Rechtskraft

Rechtskraft

Rechtskraft (lat. Res judicata, franz. Chose jugée), die Unanfechtbarkeit eines gerichtlichen Urteils durch ein ordentliches Rechtsmittel (formelle R.) und infolge davon die Unabänderlichkeit dieses Urteils und des dadurch geschaffenen Rechtszustandes (materielle R.). Diese Unabänderlichkeit erstreckt sich so weit, als die Entscheidung der Sache erfolgt ist. Ist ein Rechtsmittel (s. d.) nicht mehr zulässig, so ist die Entscheidung rechtskräftig und die Zwangsvollstreckung (s. d.) zulässig, die allerdings auch auf Grund vorläufig vollstreckbarer Entscheidungen erfolgen kann. Die rechtskräftige Entscheidung begründet außerdem die Einrede der rechtskräftigen Entscheidung (exc. rei judicatae), die einer ungeachtet der Entscheidung erhobenen Klage entgegengesetzt werden darf. Rechtskräftigen Entscheidungen gegenüber ist nur eine »Wiederaufnahme des Verfahrens« (s. d.) zulässig. Nach der deutschen Zivilprozeßordnung (§ 322) sind Urteile nur insoweit der (materiellen) R. fähig, als darin (in der Urteilsformel) über einen durch die Klage oder Wiederklage erhobenen Anspruch entschieden ist. Hat der Beklagte die Aufrechnung (s. d.) einer Gegenforderung geltend gemacht, so ist die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der R. fähig. Ähnliche Bestimmungen enthält die österreichische Zivilprozeßordnung in § 411 (vgl. Rechtsmittel). Im Strafprozeß sind nur Urteile, die eine Verurteilung oder eine Freisprechung des Angeklagten aussprechen, der R. fähig. Sie erlangen diese, wenn die Frist zur Einwendung eines ordentlichen Rechtsmittels (Berufung, Revision) abgelaufen, oder wenn ein weiteres Rechtsmittel nicht mehr gegeben, also in letzter Instanz entschieden ist. Aber auch hier ist unter Umständen im Interesse der materiellen Wahrheit eine Wiederaufnahme des Verfahrens gestattet, und zwar nach der deutschen und ebenso nach der österreichischen Strafprozeßordnung nicht nur zugunsten eines verurteilten Angeschuldigten, sondern auch zu ungunsten eines Freigesprochenen, welch letzteres nach französischem und englischem Recht nicht der Fall ist (s. Wiederaufnahme des Verfahrens). Nach der Militärgerichtsordnung für das Deutsche Reich vom 1. Dez. 1898, § 419 ff., erlangen die im Feld oder an Bord ergangenen Urteile R. erst durch die Bestätigung, die der Kaiser oder der Kontingentsherr (s. d.) oder ein von diesem beauftragter Befehlshaber erteilt.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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