Molekulargewicht

Molekulargewicht

Molekulargewicht, die Summe der Gewichte aller im Molekül einer chemischen Verbindung enthaltenen Atome. Das Molekül der Essigsäure entspricht der Formel C3H4O2, und mithin ist das M. der Essigsäure 2×12+2×16+4 = 1 = 60. Die Elementaranalyse ergibt nur das Verhältnis der in der analysierten Verbindung enthaltenen Atome, aber nicht ihre Anzahl. Man findet z. B. in Salzsäure auf 1 Teil Wasserstoff 35,5 Teile Chlor, also gleiche Atome, und in Essigsäure 40 Proz. Kohlenstoff, 6,6 Proz. Wasserstoff und 53,4 Proz. Sauerstoff. Dividiert man diese Prozentzahlen durch die entsprechenden Atomgewichte, so erhält man 40,0/12 = 3,3 Kohlenstoff, 6,6/1 = 6,6 Wasserstoff, 53,4/16 = 3,3 Sauerstoff. Mithin ist die einfachste Formel der Salzsäure HCl und die der Essigsäure CH2O. Mit letzterer Formel stimmen auch die des Formaldehyds, der Milchsäure, des Traubenzuckers und andrer Verbindungen überein, die empirische Formel hat daher nur geringen Wert, und es ist von höchster Wichtigkeit für die chemische Forschung, festzustellen, wie groß das Molekül der Verbindungen ist. Die Bestimmung des Molekulargewichts kann auf chemischem und physikalischem Weg erfolgen. Die chemische Methode ist nur dann anwendbar, wenn man die Substanz von vornherein als ein Glied einer bestimmten bekannten Körperklasse erkennt; sie eignet sich besonders für Säuren und Basen. Handelt es sich, wie in den obigen Fällen, um Säuren, so stellt man deren Salze dar. Man findet dann, daß bei der Salzbildung aus Salzsäure der Wasserstoff stets vollständig verschwindet, es bildet sich mit Kali Chlorkalium KCl, mit Silber AgCl, und mithin ist das Salzsäuremolekül HCl und sein Gewicht 36,5. Dagegen ergibt die Analyse des milchsauren Silbers einen Gehalt von 54,8 Proz. Silber. Das Atomgewicht des Silbers ist 107,7, und die Menge der im milch sauren Silber mit 1 Atom Silber verbundenen andern Bestandteile berechnet sich nach dem Ansatz 54,8: (100–54,8) = 107,7: x zu 89. Unter der Annahme, daß die Milchsäure einbasisch ist, daß im Silbersalz 1 Atom Wasserstoff der Milchsäure durch 1 Atom Silber ersetzt ist, ergibt sich das M. der Milchsäure = 89+1 = 90. Mithin muß die einfachste empirische Formel der Milchsäure CH2O (12+2+16 = 30) verdreifacht werden, und die Molekularformel der Milchsäure ist C3H6O3 (empirische Molekularformel). Die einfachste Formel für das Benzol ergibt sich aus der Analyse = CH. Chlor ersetzt im Benzol aber zunächst nur ein Sechstel des Wasserstoffs, indem 1 Atom Chlor an die Stelle von 1 Atom Wasserstoff tritt, mithin ist das Molekül des Benzols C6H6. Das weitere Studium der Chlorsubstitutionsprodukte des Benzols bestätigt diese Annahme, da man zuletzt die Verbindung C6Cl6 erhält. Häufiger als auf chemischem ermittelt man das M. auf physikalischem Wege, da sich zwischen dem sicher festgestellten M. und gewissen leicht meßbaren physikalischen Eigenschaften der betreffenden Verbindungen gesetzmäßige Beziehungen ergeben haben, die zur Ableitung unbekannter Molekulargewichte aus solchen Eigenschaften sich benutzen lassen. Die Bestimmung des Molekulargewichts aus der Dampfdichte (s. d.) ist nur für unzersetzt flüchtige und vergasbare Substanzen geeignet. Sie beruht auf dem Gesetz von Avogadro, nach dem gleichgroße Volumen der normalen Gase und Dämpfe bei Gleichheit von Temperatur und Druck gleichviel Moleküle enthalten. Die Molekulargewichte verhalten sich also wie die spezifischen Gewichte, und da man diese auf H = 1 bezieht, die Molekulargewichte aber auf H = 2, so findet man die Molekulargewichte, indem man die spezifischen Gewichte mit 2 multipliziert. Die Bestimmung des Molekulargewichts in Lösungen beruht auf der Tatsache, daß die chemischen Substanzen in verdünnten Lösungen ein ganz ähnliches Verhalten zeigen wie im gas- oder dampfförmigen Zustande. Die für Gase und Dämpfe gültigen Gesetze von Avogadro, Boyle, Gay-Lussac gelten daher auch für Lösungen. Entsprechend dem durch die Gasteilchen ausgeübten Druck zeigt sich bei Lösungen der osmotische Druck. Er ist gleich dem Druck, den die gleiche Menge der Substanz ausüben würde, wenn sie in gasförmigem Zustand bei derselben Temperatur denselben Raum einnähme wie die Lösung. Lösungen, die molekulare Mengen der verschiedenen Substanzen enthalten, üben den gleichen osmotischen Druck aus, und man kann daher wie aus dem Gasvolumen oder Gasdruck auch aus dem osmotischen Druck die Molekulargewichte gelöster Substanzen direkt ableiten. In naher Beziehung zum osmotischen Druck steht die Erniedrigung des Dampfdruckes der Lösungen, die ebenfalls für jedes Lösungsmittel der Anzahl der gelösten Moleküle proportional ist. Man hat sie in der Form praktisch zu verwerten gesucht, daß man die mit Erniedrigung des Dampfdruckes parallel laufende Erhöhung des Siedepunktes bestimmt und aus dieser das M. ableitet. Am leichtesten und genauesten lassen sich die Molekulargewichte gelöster Substanzen aus der Erniedrigungder Gefrierpunkte ihrer Lösungen ableiten. Die Erniedrigung der Gefrierpunkte kristallisierbarer Lösungsmittel ist proportional der Menge der in ihnen gelösten Substanz. Molekulare Mengen der verschiedenen Substanzen in derselben Menge des Lösungsmittels gelöst, zeigen die gleiche Gefrierpunktserniedrigung. Bezeichnet t die Gefrierpunktserniedrigung, die von p Gramm der Substanz in 100 g des Lösungsmittels hervorgebracht wird, so zeigt der Depressionskoeffizient t/p die Erniedrigung für 1 g Substanz in 100 g der Lösung an. Durch Multiplizieren des Depressionskoeffizienten mit dem M. der gelösten Substanz erhält man die Molekulardepression, die bei allen Substanzen für ein und dasselbe Lösungsmittel einen konstanten Wert zeigt: M. t/p = C. Derselbe beträgt im Durchschnitt für Benzol 49, für Eisessig 39, für Wasser 19. Ist die Konstante gegeben, so läßt sich das unbekannte M. der gelösten Substanz leicht berechnen: M = C p/t. Diese Gesetze haben (ebenso wie die für Dampfdruckserniedrigung und den osmotischen Druck) direkte Geltung nur für indifferente, wenig chemisch-aktive Substanzen, nicht für Elektrolyte. Aber auch erstere zeigen vielfache, meist entgegengesetzte Abweichungen, indem sie in den Lösungen nicht völlig in Einzelmoleküle zerfallen. Die genauesten Resultate erhält man mit sehr verdünnten Lösungen und bei Anwendung von Eisessig als Lösungsmittel. Vgl. Windisch, Die Bestimmung des Molekulargewichts in theoretischer und praktischer Beziehung (Berl. 1892); Biltz, Die Praxis der Molekulargewichtsbestimmung (das. 1897).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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