Ortsbewegungen

Ortsbewegungen

Ortsbewegungen der Tiere treten uns in ihren Hauptformen als Gehen, Schwimmen und Fliegen entgegen und sind entweder dem Lande, dem Wasser oder der Luft angepaßt. Es kommen hier nur mechanische Fragen in Betracht, und diese haben Bezug auf die Schwerkraft, die verschiedenen Arten von Hebeln, die Rolle, das Pendel, das spezifische Gewicht, den Widerstand fester, halbfester und flüssiger Körper etc. In den verschiedenen Tierklassen entspricht die Art der Fortbewegung dem Medium, in dem sie stattfindet, und dem entsprechend sind auch die Werkzeuge, welche die O. vermitteln, eingerichtet. Vgl. Gehen, Laufen, Schwimmen und Fliegen. – Die Methoden des Studiums der Ortsbewegung, zuerst von Borelli, später von den Gebrüdern Weber mit exakten Mitteln unternommen, sind in der Neuzeit sehr vervollkommt worden. Zunächst hat J. Marey ein Verfahren ersonnen, das selbst die schnellsten Gangarten exakt und völlig unabhängig von der Individualität des Beobachters zu verfolgen gestattet. Dieses Verfahren ist ein autographisches und stellt die Bewegung in ihrer Abhängigkeit von der Zeit dar. Mareys graphischer Apparat besteht aus einem mit Papiermantel versehenen Zylinder, der durch ein Uhrwerk in gleichmäßige Rotation gebracht wird und die Aufzeichnungen mehrerer neben ihm angebrachter Schreibkapseln aufnimmt. Bei seinen Untersuchungen über die Ortsbewegungen des Pferdes ließ Marey einen Reiter den Zylinder nebst seinen Schreibvorrichtungen tragen (vgl. Abbildung, S. 152), während sich an den Enden der Extremitäten des Tieres Aufnahmekapseln befanden, welche die auf sie wirkenden Druckschwankungen durch Schlauchleitungen auf die schreibenden Federn übertrugen. Marey hat auf diese Weise höchst beachtenswerte Resultate erzielt und z. B. die erste exakte Darstellung des Galopps gegeben. Fast noch ehe diese Form der graphischen Methode in weitern Kreisen zur Anerkennung gelangte, wurde sie in den Hintergrund gedrängt durch den elektrophotographischen Apparat des Amerikaners Muybridge, der Augenblicksbilder von nur 0,0005 Sekunde Dauer fixierte und die Lageveränderung eines jeden Punktes der Körperoberfläche während der Bewegung genau zu verfolgen erlaubte. Die bedeutendsten Leistungen Muybridges beziehen sich auf die schnellern Gangarten des Pferdes, und er bediente sich hierbei einer Kamera mit einem elektrischen Verschluß, der momentane Expositionen gestattete. Eine größere Anzahl dieser Apparate war in einer Reihe dicht nebeneinander in regelmäßigen Abständen aufgestellt. In einer bestimmten Entfernung davon bewegte sich ein Pferd mit möglichst gleichmäßiger Geschwindigkeit durch das Gesichtsfeld. Es wurde nun von diesem Tier eine ununterbrochene Reihenfolge von Aufnahmen dergestalt angefertigt, daß nach dem jedesmaligen Fortrücken des Körpers um eine kleine Strecke eine neue Aufnahme erfolgte. Marey hat das von ihm als Chronophotographie (s. d. und Laufen) bezeichnete Verfahren der Momentaufnahme aufeinander folgender Bewegungszustände in hohem Maße vervollkommt und in Paris eine physiologische Station eingerichtet, die ausschließlich Studien dieser Art gewidmet und mit den besten Hilfsmitteln ausgestattet ist.

Reiter mit Mareys graphischem Apparat.
Reiter mit Mareys graphischem Apparat.

Vorzügliche Aufnahmen von Tieren in der Bewegung lieferte auch der Photograph Anschütz in Lissa. Indem er seine Serienbilder auf einer stroboskopischen Scheibe anbrachte (»Schnellseher«), gelangte er zu einer vollständigen Reproduktion der Bewegung in allen ihren charakteristischen Feinheiten, die bei langsamer Drehung der Scheibe genau studiert werden können. Weitere Verbesserungen erfuhr die Methode durch Braune und Fischer, die dadurch die Ortsbewegungen des Menschen einem sehr genauen Studium unterworfen haben. Literatur s. Gehen.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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