Polychromīe

Polychromīe

Polychromīe (griech., »Vielfarbigkeit«), die Bemalung der Bau- und Bildwerke mit bunten Farben, war ein durchgängig geltendes, von ältester Zeit bis in den Beginn, teilweise bis zur Blüte der Renaissance herrschendes Gesetz der bildenden Kunst. In der Architektur der Griechen fand die Bemalung reiche Anwendung. An dorischen Tempeln wurden die Triglyphen meist blau bemalt, auch der Grund der Metopen oft blau oder rot, damit die ebenfalls bemalten Reliefs sich besser abhöben, ebenso die Giebelwand. Außerdem prangten die Ornamente des Oberbaues in Farben; auch im ionischen und korinthischen Baustil war dies der Fall. Die nicht bemalten Teile (wie Säulen, Wandflächen u. a.) wurden vielleicht durch Wachsbeize etwas gebräunt. In den Bauwerken aus geringerm Material (Poros oder Kalkstein), die mit Stuck überzogen wurden, veredelte die hier kräftiger aufgetragene Farbe den Kalkputz. Bei den Statuen sollte die Malerei die Kleidung schmücken und von den nackten Teilen sondern. Die Gewänder erhielten farbige Säume oder volle Bemalung. Die Lippen wurden rot, das Haar gelb oder schwarz gefärbt, der Stern des Auges wurde durch Farbe oder eingelassene Schmelzmasse, wohl auch durch Edelsteine angedeutet. In der besten Zeit griechischer Bildhauerei pflegte man diese Bemalung besondern Künstlern anzuvertrauen; für Praxiteles besorgte sie der erste Maler jener Epoche, Nikias. In der römischen Zeit suchte man jedem Teil seine natürliche Farbe zu geben oder ahmte die bunte Wirkung des bemalten Marmorbildes durch Zusammensetzen verschiedenfarbiger Marmorstücke nach (polylithe Skulpturen). Auch im ganzen Mittelalter spielte die P. der Statuen eine große Rolle; man ging hier in der Naturnachahmung viel weiter als die Griechen; zahlreiche aufs bunteste bemalte und vergoldete Altare aus deutscher und italienischer Kunst sowie Einzelfiguren und Büsten in Holz, Stein, Stuck, Steinpappe und in gebranntem Ton haben sich noch erhalten. Selbst in der Renaissance hörte die P. der Statuen nicht auf; besonders wurde sie in Florenz (namentlich in Porträtbüsten aus Terrakotta und an Altären der della Robbia und ihrer Nachahmer) und in Spanien geübt, und noch zur Rokokozeit bemalte man Holzbildwerke mit matten Farben und vergoldete sie. Auch die architektonische P. kam in der gotischen Architektur sehr in Aufnahme. An den Kapitellen ward das Blattwerk vergoldet, der Grund rot bemalt, die Gewölberippen und Gesimse wurden golden und rot oder golden und blau bemalt; Altare und Balustraden, Kanzeln, Sakramentshäuschen etc. erhielten Vergoldung am Stabwerk und dazu farbigen Grund. Die Renaissance brachte die P. der Architektur im großen und ganzen in Abnahme, und erst in der ersten Hälfte des 19. Jahrh. kam sie durch die Bemühungen hervorragender Architekten, wie Klenze, Viollet le Duc, Th. Hansen (Akademie in Athen), Semper, Gnauth, wieder zu größerer Geltung; auch machte man Versuche zur P. der Statuen (Gibson). Der sich mehr und mehr entwickelnde Farbensinn der neuern Zeit war diesen Bestrebungen sehr günstig. Es entspann sich ein Streit über die P. der Alten zwischen KuglerKleine Schriften zur Kunstgeschichte«, Bd. 1, S. 265 ff.) und Semper (vgl. den bezüglichen Abschnitt in des letztern »Stil« und dessen Schriften: »Vorläufige Bemerkungen über bemalte Architektur und Plastik bei den Alten«, Altona 1834; »Die vier Elemente der Baukunst«, Braunschw. 1851), aus dem letzterer, den genaue Untersuchungen der griechischen Monumente vorbereitet hatten, als Sieger hervorging. Vgl. Jahn, Aus der Altertumswissenschaft, S. 247 ff. (Bonn 1868); J. T. Hittorff, L'architecture polychrome chez les Grecs (Par. 1851); Collignon, La polychromie dans la sculpture grecque (das. 1898). Mit dem Beginn der 1880er Jahre ist die Frage der P. in ihrer Anwendung auf plastische Kunstwerke wieder lebhaft diskutiert worden. Eine Schrift des Archäologen TreuSollen wir unsre Statuen bemalen?«, Berl. 1884) hat den Anlaß zu einer Ausstellung polychromer Plastik in der Berliner Nationalgalerie (1885) gegeben, die von gewissem Einfluß auf die moderne Bildhauerkunst geworden ist. Durch Bildwerke mit voller P. hat sich in neuerer Zeit besonders R. Maison in München bekannt gemacht; andre Künstler, wie Max Klinger und der Franzose E. Barrias, haben bei ihren Bildwerken die Gewandung aus farbigen Steinarten zusammengesetzt, den für die Fleischteile verwendeten weißen Marmor dagegen nur matt getönt oder gebeizt. Am glücklichsten sind die Versuche der P. bei Bronzegüssen ausgefallen, deren Wirkung durch galvanische Färbung sehr erhöht wird (vgl. Metallfärbung).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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  • Polychromie — (Vielfarbigkeit), vielfarbige Bemalung der baulichen und plastischen Kunstwerke sowohl im Altertum als im Mittelalter, im Gegensatz zur Einfarbigkeit (s. Monochromie), wie sie seit den Zeiten der Hochrenaissance in Uebung kam. Die Beweise für die …   Lexikon der gesamten Technik

  • Polychromie — (v. gr., d. i. Vielfarbigkeit), Anwendung mehrfarbigen Schmuckes (im Gegensatz des einfarbigen, Monochromie) durch Farbenauftrag auf bestimmt begrenzte Flächen, ohne Brechung der Farben nach Licht u. Schattentönen, somit bloßes Bemalen mit… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Polychromie — Polychromīe (grch.), Vielfarbigkeit, die Bemalung der Bauglieder und plastischen Bildwerke mit bunten Farben, im Altertum und Mittelalter vielfach angewendet, durch die Renaissance in Abnahme gekommen, neuerdings wieder angewendet. Vgl. Semper… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Polychromie — Polychromie, in der Kunst Anwendung mehrer Farben; in der Malerei Gegensatz der Monochromie, der einfarbigen Bilder; in der Baukunst Anwendung von Farben zur Verzierung architektonischer Werke; in der Plastik das Bemalen der Bildwerke mit… …   Herders Conversations-Lexikon

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  • polychromie — daugiaspalviškumas statusas T sritis fizika atitikmenys: angl. polychromy vok. Polychromdruck, m rus. многоцветность, f; полихромия, f pranc. polychromie, f …   Fizikos terminų žodynas

  • POLYCHROMIE — n. f. T. d’Art décoratif Application de la couleur à la statuaire et à l’architecture …   Dictionnaire de l'Academie Francaise, 8eme edition (1935)

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