Mysterĭen [1]

Mysterĭen [1]

Mysterĭen (griech., »Geheimnisse«), bei den Alten Geheimkulte verschiedener Art, die auf dem Glauben beruhten, daß es neben der allgemeinen Gottesverehrung noch eine andre, nur in bestimmten Kreisen auszuübende gebe. M. bildeten fast in allen griechischen Staaten einen wesentlichen Teil des Staatskultes und unterstanden der Aussicht von Amts wegen bestellter Priester. Manche wurden nur von Priestern und sonstigen Kultbeamten begangen, andre zwar nicht öffentlich, doch unter Teilnahme einer zahlreichen Gemeinde, die entweder nur aus einer bestimmten Klasse von Staatsangehörigen bestand, wie bei den Thesmophorien (s. d.) in Athen aus verheirateten Bürgerinnen, oder aus Leuten jeder Art, jeden Geschlechts und Alters mit gewissen Beschränkungen (Ausschluß von Sklaven und Barbaren), die nach Erfüllung bestimmter Bedingungen, namentlich Reinigungen, die oft nach Graden abgestuften Weihen erhalten hatten (s. Mysten und Epopten). Mitteilung der heiligen Handlungen und Gebete, zum Teil selbst der Namen, unter denen bei den staatlichen M. die Götter angerufen wurden, an nicht Geweihte wurde von Staats wegen als Gottlosigkeit bestraft, daher wir wohl von mancherlei Äußerlichkeiten der M. Kunde haben, aber nicht von dem eigentlichen Inhalt. Unter den altheimischen M. galten als die heiligsten die eleusinischen (s. Eleusis) der chthonischen Gottheiten Demeter und Kore, nächst ihnen die samothrakischen der Kabiren (s. d.), in späterer Zeit die der Isis (s. d.). Ursprünglich hatten die eleusinischen M. jedenfalls nur die Bedeutung eines Gottesdienstes, dessen eigenartige Formen sich nach der Legende der gefeierten Götter ausgebildet hatten; aber schon früh und je länger je mehr legte man ihnen eine höhere Bedeutung bei, namentlich den Eingeweihten eine Bestärkung der Hoffnung auf ein Jenseits, eine Verheißung eines bevorzugten Loses nach dem Tod und dadurch Trost in den Leiden des Lebens zu gewähren, eine Auffassung, die sich auch den samothrakischen und Isismysterien mitgeteilt zu haben scheint. Neben den staatlichen M. gingen mancherlei private einher, wie der allmählich weitverbreiteten religiösen Genossenschaft der Orphiker (s. Orpheus), die durch ihre Weihen und Reinigungsgebräuche eine Entsühnung und Läuterung für dieses und das jenseitige Leben verhießen. Ihr Einfluß vornehmlich hat die Einführung und Verbreitung fremder M., wie der wilden und fanatischen des Dionysos-Bacchus, Sabazios und der Kybele, veranlaßt. Der römische Kult weist nur vereinzelte Geheimgottesdienste auf (s. z. B. Bona Dea). Früh schon drangen in Italien und dann auch in Rom die M. des Bacchus ein, wurden aber wegen ihrer Ausschweifungen 186 v. Chr. mit blutiger Strenge unterdrückt. Nach der Einverleibung Griechenlands in das römische Reich suchten auch Römer Aufnahme in die griechischen M., besonders die eleusinischen. In der Kaiserzeit waren weit verbreitet im römischen Reiche die M. des Mithra (s. d.). Erhalten hat sich das Mysterienwesen bis in die letzten Zeiten des Heidentums. Vgl. E. Rohde, Psyche (3. Aufl., Tübing. 1903, 2 Bde.); Rubensohn, Die Mysterienheiligtümer in Eleusis und Samothrake (Berl. 1892); Aurich, Das antike Mysterienwesen in seinem Einfluß auf das Christentum (Götting. 1894); Wobbermin, Religionsgeschichtliche Studien zur Frage der Beeinflussung des Urchristentums durch das antike Mysterienwesen (Berl. 1896).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Mysterien — (v. gr.), 1) Geheimnisse, Dinge, deren Dasein zwar bekannt, aber von denen die Art u. Weise des Daseins unbekannt ist od. gar nicht erklärt werden kann, z.B. die Verbindung zwischen Leib u. Seele; 2) Geheimculte, eine besondere Art gottes… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Mysterĭen [2] — Mysterĭen (Vermischung von lat. ministerium und mysterium, s. d.), im Mittelalter eine Art geistlicher Schauspiele, in denen Szenen der heiligen Geschichte, besonders der Geburt, der Passion, der Auferstehung und der Wiederkunft des Heilands,… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Mysterien — Mysterĭen (grch.), bei den Griechen und später auch bei den Römern Geheimkulte, an denen nur die Eingeweihten teilnehmen durften. Die wichtigsten M. waren die eleusinischen, dann die orphischen, die samothrakischen, die M. der kleinasiat.… …   Kleines Konversations-Lexikon

  • Mysterien [1] — Mysterien, griech. deutsch, Geheimnisse, bei den Griechen und später bei den Römern streng abgeschlossene Gesellschaften mit religiösen Zwecken; die Aufnahme in dieselben geschah nur nach gewissen Vorbereitungen. Den eigentlichen Inhalt kennen… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Mysterien [2] — Mysterien, mystères oder auch miracles, nannten die romanischen Völker des Mittelalters geistliche Schauspiele, von den Moralitäten (s. d.) unterschieden, insofern ihr Stoff aus dem Leiden und Sterben Jesu Christi oder großer Heiligen genommen… …   Herders Conversations-Lexikon

  • Mysterien — Mys|te|ri|en 〈Pl. von〉 Mysterium * * * Mys|te|ri|en: 1. Pl. von ↑ Mysterium. 2. [griech. myste̅̓ria] bestimmten Gottheiten geweihte Geheimkulte, kultische Feiern zu Ehren einer Gottheit in der Antike. * * * Mysteri|en,   Ọrgia, in der Antike… …   Universal-Lexikon

  • Mysterien — Unter Mysterien versteht man: Ein Geheimnis, siehe Mysterium Einen Geheimkult, siehe Mysterienkult Einen Roman von Knut Hamsun, siehe Mysterien (Roman) Diese Seite ist eine Begriffsklärung …   Deutsch Wikipedia

  • Mysterien: Kultische Feste zu Ehren von Demeter und Dionysos —   Der athenische Ausdruck »mystéria« bezeichnete ursprünglich ein Fest der Demeter und Kore in Eleusis. Er wurde jedoch im Lauf der Zeit erweitert und diente als Bezeichnung für eine ganze Gruppe von Kulten man spricht auch von Isis und… …   Universal-Lexikon

  • Mysterien und das frühe Christentum —   »Auch uns hast du errettet, indem du das (ewige) Blut vergossen hast.« Diese Formulierung dürften viele Christen auf Jesus Christus beziehen, der nach kirchlicher Lehre sein Blut für das Heil der Menschen vergossen hat. Doch der Satz stammt… …   Universal-Lexikon

  • Mysterien (Roman) — Mysterien (norweg.: Mysterier) ist ein Roman von Knut Hamsun aus dem Jahre 1892. Die erste deutsche Übersetzung erschien 1894 im eigens zu diesem Zweck gegründeten Verlag Albert Langen. Der autobiographisch inspirierte Roman wendet sich mit… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”