Bakterīen

Bakterīen

Bakterīen (Bacteria, Schizomycetes, Spaltpilze), mikroskopisch kleine, einzellige Organismen mit Zellwand und Protoplasma, ohne typischen Zellkern und Chlorophyll, die sich durch direkte Zweiteilung vermehren. Die Bakterienzelle bildet eine Kugel oder ein kurzes oder längeres Stäbchen. Kugelförmige B. sind die Mikrokokken, Stäbchenbakterien werden Bazillen genannt, wenn sie schwach gekrümmt sind, Kommabazillen oder Spirillen. Manche B. tragen an ihrer Zellwand Geißelfäden (Cilien), vermittelst derer sie in Flüssigkeiten eine wimmelnde Bewegung ausführen können. Bei der Zweiteilung trennen sich die aus der Mutterzelle entstandenen Tochterzellen sogleich voneinander, oder sie bleiben noch einige Zeit durch die zur Schleimbildung neigende Zellwand verbunden und bilden dann kolonieartige Zellverbände von oft charakteristischem Aussehen. Mikrokokken, die, sich immer in der gleichen Richlung teilend, zu Kettenreihen verbunden bleiben, heißen Streptokokken, unregelmäßig traubenförmige Verbände heißen Staphylokokken, paketartige Zellgruppen, die aus regelmäßigen, zueinander senkrechten Teilungen nach den drei Richtungen des Raumes hervorgehen, heißen Sarcina. Die Stäbchenbakterien können zu geraden Fäden verbunden bleiben, oder sie bilden korkzieherartige Schraubenstäbe (Vibrionen, Spirillen, Spirochäten). Nicht selten vermehren sich B. an dem Ort ihres Vorkommens so massenhaft, daß größere, mit bloßem Auge sichtbare Ansammlungen entstehen, die durch die gallertartig verquellenden Zellhäute verbunden bleiben. Solche Ansammlungen (Zoogloea) treten als schleimig-salbenförmige Auflagerungen von verschiedener Gestalt und Färbung auf festen Unterlagen auf, oder sie bilden auf nährstoffhaltigen Flüssigkeiten eine Kahmhaut. Bei einer Gruppe der B., den Myxobakterien, nimmt die Zoogloea in einem bestimmten Entwickelungsstadium eine feste, bisweilen sehr zierliche Gestalt an, die an die Fruchtkörper der Schleimpilze erinnert und eine weitgehende Differenzierung und Arbeitsteilung zwischen ihren einzelnen Teilen erkennen läßt, so daß das Ganze gewissermaßen ein Individuum höherer Ordnung, eine Staatenbildung im Pflanzenreich repräsentiert.

Unter geeigneten Temperatur- und Ernährungsbedingungen entwickeln sich bei manchen B. Dauerzellen, Sporen, die gegen ungünstige äußere Umstände, gegen Hitze, Kälte und Trockenheit, viel widerstandsfähiger sind als die vegetative Bakterienzelle. Die Sporen können eine längere Ruhepause durchmachen, um sich bei Eintritt günstiger Verhältnisse wieder zu B. zu entwickeln. Leben und Entwickelung der B. sind an gewiise Bedingungen geknüpft. Manche B. ertragen eine Temperatur von -190°, manche Sporen eine solche von + 130°, im allgemeinen hört das Wachstum bei 5° auf, und viele B. sterben bei 50–60°, während andre erst bei 50 und 70° zu wachsen beginnen. Die in lebenden Organismen schmarotzenden B. sind an Temperaturen von 30–37° gebunden. Die meisten B. bedürfen zu ihrer Entwickelung des atmosphärischen Sauerstoffs (Aërobien), andre können denselben entbehren (fakultative Aërobien), und wieder andre gedeihen nur bei Ausschluß von Sauerstoff (obligate Anaërobien). Alle B. sind an die Gegenwart von Wasser gebunden, manche sterben beim Austrocknen sofort ab (Cholerabazillen), andre und namentlich die Sporen ertragen lange Trockenheit. Tuberkelbazillen erhalten sich im getrockneten Auswurf 6 Monate, Rotzbazillen 3 Monate, Typhusbazillen 2 Jahre. Entwickelung aber erfolgt bei allen nur bei Gegenwart von Wasser. Da die B. kein Chlorophyll enthalten, so sind sie bei ihrer Ernährung auf organische Substanzen angewiesen, manche aber bedürfen davon so wenig, daß sie selbst in destilliertem Wasser wachsen. Die B., welche Ammoniak in salpetrige Säure, bez. Salpetersäure verwandeln, gedeihen bei künstlichen Kulturen ohne Beigabe organischer Substanz. Licht ist im allgemeinen den B. nicht förderlich, manche B. sterben unter dem Einfluß direkten Sonnenlichtes schnell ab. Ebenso wirken viele Chemikalien sehr energisch auf B., Quecksilberchlorid (Sublimat) tötet Sporen schon in einer Verdünnung von 1: 20,000 in 10 Minuten. In der Erde (in Gräbern) waren nicht mehr entwickelungsfähig: Bacillus prodigiosus und Staphylococcus aureus nach 6, Cholerabazillus nach 4, Typhusbazillus nach 4, Pestbazillus nach 3 Wochen. Der Tuberkelbazillus überlebt den von ihm getöteten Menschen nur um wenige Stunden.

B. sind ungemein verbreitet; Staub ist kaum jemals frei von B., diese haften an allen Gegenständen, die der freien Luft ausgesetzt sind, sie wuchern in den Gewässern, besonders in unreinen, und im Boden, unsre Kleidung, die äußere Haut, die Mundhöhle, der Darm sind sehr reich an B. Dieser großen Verbreitung entspricht auch die Bedeutung der B. Die auf faulenden Stoffen lebenden saprophytischen B. erzeugen Enzyme und werden durch diese Gärungs- und Fäulniserreger, aber jede Art in besonderer Weise, indem die einen Milchsäure-, die andern Buttersäuregärung etc. hervorrufen; manche B. verflüssigen (peptonisieren) die Gelatine, auf der man sie kultiviert, andre tun dies nicht; gewisse B. erzeugen Farbstoffe (chromogene B., s. Blutendes Brot), andre oxydieren Ammoniak zu Salpetersäure (Salpeterbildung im Boden). Durch diese Tätigkeit: die Spaltung der Eiweißstoffe pflanzlicher und tierischer Reste und die weitere Zersetzung der organischen Substanz bis zu den einfachsten Verbindungen bewirken die B. die sogen. Selbstreinigung des Bodens und der Gewässer und sind sie für die Landwirtschaft und Hygiene von größter Wichtigkeit. In Gewässern, in denen sich bei Zersetzung organischer Substanzen Schwefelwasserstoff entwickelt, siedeln sich Schwefelbakterien an, die den Schwefelwasserstoff zersetzen und in ihren Zellen Schwefel ablagern, der später zu Schwefelsäure oxydiert wird, die im Boden Gips bildet. Bei der Mistbehandlung auf der Düngerstätte handelt es sich im wesentlichen um die Zucht von B., und die Wirkung des Kompostdüngers ist vielleicht mehr vom Gehalt an spezifischen Bodenbakterien als von jenem an Pflanzennährstoffen abhängig (Impfung des Bodens). Mit Leguminosen gehen die B. eine Symbiose ein und vermitteln die Assimilation von freiem Stickstoff. Die Futterbereitung (Ensilage etc.) beruht wesentlich auf Bakterienwirkung, ebenso das Reisen des Käses, die Fermentation des Tabaks, und zwar so, daß die Beschaffenheit des fertigen Produkts von der Gegenwart bestimmter Bakterienarten abhängig ist. Man kann annehmen, daß durch planmäßige Züchtung dieser Bakterienarten die Herstellung ganz bestimmter Sorten von Käse und Tabak gelingen wird. In zahlreichen Fällen wirken B. schädlich. Die Eisenbakterien nehmen Eisenoxydulkarbonat auf und zersetzen es unter Ausscheidung von Eisenhydroxyd, welches das von den Landwirten gefürchtete Wiesen- oder Sumpferz bildet. Sehr viele Pflanzenkrankheiten (Trocken- und Naßfäule der Kartoffeln, Rotz der Speisezwiebeln, die Blightsche Krankheit der Apfel- und Birnbäume etc.) werden durch B.hervorgebracht, unsre Nahrungsmittel werden durch B. zersetzt, und in manchen entwickeln sich durch Bakterienwirkung schädliche giftige Stoffe (Fleisch-, Wurstvergiftung). Während manche B. im Mund und Darm des Menschen und der Tiere leben und völlig harmlos sind, üben andre wichtige Funktionen im Verdauungsprozeß aus, wirken also nützlich, wieder andre, die pathogenen B. (die wichtigsten pathogenen B. s. auf beifolgender Tafel), verhalten sich dem Organismus gegenüber höchst feindlich und erzeugen die ansteckenden oder Infektionskrankheiten. Bei Cholera, Typhus, Diphtherie, Tuberkulose, Influenza, Milzbrand, Beulenpest sind bestimmte B. als Verursacher der Krankheit nachgewiesen worden, bei andern ist dieser Nachweis vielleicht nur durch die Unzulänglichkeit der Methoden und der optischen Hilfsmittel bis jetzt nicht gelungen. Die B. bilden bei ihrem Stoffwechsel im Organismus der Menschen und Tiere giftige Stoffe (Toxine, Toxalbumine), die z. T. aus Reinkulturen isoliert worden sind. Auch in den absterbenden oder abgestorbenen B. sind giftige Stoffe nachgewiesen worden. Die Wirkung der B. ist also eine chemische, eine den Vergiftungen analoge, nur daß die im Organismus sich vermehrenden B. immer neue und größere Mengen des Giftes erzeugen. Im Organismus bleiben die B. entweder an einer Stelle liegen, erregen hier eine lokale Infektionskrankheit unter dem Bild einer Entzündung, und nur die an dieser Stelle erzeugten Gifte verbreiten sich durch den ganzen Organismus; oder die B. gelangen ins Blut, vermehren sich darin und erregen eine Allgemeinerkrankung. Dabei können sie sich in bestimmten, für ihre Entwickelung besonders günstige Bedingungen bietenden Organen konzentrieren und hier lokale Krankheitsherde bilden. In der Wirkung der B. auf die Organismen werden aber die größten Verschiedenheiten beobachtet. Der Bazillus der Mäuseseptichämie wirkt auf die Hausmaus, nicht auf die Feldmaus, und von Individuen derselben Art erkranken die einen bei Einfuhr gewisser B., während die andern gesund bleiben. Worauf diese Immunität beruht, ist noch nicht sicher ermittelt (s. Immunität), jedenfalls ergibt sich der Organismus nicht widerstandslos den eindringenden B. Es entsteht ein Kampf zwischen Organismus und B., und je nach der Widerstandskraft des Organismus, je nachdem die Therapie ihm zu Hilfe kommen kann, je nach der Menge der eingedrungenen B. und wohl nach manchen andern Verhältnissen gestaltet sich der Verlaufder Infektionskrankheit günstig oder ungünstig.

Durch längere Einwirkung bestimmter Temperaturen oder gewisser Chemikalien verlieren viele B. ihre hauptsächlichsten Eigenschaften ganz oder teilweise; sie werden in ihren Wirkungen abgeschwächt, ohne ihre Entwickelungsfähigkeit einzubüßen. Diese abgeschwächten B. erzeugen bei der Einimpfung in den Organismus eine leichte Erkrankung, nach deren Überstehung der Organismus zeitweilig immun gegen die gleichen B. mit voller Virulenz ist (vgl. Immunität). Hierauf beruht die Schutzimpfung und die Serumtherapie. Durch genügend langes Kochen, durch halbstündige Einwirkung von strömendem Wasserdampf von 100°, in gewissen Fällen auch durch halbstündiges Erhitzen auf 150° und durch Einwirkung von Chemikalien werden die B. getötet (s. Desinfektion). Bei Anwendung milderer Mittel wird nur die Entwickelungsfähigkeit der B. gehemmt, und hierauf beruhen verschiedene Konservierungsmethoden für Nahrungsmittel etc. Fossile B. kennt man aus der Steinkohlenzeit (Bacillus amylobacter) und aus dem Devon (Micrococcus devonicus). Geschichtliches und Literatur s. Bakteriologie.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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