Mazarin [2]

Mazarin [2]

Mazarin (spr. -saräng), Jules (Giulio Mazarini), berühmter franz. Minister, geb. 14. Juli 1602 zu Pescina in den Abruzzen, gest. 9. März 1661 in Vincennes, Sohn eines sizilischen Edelmanns, studierte Philosophie, Theologie und kanonisches Recht, trat aber in den päpstlichen Militärdienst. Beim Ausbruch des mantuanischen Krieges 1630 begleitete er den Kardinal Paucirola als Sekretär zu den Verhandlungen, die 1631 zu dem Frieden von Cherasco zwischen Frankreich und Spanien führten. Hierbei zeichnete er sich durch seine diplomatische Geschicklichkeit aus. Nachdem er 1632 den Waffenrock mit dem geistlichen Kleid vertauscht hatte, ohne die Weihen zu empfangen, erhielt er durch Richelieus Verwendung 1634 die päpstliche Gesandtschaft in Paris. 1640 zog ihn Richelieu ganz aus dem päpstlichen in den französischen Dienst und übertrug ihm mehrere schwierige Missionen. 1641 verschaffte ihm sein hoher Gönner den Kardinalshut, und sterbend bezeichnete er ihn dem König als denjenigen, der ihn zu ersetzen am meisten befähigt sei. Weniger genial und gewaltig als Richelieu, ohne dessen schöpferische Ideen, war er doch gewandter, vorsichtiger und listiger. Mit eisernem Fleiß, scharfblickender Menschenkenntnis und zäher Ausdauer überwand er alle Schwierigkeiten seiner Stellung. Als die Königin Anna nach Ludwigs Tod (14. Mai 1643) den Regentschaftsrat beseitigte und allein die Herrschaft übernahm, ernannte sie M. zu ihrem ersten Minister. Er erwarb sich bald die Liebe der Königin, die ihn im geheimen heiratete, zog sich jedoch den Haß der Prinzen und des hohen Adels zu. Der Adelspartei, an deren Spitze der Prinz von Condé, der Kardinal Retz und selbst der Herzog von Orléans standen, schloß sich das Pariser Parlament (Fronde) an, das sich den Finanz- und Steueredikten des Kardinals energisch widersetzte und die Entlassung des Finanzkontrolleurs d'Emeri, eines Günstlings Mazarins, ertrotzte. Hierdurch nicht befriedigt, setzte das Parlament den Kampf gegen den Minister fort, und Anfang 1649 mußte M. mit dem König und der Regierung Paris verlassen. Er wurde 8. Jan. vom Parlament als Störer der öffentlichen Ruhe und Feind des Vaterlandes geächtet, und der offene Kampf brach aus. Zwar kehrte M. nach dem Abschluß des Friedens von Rueil (1. April) mit dem König nach Paris zurück und wagte sogar 18. Jan. 1650, die Prinzen Condé und Conti und den Herzog von Longueville verhaften zu lassen. Diese schroffen Maßregeln erregten aber neue Bewegungen, selbst in den Provinzen, und M. sah sich abermals zur Flucht genötigt. Er begab sich nach Brühl bei Köln, leitete jedoch, obwohl das Parlament 9. Febr. gegen ihn und seine ganze Familie die Verbannung ausgesprochen, auch aus der Ferne die Angelegenheiten Frankreichs. Ende 1651 kehrte er an der Spitze von 7000 Mann selbstgeworbener Truppen nach Frankreich zurück; da das Parlament aber einen Preis von 50,000 Tlr. auf seinen Kopf setzte, eine Flut von Pamphleten und Satiren (Mazarinaden, s. unten, Literatur) gegen ihn losgelassen wurde und seine Gegner sofort den Kampf gegen ihn begannen, mußte der König in die abermalige Entfernung seines Ministers willigen, der sich im August 1652 nach Bouillon im Lüttichschen begab. Erst nachdem die Parteien Frieden geschlossen und Condé nach den Niederlanden zurückgedrängt worden war, hielt M. 3. Febr. 1653 einen glänzenden Einzug in Paris. Er regierte von nun an unumschränkter als je und führte das Werk seines Vorgängers Richelieu, die Befestigung des absoluten Königtums und die Vergrößerung Frankreichs, fort. In der innern Verwaltung zeigte er zwar Interesse für die Künste und Wissenschaften, begründete die Bibliothèque Mazarine (s. unten), das Collège des quatre nations, die Kunstakademie und führte die italienische Oper ein, bereicherte aber sich selbst rücksichtslos und sammelte ein ungeheures Vermögen (50 Mill. Livres) an. Sein Ruhm beruht auf seiner auswärtigen Politik, die zwei große Erfolge aufzuweisen hat: den Westfälischen Frieden, der Frankreich mit dem Elsaß die Rheingrenze und den herrschenden Einfluß in Westdeutschland verschaffte, den der 1659 abgeschlossene Rheinbund befestigte, und den Pyrenäischen Frieden (7. Nov. 1659), in dem M. Ludwig XIV. durch dessen Vermählung mit der Infantin Maria Theresia die Aussicht auf die Erwerbung Spaniens eröffnete. Den Namen M. nahm der Marquis de la Meilleraie an, der Gemahl einer Nichte Mazarins, Hortensia Mancini (s. d.), und der Erbe seines Vermögens. Von seinen Briefen wurden veröffentlicht: »Lettres où l'on von les négociations de la paix des Pyrénées« (Par. 1745, 2 Bde., u. ö.); »Lettres à la reine Anne« (das. 1836); »Lettres relatives à la Fronde« (hrsg. von Tamizey, das. 1861); »Lettres du cardinal M. pendant son ministère« (Bd. 1–6 hrsg. von Chéruel, das. 1879–91; Bd. 7 u. 8 von d'Avenel, 1893–95). Vgl. Bazin, Histoire de France sous le ministère du cardinal M. (Par. 1842, 2 Bde.); Chéruel, Histoire de France sous le ministère M. (das. 1883, 3 Bde.); V. Cousin, La jeunesse de M. (das. 1865); Gustave Masson, M. (Lond. 1886, engl.); de Cosnac, M. et Colbert (Par. 1892); Hassall, M. (Lond. 1903, engl.). – Die Mazarinaden (d. h. Satiren auf M., s. oben) wurden von Moreau in der »Bibliographie des Mazarinades« (Par. 1850–51, 3 Bde.) verzeichnet und in »Choix des Mazarinades« (das. 1853, 2 Bde.) gesammelt.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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