Moritz [3]

Moritz [3]

Moritz, Karl Philipp, eine der eigentümlichsten Gestalten der Sturm- und Drangperiode, geb. 15. Sept. 1756 in Hameln, gest. 26. Juli 1793 in Berlin, verlebte seine früheste Jugend unter traurigen Familienverhältnissen, sollte dann in Braunschweig die Hutmacherei erlernen, kehrte aber bald wieder zu seinen Eltern, die inzwischen nach Hannover gezogen waren, zurück. Hier erregte er durch seine großen Fähigkeiten die Aufmerksamkeit eines fürstlichen Gönners, erhielt dadurch Gelegenheit, das Gymnasium zu besuchen, verließ es aber als Primaner, um unter Ekhof in Gotha Engagement als Schauspieler zu suchen, begann, als dieser Plan nach manchen abenteuerlichen Erlebnissen scheiterte, in Erfurt zu studieren (1776), machte einen nochmaligen vergeblichen Versuch, sich der Bühne zu widmen, und fand, als auch dieser gescheitert war, zunächst eine Zuflucht bei den Herrnhutern in Barby. Von der Brüdergemeinde unterstützt, studierte er in Wittenberg Theologie (1777) und trat dann in Dessau als Lehrer ins Philanthropin ein. Basedows Geistestyrannei trieb ihn aber bald aufs neue zum Wandern; er ging nach Potsdam und wurde dort 1778 Lehrer am Militärwaisenhaus, einige Zeit später am Grauen Kloster in Berlin. Hier machte er sich bald als Schriftsteller, Prediger und Dichter bekannt. Er unternahm 1782 eine Reiie nach England, die er in einem sehr lesenswerten Buch (s. unten) beschrieb, wurde darauf Professor am Köllnischen Gymnasium in Berlin, versuchte als Redakteur der »Vossischen Zeitung« ohne Erfolg diese zu einem Blatt »für das Volk« umzugestalten, geriet durch die Leidenschaft für eine verheiratete Frau in verhängnisvolle Herzenswirren und suchte 1786 geistige Genesung durch eine Reise nach Italien. Hier traf er mit Goethe zusammen, der ihn schätzen und lieben lernte und ihm manche Anregung verdankte. 1788 nach seiner Rückkehr fand M. bei Goethe in Weimar gastliche Ausnahme. Durch Empfehlung des Herzogs Karl August erlangte er die Mitgliedschaft der Berliner Akademie der Wissenschaften und wurde 1789 Professor der Altertumskunde an der Kunstakademie in Berlin. 1792 vermählte er sich mit einem jungen Mädchen, Friederike Matzdorf. Unter M. ' Schriften ist die wichtigste der autobiographische Roman »Anton Reiser«, der die Lebensschicksale des Verfassers bis zur Zeit nach dem Erfurter Aufenthalt schildert (Berl. 1785–90, 4 Bde.; fortgesetzt von Klischnig, 1794; neue Ausg. von Geiger, Heilbr. 1886, und von H. Henning in Reclams Universal-Bibliothek, Leipz. 1906), eine psychologisch und kulturgeschichtlich bemerkenswerte Darstellung der Seelenzustände eines Jünglings, der von den großen Anregungen der Sturm- und Drangperiode ergriffen wird. Auch in »Andreas Hartkopf« (Berl. 1786) schildert M. eigne Erlebnisse. Geistreich und durch originelle Ideen wertvoll sind auch noch andre von M.' zahlreichen Schriften, z. B.: »Versuch einer deutschen Prosodie« (Berl. 1786, neu aufgelegt 1815), das bedeutendste Werk über Metrik aus der Zeit unsrer Klassiker; »Über die bildende Nachahmung des Schönen« (Braunschw. 1788; neue Ausg. von Dessoir, Heilbr. 1888); die »Götterlehre« (Berl. 1791; 10. Aufl. von Frederichs, 1851; neue Ausg. von M. Oberbreyer in Reclams Universal-Bibliothek); »Reisen eines Deutschen in England« (Berl. 1783; neue Ausg. von Otto zur Linde, das. 1903); »Reisen eines Deutschen in Italien« (das. 1792–93, 3 Bde.) u.a. 1783–93 gab M. im Myliusschen Verlag ein »Magazin für Erfahrungsseelenkunde« (10 Bde.) heraus. Vgl. Alexis in Prutz' »Literarhistorischem Taschenbuch« (Hannov. 1847); Varnhagen v. Ense, Vermischte Schriften, Bd. 1; Dessoir, Karl Philipp M. als Ästhetiker (Berl. 1889); Altenberger, K. Ph. M.' pädagogische Ansichten (Leipz. 1905). Über M.' Verhältnis zu Schiller, den er durch eine Besprechung von »Kabale und Liebe« schwer beleidigte, vgl. Auerbach in der »Vierteljahrschrift für Literaturgeschichte«, Bd. 5 (Weim. 1892).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Moritz — es el equivalente alemán del nombre Mauricio. También se utiliza como apellido. Puede referirse a: Personas Karl Philipp Moritz (1756 1793) : autor, editor y ensayista alemán del Sturm und Drang Príncipe Moritz de Hesse Príncipe Moritz de… …   Wikipedia Español

  • Moritz — is the German equivalent of the name Maurice. It may refer to: People Saint Maurice, also called Saint Moritz, the leader of the legendary Roman Theban Legion in the 3rd century Karl Philipp Moritz (1756 1793), a German author, editor and… …   Wikipedia

  • MORITZ (K. P.) — MORITZ KARL PHILIPP (1727 1793) Écrivain allemand né à Hameln, le 15 septembre 1727, Karl Philipp Moritz est mort à Berlin le 26 juin 1793. Le milieu modeste où il est né, son enfance pauvre d’apprenti errant sur les routes d’Allemagne l’ont… …   Encyclopédie Universelle

  • Moritz [1] — Moritz (germanisirt statt Mauritius, s.d.). I. Regierende Fürsten: A) Landgraf von Hessen Kassel: 1) M. der Gelehrte, Sohn des Landgrafen Wilhelm IV. u. der Sabine von Württemberg, geb. 25. Mai 1572, erhielt eine gelehrte Bildung, so daß er der… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Moritz — Moritz, Karl Philipp * * * (as used in expressions) Arndt, Ernst Moritz Goldschmidt, Victor Moritz Hauptmann, Moritz Hornbostel, Erich (Moritz) von …   Enciclopedia Universal

  • Moritz — (Ostrhauderfehn,Германия) Категория отеля: Адрес: Langholterweg 10, 26683 Ostrhauderfehn, Ге …   Каталог отелей

  • Moritz [2] — Moritz, 1) Peter, um 1669 Salinenarbeiter in Halle; suchte sich medicinische Kenntnisse zu erwerben u. schloß sich endlich an die Separatisten an, nahm weder am Gottesdienst noch am Abendmahl Theil, sprach von der Beichte u. den Universitäten… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Moritz [1] — Moritz, Heiliger, s. Mauritius …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Moritz [2] — Moritz (Moriz, franz. Maurice, ital. Maurizio, »der Dunkelfarbige«), männlicher Name, germanisiert für lat. Mauricius (griech. Maurikios). Die hervorragendsten Träger desselben sind: 1) Prinz von Anhalt Dessau, geb. 31. Okt. 1712 in Dessau, gest …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Moritz — Moritz, Prinz von Anhalt Dessau, geb. 31. Okt. 1712, Sohn des Fürsten Leopold I., trat 1725 ins preuß. Heer, hatte wesentlichen Anteil am Siege von Kesselsdorf, 1752 Gouverneur von Cüstrin, kämpfte ruhmvoll bei Leuthen, bei Hochkirch verwundet,… …   Kleines Konversations-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”