht entfremdet. S. war jetzt der gefürchtetste Pamphletist seiner Zeit. Als solcher machte er auf Besuchen in England die Bekanntschaft der damals regierenden Whigführer. 1710 unterhandelte S. im Auftrag des Erzbischofs King, Primas von Irland, über die Abschaffung der seitens der Iren an die englische Regierung zu zahlenden Zehnten, und seine Bemühungen waren so erfolgreich, daß er bei der Rückkehr nach Irland mit Glockengeläute empfangen wurde. Indes sehnte er sich dauernd nach England, um dem Herde der hohen Politik näher zu sein, und da die Whigs seinen höchsten Wunsch, ein Bistum, ihm nicht gewähren konnten, machte er sich kein Gewissen daraus, zu den inzwischen herrschend gewordenen Tories überzugehen und seine frühern Parteigenossen mit noch heftigerer Satire zu befehden als zuvor die Tories. Die Minister schlugen ihn auch der Königin vor, diese konnte sich jedoch nicht entschließen, dem Verfasser der »Tale of a tub« ein so hohes Kirchenamt anzuvertrauen; S. wurde zu seiner bittern Enttäuschung nur mit dem Dekanat von St. Patrick in Dublin bedacht. Während seines nun dauernden Aufenthalts in Irland (1714–26) gewann er dort große Beliebtheit und übte zugleich an der Regierung Rache, indem er in den »Drapier's letters« (»Tuchhändlerbriefe«, 1723) gegen die englischen Minister die stiefmütterliche Behandlung des unglücklichen Landes darlegte. Zum unbefriedigten Ehrgeiz kam um jene Zeit der tragische Ausgang einer Doppelliebe. S. hatte längst ein inniges brüderliches Verhältnis mit Esther Johnson (von ihm Stella genannt), die er in Sir William Temples Haus hatte kennen lernen (vgl. sein »Journal to Stella«; deutsch, Berl. 1866). Später faßte er eine leidenschaftliche Neigung zu einer andern jungen Dame in London, der geistvollen Esther van Homrigh (Vanessa), der er aber sein Verhältnis zu Stella nicht zu gestehen wagte. Er winkte ihr nur in einem allegorischen Gedicht ab. Vanessa folgte ihm, da ihre Mutter eben starb, nach Irland, wo ein Brief von ihr an Stella die Entdeckung herbeiführte. Vanessa starb vor Gram (1723) und einige Jahre später (1728) auch Stella, mit der sich S. kurz vorher noch heimlich hatte trauen lassen, doch ohne sie je anders als in Gegenwart Dritter zu sehen. Inzwischen war S. mit der Abfassung seines berühmtesten Werkes: »Travels of Gulliver«, beschäftigt, das 1726 erschien und allgemein die höchste Bewunderung erregte, auch in alle zivilisierten Sprachen übersetzt wurde. Es enthält in einfacher und natürlicher Sprache, in ernsthafter und anscheinend ganz realistischer Schilderung Satiren auf die Kleinlichkeit des dynastischen und politischen Getriebes (1. Buch, bei den daumengroßen Lilliputanern), auf die Ungeschlachtheit der gebildet und höfisch genannten Menschheit (2. Buch, bei den riesengroßen Brobdignags), auf das zerstreute, unpraktische Wesen der Gelehrten (3. Buch), endlich auf die ganze Menschheit, die ihm im Vergleich zu den Pferden einen physischen Ekel einflößt (4. Buch). Trotz dieser sarkastischen Tendenz ist das Buch in seinen fabulistischen Partien ein beliebtes Kindermärchen geworden. In den letzten Jahren sank S. in Geistesstörung; begraben wurde er in seiner Dechantkirche St. Patrick zu Dublin. Seine Werke wurden herausgegeben von Hawkesworth (Lond. 1755,14 Quartbände; Oktavausgabe in 24 Bänden), Sheridan (das. 1784, 17 Bde.), Walter Scott (mit Biographie, das. 1814, 19 Bde.; neue Ausg. 1883, 10 Bde.), Roscoe (das. 1853, 2 Bde.), Purves (das. 1868), Temple Scott (1897–1902, 10 Bde.). Sein Briefwechsel erschien in 3 Bänden (Lond. 1766) und in Auswahl von Lane-Poole (das. 1885); dazu »Unpublished letters«, herausgegeben von G. B. Hill (1899). Eine Übersetzung der humoristischen Werke lieferte Kottenkamp (Stuttg. 1844, 3 Bde.). Aussprüche von S. sammelte Regis (»Swiftbüchlein«, biographisch-chronologisch geordnet, Berl. 1847). Sein Leben beschrieben S. Johnson, Sheridan (Dubl. 1787), Forster (unvollendet; Bd. 1, bis 1711 reichend, Lond. 1875), H. Craik (das. 1882; 2. Aufl. 1894, 2 Bde.), Stephen (das. 1882), Moriarty (1892, 2. Aufl. 1901), J. C. Collins (1893, 2. Aufl. 1902), P. M. SimonSwift, étude psychologique et littéraire«, Par. 1893). Über die Quellen zum »Gulliver« handelt Borkowsky (Rostock 1893).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем решить контрольную работу

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • SWIFT (J.) — Jonathan Swift, le docteur Swift, doyen de St. Patrick (Irlande), l’amant de Stella, l’auteur des Voyages de Gulliver : voilà, dans la mémoire populaire, un écrivain anglais pour les grands et les petits, mais aussi, pour le critique, le plus… …   Encyclopédie Universelle

  • Swift — bezeichnet: Suzuki Swift, Kleinwagen von Suzuki Swift (Satellit), Forschungssatellit der NASA Swift (Fluss), ein Fluss in England Swift (Band), amerikanische Metal Band Swift (HSV 2), Hochgeschwindigkeits Katamaran der US Navy Swift… …   Deutsch Wikipedia

  • SWIFT — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. {{{image}}}   Sigles d une seule lettre   Sigles de deux lettres   Sigles de trois lettres …   Wikipédia en Français

  • swift´ly — swift «swihft», adjective, adverb, noun. –adj. 1. moving very fast; able to move very fast: »a swift horse, a swift automobile. SYNONYM(S): fleet, speedy, rapid. 2. made or done at high speed; quick: »a swift pace, the swift clicking of the… …   Useful english dictionary

  • Swift S-1 — Role Aerobatic glider Manufacturer Swift Ltd. Designer …   Wikipedia

  • SWIFT — (Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunications) сообщество всемирных межбанковских финансовых телекоммуникаций. Создано в 1973 году с целью телекоммуникационного обслуживания банков участников сообщества на рынке платежей, а также… …   Банковская энциклопедия

  • Swift — (sw[i^]ft), a. [Compar. {Swifter} (sw[i^]ft [ e]r); superl. {Swiftest}.] [AS. swift; akin to sw[=a]pan to sweep, swipu a whip; cf. sw[=i]fan to move quickly, to revolve. See {Swoop}, v. i., and cf. {Swivel}, {Squib}.] 1. Moving a great distance… …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Swift — Swift, n. 1. The current of a stream. [R.] Walton. [1913 Webster] 2. (Zo[ o]l.) Any one of numerous species of small, long winged, insectivorous birds of the family {Micropodid[ae]}. In form and habits the swifts resemble swallows, but they are… …   The Collaborative International Dictionary of English

  • Swift S1 — Swift S 1 Typ …   Deutsch Wikipedia

  • Swift — /swift/, n. 1. Gustavus Franklin, 1839 1903, U.S. meat packer. 2. Jonathan ( Isaac Bickerstaff ), 1667 1745, English satirist and clergyman, born in Ireland. * * * Any of about 75 species (family Apodidae) of birds found almost worldwide. The… …   Universalium

  • Swift S-1 — Swift S 1 …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”