Madras [3]

Madras [3]

Madras, Hauptstadt der gleichnamigen britischindischen Präsidentschaft (s. oben), an der Koromandelküste unter 13°4' nördl. Br., drittgrößte Stadt des britisch-indischen Kaiserreichs, im Sommer Europäern durch Cholera, Fieber und Dysenterie gefährlich, im Winter gesund; höchste Temperatur im Januar 20°, im Juni 34°. Sein Trinkwasser bezieht M. aus zwei großen Bassins von 20, bez. 6 qkm im NO. der Stadt. Sie bedeckt 70 qkm und umfaßt 23 Ortschaften, die einen besondern Verwaltungsdistrikt bilden. Der kleine, unsaubere Fluß Kuwam teilt M. in zwei ziemlich gleichgroße Teile. Im N. liegt Black Town, das Quartier der Eingebornen, mit engen Straßen, Sitz des Handels mit den Banken, Zollhaus, Hafen, Geschäftshäusern, Obergericht. Im S. davon erhebt sich, von einer Esplanade umschlossen, das Fort St. George, als Festung heute unbedeutend, mit den Bureaus der Zivil- und Militärverwaltung. Nördlich davon steht der 38 m hohe Leuchtturm, dessen Feuer 24 km weit reicht. Jenseit des Flusses liegt im Quartier Tiruallikane (Triplicane) die von Gärten umgebene Residenz des Gouverneurs, der Palast des pensionierten Nawabs von Karnatik und das Villenviertel. M. hat 15 anglikanische, 11 andre protestantische und 15 kath. Kirchen neben vielen Bethäusern und Hindutempeln. Mit seinem Kranz von Seen im W., seinen Parken und botanischen Gärten hat M. einen mehr ländlichen Anstrich als andre große indische Städte.

Lageplan von Madras.
Lageplan von Madras.

Die Bevölkerung einschließlich der Garnison betrug 1901: 509,346 Personen (256,730 männlich, 252,616 weiblich), davon 410,648 Hindu, 57,331 Mohammedaner und 40,958 Christen. Die Industrie ist noch nicht bedeutend, doch ist die Baumwollfabrikation von steigender Wichtigkeit. 1894 waren in der Stadt und Umgebung 11 Baumwollfabriken mit 239,200 Spindeln und 973 Kraftstühlen tätig, die Musseline, Tücher (Madrastaschentücher) etc. herstellen; von Belang sind ferner Gerberei, Lederzurichtung, Ölpressen, Glas-, Zigarren- und Zuckerfabrikation, Töpferei, Salzsiederei. Der Handel, der 1902 bei der Einfuhr einen Wert von 67,679,230, bei der Ausfuhr von 45,972,136 Rupien hatte, führt namentlich Baumwollwaren und Baumwollengarn, Getreide, Metalle und Metallwaren, Eisenbahnmaterial, Schiffsvorräte, Schreibwaren, Drogen ein und besonders Häute und Felle, Indigo, Baumwolle, Kaffee, Sämereien aus. Der Handel richtet sich vornehmlich nach England und indischen Häfen; Deutschland ist bei der Einfuhr mit 1,09 Mill. Rupien beteiligt. Im Hafen von M. verkehren regelmäßig die Dampfer der Hansa (Hamburg), des Österreichisch-Ungarischen Lloyd, der British India Steam Navigation Co. und der Messageries-Maritimes. Eisenbahnen führen nach drei Richtungen ins Land. Von Banken sind nennenswert die Agra Bank, Bank of Bengal, London and China Bank, Madras Bank, Commercial and Land Mortgage Bank u. a. Von Unterrichtsanstalten bestehen eine Universität (nur Prüfungsbehörde), ein Presidency College mit 26 Dozenten, eine medizinische Schule, eine Polytechnische Schule, Gewerbeschule, Feuerwerkerschule, 19 höhere Colleges, eine Abteilung der Asiatischen Gesellschaft, ein naturhistorisches Museum, eine Sternwarte. M. hat 26 Zeitungen, darunter 9 in englischer Sprache, und 102 Buchdruckpressen, davon 36 englische. M. ist Sitz der Regierung und obersten Rechtspflege der Präsidentschaft, Hauptquartier der Madrasarmee mit einer Garnison von 3250 Mann, Residenz zweier katholischer Bischöfe und eines protestantischen sowie Sitz eines deutschen Konsuls. Von den Vorstädten sind zu nennen Rajapet mit der schönen St. Georgskirche westlich von Tiruallikane, das aristokratische Adyar und 5 km südlich das befestigte St. Thomas Mount oder Malaïpur, eine portugiesische Gründung, von Thomaschristen bewohnt, mit dem isolierten Mount Thomas, Wallfahrtsort der syrischen Christen.

Die Englisch-Ostindische Kompanie erlangte bereits 1639 vom Radscha von Bisnagar die Erlaubnis, an der Stelle des heutigen M. eine Niederlassung zu gründen. Das Fort St. George oder Madraspatnam wurde erbaut, und die Kaufleute der ausgegebenen Station Armagárn siedelten hierher über. Das war der erste englische Besitz in Indien. Die schnell aufblühende Agentschaft, die Ende des 17. Jahrhunderts bereits 300,000 Seelen zählte, wurde 1653 zur Präsidentschaft erhoben, 1746 von einer französischen Flotte fast ohne Schwertstreich genommen, im Aachen er Frieden 1748 wieder zurückgegeben. Gegen Haider Ali 1767 wurde die Stadt von den Engländern gehalten. Aber erst nachdem 1799 Seringapatam im Sturm genommen war, wobei Tippu Sahib fiel, ist England im ungestörten Besitz der Stadt geblieben. Vgl. Wheeler, M. in the olden time (Madras 1861–62, 3 Bde.); W. Foster, The founding of Fort St. George (Lond. 1902); Lawson, Memories of M. (das. 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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