Skrofeln

Skrofeln

Skrofeln (Skrofulose, Drüsenkrankheit), eine Gruppe von Krankheitserscheinungen, die fast ausschließlich in den Jugendjahren sich findet und in Gestalt chronischer Entzündungen und Eiterungen vorwiegend die Lymphdrüsen, die Haut und die Schleimhäute (Rachen-, Kehlkopf- und Luftröhrenkatarrhe) befällt. Diese Erscheinungen werden von ähnlichen, nicht skrofulösen Affektionen unterschieden durch ihre Hartnäckigkeit, ihre Neigung zu häufiger Wiederkehr und ihre gleichzeitige oder abwechselnde Ausbreitung an verschiedenen Stellen des Körpers. Besonders auffallend sind die Anschwellungen der Halslymphdrüsen, die bei starker Entwickelung den Hals so sehr verdicken und verunstalten, daß eine Ähnlichkeit mit dem gedrungenen Hals eines Schweines entsteht; hiervon soll sich der Name der S. ableiten (scropha, griech., »junges Schwein«). Skrofulöse Kinder zeichnen sich durch Neigung zu Erkrankungen, durch geringe Widerstandsfähigkeit und ganz besonders durch eine Disposition für die Tuberkulose aus.

Angeborne Skrofulose findet sich namentlich bei Kindern skrofulöser, tuberkulöser und syphilitischer Eltern. Indes kommen S. oft genug bei Kindern vor, bei deren Eltern keins der angeführten Momente zutrifft. Erworbene Skrofulose entwickelt sich besonders in den ersten Lebensjahren bei unzweckmäßiger Ernährung, bei künstlich aufgefütterten Kindern, bei Mangel an zweckmäßiger Körperbewegung und bei Entbehrung der frischen Luft, d. h. besonders bei Kindern, deren Eltern in schlechten, dumpfen, feuchten (besonders Keller-) Wohnungen leben. Die skrofulöse Kachexie verrät sich durch den eigentümlichen skrofulösen Habitus. Dieser ist charakterisiert durch Blutmangel, und nicht selten durch Anhäufung von schlaffem Fettgewebe an gewissen Körperteilen; in andern Fällen zeigen Muskeln und Unterhautfettgewebe eine mangelhafte Entwickelung, bei zarter, leicht sich rötender durchscheinender Haut. Hiernach unterscheidet man eine torpide und eine erethische Form. Bei torpider Skrofulose finden sich ein ungewöhnlich großer Kopf, grobe Gesichtszüge, aufgeschwollene Nase und Oberlippe, aufgetriebener Bauch, Drüsenanschwellungen am Hals, dünne, schlaffe, kraftlose Muskulatur der Gliedmaßen. Der Habitus bei erethischer Skrofulose besteht in auffallend weißer, dünner, sich leicht rötender Haut, hoher Röte der Lippen und Wangen, blauer Färbung der sonst milchweißen Augapfelhaut (Sklera), zartem, schwächlichem Bau des ganzen Körpers. Auf dem Boden der skrofulösen Krankheitsdisposition entwickeln sich vor allem die erwähnten Lymphdrüsenschwellungen, namentlich am Hals, am Nacken, an den Unterkieferwinkeln. Die schmerzlose Schwellung kann, oft nach langem Verharren in diesem Zustand, in Erweichung und Eiterung übergehen und manchmal mit Durchbruch nach außen durch die Haut enden. Oft verschmelzen mehrere geschwollene Lymphdrüsen und ihre Umgebung zu großen, mit der Haut und der Umgebung fest verbackenen, in der Mitte langsam erweichenden Drüsenpaketen. Den Drüsenschwellungen gehen häufig Hautaffektionen verschiedener Art voraus, namentlich hartnäckige, nässende und schuppende Ekzeme am behaarten Kopf und im Gesicht, daneben kommen auch Knötchenflechte und andre Hautaffektionen vor. Von den chronischen katarrhalischen Prozessen ist am häufigsten der Nasenkatarrh. Hierbei erzeugt die beständige Befeuchtung der Oberlippe durch Nasenschleim meist ekzemartige Entzündung mit folgender wulstiger Verdickung. Katarrhalische Entzündungen befallen ferner das Mittelohr, die Bronchien, die Scheide (Weißer Fluß), die Augenbindehaut. Oft sind die Augenlidränder gerötet und verdickt (Blepharitis), die Hornhaut ist entzündet und neigt zu Geschwürbildung (Phlyktäne). An den Knochen und Gelenken verursacht die Skrofulose langsam verlaufende Eiterungen, die teils an der Knochenhaut, teils in der Knochensubstanz spielen und meist zu chronischer Karies (Knochenfraß) führen. Die Skrofulose wird als langsam verlaufende Tuberkulose angesehen, und namentlich die Schwellung der Drüsen und die Knochenerkrankungen werden als tuberkulöse Prozesse betrachtet. Jedoch sind Skrofulose und Tuberkulose nicht gleichbedeutend, sondern nur durch lockere Beziehungen miteinander verbunden. Die Behandlung der S. bezweckt Hebung des allgemeinen Ernährungszustandes durch kräftige Fleischnahrung, frische Luft, Aufenthalt in trockenen Wohnräumen, Lebertran und Solbäder. Zur Verabreichung von Sol- und Seebädern sind besonders die zahlreichen, gut eingerichteten Kindersanatorien an der See und im Binnenland sehr wertvoll. Eine nützliche Kräftigung und Anregung der Haut wird durch lange fortgesetzte tägliche Einreibung großer Hautbezirke mit Schmierseife erzielt. Sobald sich tuberkulöse Erkrankungen zeigen, erfordern diese die entsprechende allgemeine oder auch, wenn es sich um örtliche Tuberkulose handelt, die entsprechende örtliche chirurgische Behandlung, wie Entfernung der Drüsen, Entfernung des erkrankten Gewebes aus den Gelenken etc. Vgl. Waldenburg, Die Tuberkulose, die Lungenschwindsucht und Skrofulose (Berl. 1869); Hueter, Die Skrofulose und ihre lokale Behandlung (Leipz. 1873); Cornet, Die Skrofulose in Nothnagels »Spezieller Pathologie und Therapie« (Wien 1900); Biedert, Behandlung der Skrofulose, in Penzoldt-Stintzings »Handbuch der Therapie«, Bd. 2 (3. Aufl., Jena 1902).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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