Ausdehnung [2]

Ausdehnung [2]

Ausdehnung (thermische), die Raumvergrößerung, die fast alle Körper beim Erwärmen erleiden. Die A. fester Körper ist geringer als die der flüssigen und gasförmigen. Eine wagerecht in einem Blechtrog liegende Metallstange t (Fig. 1) ist mit ihrem einen Ende gegen ein festes Widerlager v gestemmt, mit ihrem andern Ende drückt sie auf den einen Arm eines Hebels k, dessen Zeiger l auf einer Skala s spielt.

Fig. 1. Apparat zur Messung der linearen Ausdehnung fester Körper.
Fig. 1. Apparat zur Messung der linearen Ausdehnung fester Körper.

Erwärmt man die Stange, so dreht sich der Zeiger, und wenn man den Blechtrog mit schmelzendem Eis, sodann mit siedendem Wasser füllt, so ergibt sich die Verlängerung, die der Stab bei der Erwärmung von 0° auf 100° erleidet. Diese A. beträgt bei einem Stabe von 1 m Länge aus:

Tabelle

Da zwischen 0 und 100° die A. nahezu gleichmäßig erfolgt, so ergeben die obigen Zahlen die Größe der A., die ein Körper bei der Erwärmung um 1° erfährt. Die Zahl, die ausdrückt, um den wievielten Teil seiner Länge bei 0° ein Körper bei der Erwärmung um 1° sich ausdehnt, sein Längen- oder linearer Ausdehnungskoeffizient beträgt bei:

Tabelle

Bezeichnet man den linearen Ausdehnungskoeffizienten eines Körpers mit α und seine Länge bei 0° mit 10, so ist seine Länge l bei t°: l = l0 (1+α t).

Die A. der festen Körper beim Erwärmen und ihre Zusammenziehung bei Abkühlung erfolgt mit großer Gewalt und ist beim Bau eiserner Brücken, bei der Schienenlegung etc. zu berücksichtigen. Eiserne Radreifen werden glühend um das Rad gelegt und umschließen nach der Erkaltung das Rad sehr fest. Die Verschiedenheit der A. verschiedener fester Körper verwertet man zur Konstruktion der Kompensationspendel, Unruhen von Chronometern, Metallthermometern etc.

Da sich feste Körper in demselben Verhältnis wie in der Länge auch nach Breite und Dicke ausdehnen, so beträgt der körperliche (kubische) Ausdehnungskoeffizient, d. h. die Zahl, die angibt, um den wievielten Teil seines Rauminhalts bei 0° ein Körper sich bei der Erwärmung um 1° ausdehnt, sehr nahe das Dreifache des Längenausdehnungs-Koeffizienten.

Bei flüssigen Körpern kommt nur die körperliche A. in Betracht. Füllt man einen Glaskolben, dessen Hals an einer Stelle verengert und hier mit einer Marke a versehen ist (Dilatometer, Fig. 2), bei Zimmertemperatur bis zur Marke mit einer Flüssigkeit und erwärmt ihn, so kann man die Größe der A. ermitteln, wenn man feststellt, wieviel von der Flüssigkeit bei einer bestimmten Erwärmung über die Marke ausgetreten ist, indem man das Gefäß bei jeder dieser Temperaturen bis zur Marke füllt und wägt. Die erhaltene Zahl gibt die scheinbare (relative) A. in Bezug auf Glas an; der Hohlraum des Glasgefäßes dehnt sich nämlich bei der Erwärmung gerade so aus, als ob er ein massiver Glaskörper wäre, so daß eine Glasflasche, die bei 0° 1000 ccm faßt, bei 100° um 2,6 ccm weiter wird. Um die wahre (absolute) A. zu erhalten, müssen also zu obiger Zahl noch die 2,6 ccm hinzugezählt werden, die das erweiterte Gefäß in sich aufgenommen hat. Die wahre A. des Quecksilbers von 0–100° beträgt demnach 18 Tausendteile. Bei der Erwärmung von 10–100° dehnt sich 1 Lit. Wasser um 43, Olivenöl um 80, Erdöl um 100 ccm aus. Flüssigkeiten dehnen sich bei gleicher Temperaturerhöhung stärker aus als feste Körper.

Fig. 2. Dilatometer.
Fig. 2. Dilatometer.

Quecksilber dehnt sich zwischen 0 und 100° gleichmäßig aus, und deshalb ist es zur Füllung der Thermometer von großem Wert; sein Ausdehnungskoeffizient beträgt 0,00018. Die andern Flüssigkeiten dehnen sich bei höhern Temperaturen stärker aus als bei niedrigen. Wasser zieht sich bei der Erwärmung von 0 auf 4° zusammen, dehnt sich aber bei weiterer Erwärmung aus; eine Wassermenge nimmt also bei 4° einen kleinern Raum ein als bei jeder andern Temperatur: das Wasser hat bei 4° seine größte Dichte, es ist bei dieser Temperatur spezifisch schwerer als bei jeder andern. 1 Lit. Wasser von 4° dehnt sich aus beim Erwärmen

Tabelle

beim Erkalten auf 0° dehnt es sich aus um 0,1 ccm, und beim Erstarren zu Eis findet eine plötzliche A. statt um 90 ccm, so daß das Eis (spez. Gew. 0,9) selbst auf kochendem Wasser schwimmt. Die A. der Flüssigkeiten vollzieht sich mit großer Gewalt; ein mit Flüssigkeit gefülltes Gefäß kann durch die A. derselben beim Erwärmen gesprengt werden. Gefrieren des Wasser sprengt dickwandige Bomben.

Noch beträchtlicher als Flüssigkeiten dehnen sich Gase aus. Zur Messung der A. der Gase ist ihr Volumen vor und nach der Erwärmung unter gleichem Druck zu messen. Hierzu dient die Vorrichtung Fig. 3. Ein kleiner Glasballon A steht durch eine enge Glasröhre B mit dem zweischenkeligen Glasrohr C D (Manometer) in Verbindung, in welches Quecksilber durch den offenen Schenkel D eingegossen und durch den Hahn c auf einen beliebigen Stand gebracht werden kann.

Fig. 3. Luftthermometer.
Fig. 3. Luftthermometer.

Man umgibt nun den mit trockner Luft gefüllten Ballon A, dessen Rauminhalt samt demjenigen der Glasröhre B bis zur Marke a genau ermittelt ist, mit schmelzendem Eis und bewirkt, während derselbe durch den Hahn b noch mit der äußern Luft in Verbindung bleibt, daß das Quecksilber im kürzern Schenkel an der Marke a und im längern gleichhoch steht. Nun läßt man, nachdem der Hahn b geschlossen ist, den Ballon A von den Dämpfen siedenden Wassers umspülen; dabei dehnt sich die Luft im Innern aus und drückt das Quecksilber im kürzern Schenkel herab, im längern hinauf; stellt man dann durch Ablassen von Quecksilber mittels des Hahnes c das Quecksilber in beiden Schenkeln gleichhoch, so steht die eingeschlossene Luft wie vorhin unter dem Druck der Atmosphäre. Steht das Quecksilber jetzt im kürzern Schenkel bei d, so hat sich die Luft bei Erwärmung von 0 auf 100° um den zwischen a und d enthaltenen Raum ausgedehnt, den man nachträglich ermittelt, indem man Quecksilber von a bis d ausfließen läßt und wägt. Es ergibt sich, daß 1000 ccm Luft sich bei der Erwärmung von 0 auf 100° um 367 ccm oder um 100/273 ausdehnen. Nach dem Gay-Lussacschen Gesetz dehnen sich alle Gase bei der Erwärmung gleichstark aus, und zwar für 1° um 1/273 ihres Volumens bei 0°. Dieses Gesetz im Verein mit dem Mariotteschen Gesetz, nach dem bei gleichbleibender Temperatur der Druck einer Gasmenge im umgekehrten Verhältnis ihres Rauminhalts steht, ergibt Beziehungen, die zwischen Temperatur, Druck und Rauminhalt einer Gasmenge bestehen. Wenn ein Gas bei unverändertem Volumen erwärmt wird, wächst sein Druck für jeden Grad Erwärmung um 1/273 des Druckes bei 0°. Der Ausdehnungskoeffizient der Gase ist zugleich ihr Spannungskoeffizient, indem er bei gleichbleibendem Rauminhalt den für jeden Wärmegrad stattfindenden Zuwachs des Druckes oder der Spannung angibt. – Über A. durch Zug s. Elastizität.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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