Seehandlung

Seehandlung

Seehandlung (Seehandlungsgesellschaft, früher eigentlich »Generaldirektion der Seehandlungssozietät«, jetzt »Königliche Seehandlung [Preußische Staatsbank]«), das Geld- und Bankinstitut des preußischen Staates, durch ein Privilegium vom 14. Okt. 1772 zur Belebung des Außenhandels als Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 1,200,000 Tlr. in Aktien zu 500 Tlr. gegründet. Die Gesellschaft erhielt das ausschließliche Recht des Ankaufs von spanischem, englischem und französischem Salz, der Einfuhr desselben auf eignen Schiffen und des Verkaufs nach Polen und Litauen, des Ankaufs des aus Polen kommenden Wachses und der Ausfuhr desselben nach Spanien; ferner Zollfreiheit für das polnische Schiffbauholz, Begünstigungen für die Leinenausfuhr und geeignete Plätze in Stettin und andern Häfen zur Anlegung von Schiffswerften und Magazinen. 1775 wurde die ebenfalls 1772 gegründete privilegierte Seesalzhandlungsgesellschaft mit der S. verschmolzen. 1794 wurden die Geschäftsbefugnisse der S. bedeutend erweitert, das Wachsmonopol aber aufgehoben. Die Aktionäre erhielten ursprünglich eine Garantie auf 10 Proz. Gewinn, hatten aber kein Anrecht auf die Verwaltung, die vielmehr ausschließlich in den Händen einer vom Ministerium abhängigen Direktion stand. Die S. erhielt 1791 eine eigne Generaldirektion. 1794 wurde die Zinsgarantie für das um 300,000 Tlr. erhöhte Aktienkapital auf 5 Proz. herabgesetzt. Der Geschäftsertrag der S. war übrigens in dieser Zeit sehr gering. In schwere Verlegenheiten geriet sie 1806, als ihr der Staat die von ihm entliehenen 17,8 Mill. Tlr. nicht zurückzahlen und sie infolgedessen ihre Gläubiger nicht befriedigen konnte. 1810 wurden sowohl die Aktien als die Obligationen der S. in Staatsschuldscheine und damit die Gesellschaft in eine reine Staatsanstalt als besondere Abteilung des Finanzministeriums verwandelt. Sie betrieb den Salzhandel nur noch auftragsweise und besorgte gegen Kostenersatz und 1/3 Proz. Provision alle Geld- und Wechselgeschäfte für den Staat. Durch Kabinettsorder vom 17. Jan. 1820 wurde die S. als ein unabhängiges Geld- und Handelsinstitut des Staates mit unumschränkter Vollmacht und persönlicher Verantwortlichkeit des Chefs der Generaldirektion und mit Haftpflicht des Staates für ihre Verbindlichkeiten erklärt. Sie vermittelte Anleihen, baute Straßen, konvertierte staatliche und provinzielle Anleihen, beteiligte sich an industriellen Unternehmungen etc. Die letztern mußte sie freilich infolge der heftigen Angriffe der Großindustriellen allmählich bis auf einige wenige (Bromberger Mühlen und die Flachsgarnmaschinenspinnerei zu Landshut in Schlesien) wieder aufgeben, so daß sie sich heute fast ausschließlich auf das Geld-, Wechsel- und Effektengeschäft, also das Bankgeschäft, beschränkt. Seit 1848, in welchem Jahre sie wieder dem Finanzministerium unterstellt wurde, erhob man gegen ihren Fortbestand auch konstitutionelle Bedenken, und ihre Aufhebung im Abgeordnetenhaus wurde mehrfach in Anregung gebracht; für ihr Fortbestehen wurde seitens der Regierung wesentlich der Grund geltend gemacht, daß sie den Staatsbeamten Gelegenheit gebe, sich mit dem Bankgeschäft genau vertraut zu machen. Auch fällt der Umstand schwer ins Gewicht, daß sie dem Staate jährlich über 2 Mill. Mk. Einnahme zuführt. Der gesamte Buchumsatz der S. belief sich in den letzten Jahren auf ca. 5 Milliarden, der Reingewinn auf etwas über 21/2 Mill. Mk. oder 71/2 Proz. Das Grundkapital der S., ursprünglich 34,4 Mill. Mk., ist 1904 auf 99,4 Mill. Mk. erhöht worden. Derzeitiger Präsident der S. ist der Geheime Oberfinanzrat Havenstein. Vgl. Lexis, Artikel S. im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 6 (Jena 1901); Schubart, Die S. (in der »Brandenburgia« von 1895).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Seehandlung — Seehandlung, preuß. Handelsinstitut in Berlin, 1772 zur Förderung des überseeischen Handels gegründet und mit mannigfachen Privilegien ausgestattet; beschränkt sich jetzt fast ausschließlich auf Bankgeschäfte …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Seehandlung — Seehandlung, preuß. Gesellschaft, 1772 von Friedrich II. gegründet, mit dem Monopol des Handels mit Wachs u. Seesalz ausgestattet, sollte den überseeischen Handel Preußens fördern, leistete aber in dieser Richtung nichts. Die S. besteht noch fort …   Herders Conversations-Lexikon

  • Seehandlung — Die Stiftung Preußische Seehandlung ist eine 1983 gegründete, deutsche Stiftung mit Sitz in Berlin. Ihr Zweck ist die Förderung wissenschaftlicher Aufgaben, dazu gehört insbesondere die Förderung der Veröffentlichung hervorragender… …   Deutsch Wikipedia

  • Stiftung Preußische Seehandlung — Die Stiftung Preußische Seehandlung ist eine 1983 gegründete, deutsche Stiftung mit Sitz in Berlin. Ihr Zweck ist die Förderung wissenschaftlicher Aufgaben, dazu gehört insbesondere die Förderung der Veröffentlichung hervorragender… …   Deutsch Wikipedia

  • Preußische Seehandlung — Die Stiftung Preußische Seehandlung ist eine 1983 gegründete, deutsche Stiftung mit Sitz in Berlin. Ihr Zweck ist die Förderung wissenschaftlicher Aufgaben, dazu gehört insbesondere die Förderung der Veröffentlichung hervorragender… …   Deutsch Wikipedia

  • Preußische Staatsbank — Die Stiftung Preußische Seehandlung ist eine 1983 gegründete, deutsche Stiftung mit Sitz in Berlin. Ihr Zweck ist die Förderung wissenschaftlicher Aufgaben, dazu gehört insbesondere die Förderung der Veröffentlichung hervorragender… …   Deutsch Wikipedia

  • Berlin (Binnenschiff) — Nach der Stadt Berlin waren und sind zahlreiche Schiffe benannt. Siehe auch: Berlin (Kriegsschiff), Berlin (Funktionsschiff), Berlin (Passagierschiff) und Berlin (Handelsschiff) Inhaltsverzeichnis 1 Binnenpassagierschiff „Berlin“ von 1828 2… …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Rudolf Bitter — Rudolf (von) Bitter Hans Rudolf Bitter, ab 1880 von Bitter (* 8. Oktober 1811 in Schwedt/Oder; † 20. Mai 1880 in Berlin) war Präsident der königlich preußischen Seehandlung. Leben Er war der Sohn eines preußischen Finanzbeamten in Sc …   Deutsch Wikipedia

  • Hans Rudolf von Bitter — Rudolf (von) Bitter Hans Rudolf Bitter, ab 1880 von Bitter (* 8. Oktober 1811 in Schwedt/Oder; † 20. Mai 1880 in Berlin) war Präsident der königlich preußischen Seehandlung. Leben Er war der Sohn eines preußischen Finanzbeamten in Sc …   Deutsch Wikipedia

  • Preußen (Marine) — Preußische Seekriegsflagge seit 1816 Die Preußische Marine (offiziell: Königlich Preußische Marine) war die Seestreitkraft des Königreich Preußens. Sie entstand bei der Erhebung des Kurfürstentums Brandenburg zum Königreich Preußen 1701 aus der… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”