Büchner

Büchner

Büchner, 1) Georg, talentvoller Dichter, geb. 17. Okt. 1813 in Goddelau unweit Darmstadt, gest. 19. Febr. 1837 in Zürich, besuchte das Gymnasium zu Darmstadt und studierte in Straßburg Naturwissenschaften, namentlich Zoologie und vergleichende Anatomie, seit 1833 in Gießen auch Medizin. Bei den politischen Umtrieben und Geheimbünden jener Jahre beteiligt und als Verfasser einer Flugschrift, betitelt: »Der hessische Landbote« (Neudruck von E. David, Münch. 1896), mit dem der französischen Revolution von 1789 entlehnten Motto: »Friede den Hütten, Krieg den Palästen«, verdächtig, wußte er sich der Untersuchung 1835 durch die Flucht zu entziehen und widmete sich darauf in Straßburg dem Studium der neuern Philosophie, besonders der des Descartes und Spinoza. Im Oktober 1836 begab er sich nach Zürich, wo er sich als Privatdozent an der Universität habilitierte, bald aber von einem Nervenfieber dahingerafft wurde. Noch in Darmstadt hatte er sein dramatisches Gedicht »Dantons Tod« in wenigen Wochen vollendet. Es erschien, von K. Gutzkow warm empfohlen, zu Frankfurt a. M. 1835 und bildet einen Torso voller Phantasie, charakteristischer Kraft und gewaltiger historischer Wahrheit, um der letztern willen auch voll Cynismen und Greuelszenen. In Straßburg übersetzte er Vietor Hugos Dramen: »Lucrèce Borgia« und »Marie Tudor«. Als Manuskript hinterließ er ein Lustspiel: »Leonce und Lena«, voll Geist, Witz und kecker Laune; ferner eine »Geschichte der philosophischen Systeme von Cartesius bis Spinoza« und eine »Geschichte der ältern griechischen Philosophie«. Eine kritische Gesamtausgabe von Büchners »Werken nebst dem handschriftlichen Nachlaß« wurde von K. E. Franzos (Frankf. a. M. 1879) veranstaltet.

2) Luise, Schriftstellerin, Schwester des vorigen, geb. 12. Juni 1821 in Darmstadt, lebte in Darmstadt und starb daselbst 28. Nov. 1877. Ihr erstes Schriftchen: »Die Frauen und ihr Beruf« (Frankf. a. M. 1855; 5. Aufl., Leipz. 1883), erregte um seiner gefunden Anschauungen willen ein gewisses Aufsehen. Demnächst erschienen von ihr: »Aus dem Leben«, Novellen (Leipz. 1861); der Roman »Das Schloß zu Wimmis« (das. 1864); ein Band Gedichte: »Frauenherz« (2. Aufl., Berl. 1866); »Weihnachtsmärchen« (2. Aufl., Glogau 1882); »Klara Dettin«, erzählen des Gedicht (das. 1874) u. a. In der Frauenfrage zeigte sich Luise B. höchst tätig. Sie war Vizepräsidentin des Alice-Vereins (s.d.) und Mitbegründerin des Alicelyzeums in Darmstadt. Von ihren übrigen Schriften sind anzuführen: »Praktische Versuche zur Lösung der Frauenfrage« (Berl. 1870); »Über weibliche Berufsarten« (Darmst. 1872); »Die Frau. Hinterlassene Aufsätze, Abhandlungen und Berichte zur Frauenfrage« (Halle 1878) und »Nachgelassene belletristische und vermischte Schriften« (Frankf. a. M. 1878, 2 Bde.).

3) Ludwig, naturwissenschaftlicher Schriftsteller, Bruder der vorigen, geb. 28. März 1824 in Darmstadt, gest. daselbst 30. April 1899, studierte seit 1843 Medizin in Gießen, Straßburg, Würzburg und Wien, lebte dann als Arzt in Darmstadt und habilitierte sich 1852 als Privatdozent zu Tübingen. Hier rief er indessen durch seine Schrift »Kraft und Stoff« (Frankf. a. M. 1855, 20. Aufl. 1902) so heftigen literarischen Kampf hervor, daß er seine akademische Stellung aufgeben mußte und nach Darmstadt zurückkehrte, wo er seine Praxis wieder aufnahm. B. hat durch seine literarische Tätigkeit das Interesse und Verständnis für Naturkunde, Naturwissenschaft und Naturphilosophie in weiten Kreisen gefördert, in seinem »Kraft und Stoff«, dem Laienkatechismus der materialistischen Auffassung von Natur und Geist, und auch in spätern Schriften trug ihn aber seine Begeisterung oft weiter als die wissenschaftlichen Forschungsergebnisse gestatteten. Er schrieb noch: »Natur und Geist« (3. Aufl., Leipz. 1876); »Physiologische Bilder« (3. Aufl., das. 1886); »Aus Natur und Wissenschaft« (3. Aufl., das. 1874;2. Bd. 1884); »Die Darwinsche Theorie« (5. Aufl., das. 1890); »Der Mensch und seine Stellung in der Natur« (3. Aufl., das. 1889); »Der Gottesbegriff und dessen Bedeutung in der Gegenwart« (3. Aufl. u. d. T. »Gott und die Wissenschaft«, das. 1897); »Aus dem Geistesleben der Tiere« (4. Aufl., das. 1895); »Liebe und Liebesleben in der Tierwelt« (2. Aufl., das. 1885); »Tatsachen und Theorien aus dem naturwissenschaftlichen Leben der Gegenwart« (2. Aufl., Berl. 1887); »Das künftige Leben und die moderne Wissenschaft« (2. Aufl., Leipz. 1889); »Fremdes und Eigenes aus dem geistigen Leben der Gegenwart« (2. Aufl., das. 1890); »Das goldene Zeitalter oder das Leben vor der Geschichte« (2. Aufl., Berl. 1891); »Darwinismus und Sozialismus« (das. 1894); »Am Sterbelager des Jahrhunderts« (2. Aufl., Gießen 1900). Auch übersetzte er Lyells Werk »Das Alter des Menschengeschlechts« (2. Aufl., Leipz. 1873). Nach seinem Tod erschien noch: »Im Dienste der Wahrheit«, ausgewählte Aufsätze aus Natur und Wissenschaft (mit Biographie, hrsg. von Alexander Büchner, Gießen 1899).

4) Alexander, Schriftsteller, Bruder des vorigen, geb. 25. Okt. 1827, habilitierte sich 1852 als Privatdozent an der philosophischen Fakultät zu Zürich, trat 1857 in den französischen Staatsdienst und ist seit 1862 Professor der fremden Literaturen zu Caen. Er schrieb: »Geschichte der englischen Poesie« (Darmst. 1855, 2 Bde.); »Französische Literaturbilder« (Frankf. a. M. 1858, 2 Bde.); »Jean Paul in Frankreich« (Stuttg. 1863); »Der Wunderknabe von Bristol« (Leipz. 1861); »Chatterton«, »Lord Byrons letzte Liebe« (Novellen, das. 1862) etc.; ferner in französischer Sprache: »L'école romantique et la jeune Allemagne«; »Le roman réalisteen Allemagne«; »Les comédies de Shakespeare« (Caen 1864); »J. A. Kryloff et ses fables« (das. 1877); »Hamlet le Danois« (Par. 1878); »Essai sur H. Heine« (Caen 1881); »Hoffmann et le Roi Carotte« u. a. Mit L. Dumont übersetzte er Jean Pauls »Vorschule der Ästhetik« (1862).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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