Pyramiden [1]

Pyramiden [1]

Pyramiden, Bezeichnung für Bauwerke nach ihrer Grundform (meist vier seitige Pyramide). Am bekanntesten sind die P. der alten Ägypter, die als Gräber von den Pharaonen, später auch von Privatleuten erbaut worden sind. Die Mehrzahl, ungefähr 80, liegt am Abhang der Libyschen Wüste auf der Westseite des Nils gegenüber Kairo und ist über eine etwa 30 km weite Strecke in mehreren Gruppen verteilt. Die nördlichsten davon standen bei Abu Roasch; dann folgt die berühmteste Gruppe bei Gizeh, ferner jene bei Sawiet el Arjân, Abusir, Sakkara, Dahschur, Lischt; weiter südwärts die Pyramide von Meidum. Ferner liegen im Fayum bei Illahûn und Hawâra mehrere P. Die Königspyramiden von Theben sind zerstört. Die südlichsten P. liegen in Nubien auf den Gräberfeldern von Napata und Meroë. S. die Karte »Umgebung von Kairo«. Die P. waren nur dazu bestimmt, die Leiche des Herrschers aufzunehmen; der Kultus für den Verstorbenen wurde in einem Heiligtum außerhalb der Pyramide vollzogen. Demgemäß ist die Form und Einrichtung der P. sehr einfach und im allgemeinen übereinstimmend. Sie enthalten nur die verhältnismäßig kleine Grabkammer, die entweder unterirdisch oder im Bauwerk selbst angelegt war, und den Gang, der zu dieser führte und auf dem der Sarg hineingeschafft wurde. Wo sich, wie z. B. bei den großen P. von Gizeh, im Innern mehrere Gänge und Kammern finden, verdanken diese entweder einer Änderung des ursprünglichen Bauplans oder spätern Umbauten ihre Entstehung. Die Form der P. als des charakteristischen Königsgrabes hat sich übrigens erst allmählich herausgebildet. Ursprünglich ist dieses eine Mastaba (s. d.) gewesen, ein aus Ziegeln errichtetes Gebäude mit rechteckiger Grundfläche und schrägen Wänden, in dessen (übrigens unzugänglichen) Innerem Räume für die Aufnahme der Königsleiche und der verschiedenen Beigaben angelegt waren. In der 3. Dynastie tritt an die Stelle der Mastaba die Stufenpyramide als Königsgrab, die aus mehreren übereinander gesetzten Stockwerken besteht. Wir kennen zwei davon: die Stufenpyramide von Sakkara, das Grabmal des Königs Zoser, und die Pyramide von Meidum, das Grab des Königs Snofru. Der letztere hat sich aber noch ein zweites Grab errichtet, die große Pyramide von Dahschur, und dieses ist das erste Grab in der eigentlichen Pyramidenform, der Typus für sämtliche P. der Folgezeit. Der 4. Dynastie gehören die P. von Gizeh an, die schon im Altertum zu den Wunderwerken der Welt gerechnet wurden (s. Tafel »Architektur I«, Fig. 1 u. 2). Von den drei großen P., die sich dort auf einem ausgedehnten Totenfelde neben kleinern P. und andern Gräbern erheben, ist die älteste und zugleich größte die des Cheops (Chufu), deren Basis 233 m im Geviert und deren senkrechte Höhe 146,5 m (jetzt noch über 137 m) mißt. Die zweitgrößte gehört dem Nachfolger des Cheops, dem König Chefren (Chefre), die dritte dem Mykerinos (Menkewre) an. Von den Herrschern der 5. Dynastie haben sich die meisten ihre P. bei Abusir errichtet; nur Tetf-Re erbaute sich die seine bei Abu Roasch; Onnos, der letzte König dieses Geschlechts, bei Sakkara. Bei diesem Dorfe liegen auch die Gräber der 6. Dynastie. Die Herrscher der 12. Dynastie haben ihre P. teils bei Dahschur und Lischt, teils im Fayum (die P. Senwosrets II. bei Illahun, die Amenemhets III. bei Hawara) erbaut. Die in Theben residierenden Herrscher der 13.–17. Dynastie haben sich dort ihre P. auf dem westlichen Nilufer erbaut. Thutmosis I. ist der erste Herrscher, der sich statt einer Pyramide ein Felsengrab anlegen ließ, und seinem Beispiele sind dann alle weitern Könige gefolgt. Erst die äthiopischen Könige der Spätzeit haben dann die alte Sitte wieder aufgenommen und Gräber in Pyramidenform, die freilich sich von der ältern durch einen steilern Winkel unterscheiden, ausgeführt. Eine besondere Form zeigt noch die sogen. Knickpyramide bei Dahschur, deren Erbauungszeit ungewiß ist; sie besteht aus Teilen mit verschiedenen Neigungswinkeln, so daß die Kanten geknickte Linien bilden. Seit dem Ende des alten Reiches haben auch die Vornehmen des Reiches die Sitte der Könige angenommen und sich kleine P. aus Ziegeln erbaut, die sich auf einem rechteckigen oder quadratischen Unterbau erhoben; die Sargkammer wurde im Mauerwerk ausgespart und an der Außenseite anstatt des bei den Königspyramiden üblichen Kulttempels meist nur ein einfacher Grabstein aufgestellt, an dem die Hinterbliebenen ihre Gebete verrichteten oder ihre Opfer darbrachten. – Die ältesten P. sind im Innern unbeschrieben; erst mit dem Ende der 5. Dynastie (Onnos-Pyramide von Sakkara) wurde es Sitte, die Innenräume mit religiösen Texten zu beschreiben. Das Mauerwerk der P. besteht in älterer Zeit aus behauenen Kalksteinblöcken, während sie außen mit bessern Quadern, teilweise auch mit Blöcken von sein poliertem Granit verkleidet waren; seit dem mittlern Reiche wurde ihr Bau aus ungebrannten Nilschlammziegeln ausgeführt und Steinblöcke nur zur Verkleidung der Außenflächen und der Innenräume verwendet. Die P. sind meist nicht von vornherein in den großen Dimensionen entworfen worden, wie sie jetzt noch vor uns stehen; vielmehr wurde der Bau erst in kleinerm Maßstabe begonnen, der dann von Königen, denen eine längere Regierungszeit beschert war oder reichere Mittel zur Verfügung standen, erweitert wurde; man vergrößerte dann entweder (z. B. bei der Stufenpyramide von Sakkara) das Gemäuer durch Anbauten ohne Änderung der Gänge und Kammern, oder wandelte das erste Projekt einschließlich der Kammern in ein größeres um (bei der Mykerinos-Pyramide); bisweilen (z. B. bei der Cheopspyramide) wurde sogar eine nochmalige zweite Vergrößerung des Entwurfs vorgenommen. – Nach dem Vorbilde der ägyptischen P. wurden später auch von den Römern und andern Völkern Grabmäler in Pyramidenform erbaut. So ist in Rom ein solches Grabmal des Gajus Cestius noch erhalten. Vgl. »Description de l'Egypte. Antiquités«, Bd. 5; Byse, The pyramids of Gizeh (Lond. 1839–42, 3 Bde.); Lepsius, Über den Bau der P. (in den »Monatsberichten der Berliner Akademie der Wissenschaften«, 1843); Petrie, The pyramids and temples of Gizeh (2. Aufl., Lond. 1885); Maspero, Ägyptische Kunstgeschichte (deutsch von Steindorff, Leipz. 1889); Baedekers »Ägypten« (6. Aufl., das. 1906).

Unter Schlacht bei den P. versteht man den Sieg Napoleon Bonapartes über den Mameluken-Bey Murad 21. Juli 1798; s. Ägyptische Expedition der Franzosen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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