Litauische Sprache und Literatur

Litauische Sprache und Literatur

Litauische Sprache und Literatur. Das Litauische bildet mit dem Lettischen und dem Preußischen den »baltischen« Sprachstamm, der mit dem Slawischen zusammen eines der acht Hauptglieder der indogermanischen Sprachfamilie ausmacht. Es ist die Sprache des Landvolkes in der Gegend um Memel und Tilsit und in den russischen Gouvernements Kowno und Wilna. In manchen Beziehungen, namentlich in bezug auf das rein lautliche, ist das Litauische die altertümlichste von allen lebenden indogermanischen Sprachen und hat daher von Anfang an die besondere Aufmerksamkeit der vergleichenden Sprachforscher erregt. Schon in Bopps vergleichender Grammatik ist die litauische Sprache behandelt, aber A. Schleicher war der erste, der diesen Schatz systematisch zu heben suchte, indem er 1852 eine Art Entdeckungsreise nach Litauen unternahm und den Bauern durch Abfragen die Formen ihrer Sprache sowie verschiedene ihrer volkstümlichen Lieder (Dainos), Fabeln und Märchen entlockte. Die Resultate seiner Reise legte er in einem »Handbuch der litauischen Sprache« nieder, wovon der erste Teil die Grammatik (Prag 1855), der zweite das Lesebuch mit Glossar (das. 1856) enthält; eine Übersetzung des zweiten Teils sind Schleichers »Litauische Märchen, Sprichworte, Rätsel und Lieder« (Weim. 1857). Seitdem haben oft noch Indogermanisten und Slawisten, z. B. Bezzenberger, Brugmann und Leskien, Studien unter den Litauern selbst gemacht, namentlich um auch die reiche Dialektentwickelung der Sprache näher zu erforschen. Für die Zwecke der Sprachvergleichung verwertete Schleicher das Litauische selbst in seinem »Kompendium der vergleichenden Grammatik« (4. Aufl., Weim. 1876), Brugmann in seinem »Grundriß der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen« (Straßb. 1886–92, 2 Bde.; Bd. 1 in 2. Aufl. 1897) u.a.; zahlreiche Monographien enthalten auch verschiedene Zeitschriften. Wörterbücher lieferten Nesselmann (Königsb. 1851) und Kurschat (Halle 1872–74, 2 Bde.), eine Grammatik (das. 1876) ebenfalls Kurschat, von dem bereits früher »Beiträge zur Kunde der litauischen Sprache« (Königsb. 1843 u. Berl. 1849) erschienen waren; Bezzenberger gab »Beiträge zur Geschichte der litauischen Sprache« (Götting. 1877), O. Wiedemann ein »Handbuch der litauischen Sprache: Grammatik, Texte, Wörterbuch« (Straßb. 1897) heraus. 1879 bildete sich in Tilsit eine Litauische literarische Gesellschaft, die in ihren »Mitteilungen« die Überreste des gegen die Deutschen, Russen und Polen stetig an Boden verlierenden litauischen Sprach- und Volkstums in möglichster Vollständigkeit zu sammeln bestrebt ist. Die Literatur des Litauischen ist äußerst unbedeutend, das einzige größere selbständige Werk in litauischer Sprache ist das Gedicht »Die Jahreszeiten«, das von dem Dichter Donalitius (s. d.) aus dem 18. Jahrh. herrührt und von Rhesa (1818), von Schleicher (Petersb. 1865) und Nesselmann (Königsb. 1868) herausgegeben wurde. Außerdem gibt es nur Gebet- u. Erbauungsbücher, die ältesten aus dem 16. Jahrh.; dagegen besitzen die Litauer eine reichhaltige Volkspoesie. Märchen, Rätsel und Lieder gab, wie erwähnt, Schleicher heraus. Andre Sammlungen von Volksdichtungen veröffentlichten Rhesa (»Dainos«, neue Aufl. von Kurschat, Berl. 1843), Nesselmann (das. 1853), Juszkiewicz (»Lietuviškos dainos«, Kasan 1880–82, 3 Tle.), Brugmann und Leskien (»Litauische Lieder und Märchen«, mit Übersetzung, Straßb. 1882) und Chr. Bartsch (»Dainu Balsai«, Melodien litauischer Volkslieder mit Textübersetzung etc., Heidelb. 1887–89, 2 Tle.). Über litauische Mythologie handelte Schleicher in seinen »Lituanica« (»Abhandlungen der Wiener Akademie«, 1854) und Bezzenberger in den »Litauischen Forschungen zur Kenntnis der Sprache und des Volkstums der Litauer« (Götting. 1882). »Mythen, Sagen und Legenden der Zamaiten (Litauer)« gab Veckenstedt heraus (Heidelb. 1883, 2 Bde.). Die interessanteste Figur des altlitauischen Götterglaubens ist der Donnergott Perkunas (s. d.). Viele Beiträge zur litauischen Volkskunde enthalten die erwähnten »Mitteilungen der Litauischen literarischen Gesellschaft«, die 1894 auch »Litauische Kirchengesänge«, gesammelt von W. Hoffmann, herausgab.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Litauische Sprache — Litauisch lietuvių kalba Gesprochen in Litauen, Weißrussland, Lettland, Polen, Russland Sprecher 4 Millionen (2,9 Mio. in Litauen) Linguistische Klassifikation Indogermanische Spr …   Deutsch Wikipedia

  • litauische Sprache — lịtauische Sprache,   zum baltischen Zweig (baltische Sprachen) der indogermanischen Sprachfamilie gehörende Sprache. Sie ist in zwei Dialektgruppen gegliedert: das Niederlitauische oder Žemaitische im Nordwesten und das Hochlitauische oder… …   Universal-Lexikon

  • Litauische Grammatik — Die Grammatik der litauischen Sprache ist insbesondere durch Flexion gekennzeichnet und darin dem Lateinischen, dem Altgriechischen oder dem Sanskrit ähnlich, insbesondere in seiner Fixierung auf die Endungen zur Angabe des Kasus und in der… …   Deutsch Wikipedia

  • Litauische Literatur — Die litauische Literatur führt auf das 19. Jahrhundert zurück, in dem das einzige größere selbständige Werk in litauischer Sprache, das Gedicht Die Jahreszeiten, veröffentlicht wurde, das von dem Dichter Kristijonas Donelaitis aus dem 18.… …   Deutsch Wikipedia

  • litauische Literatur. — lịtauische Literatur.   Die reiche Volksliteratur (lyrische Lieder, Dainos) wurde nur mündlich tradiert. Im Zuge der Reformation und Gegenreformation schufen Geistliche beider Konfessionen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts ein vielseitiges… …   Universal-Lexikon

  • Litauische Front der Aktivisten — Dieser Artikel oder Abschnitt ist nicht hinreichend mit Belegen (Literatur, Webseiten oder Einzelnachweisen) versehen. Die fraglichen Angaben werden daher möglicherweise demnächst gelöscht. Hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Deutsch (Sprache) — Deutsch Gesprochen in Deutschland, Österreich, deutschsprachiger Teil der Schweiz, Luxemburg, Südtirol (Italien), Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, Liechtenstein; Minderheiten in zahlreichen weiteren mittel und osteuropäischen Staaten;… …   Deutsch Wikipedia

  • Standarddeutsche Sprache — Deutsch Gesprochen in Deutschland, Österreich, deutschsprachiger Teil der Schweiz, Luxemburg, Südtirol (Italien), Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, Liechtenstein; Minderheiten in zahlreichen weiteren mittel und osteuropäischen Staaten;… …   Deutsch Wikipedia

  • Sprache: Varietäten, Familien, Stämme —   Die Sprache ist eine Eigentümlichkeit des Menschen. Ihre Bedeutung ist schon an dem zeitlichen Aufwand zu ermessen, die der Mensch ihr widmet. Seine Verständigung mit anderen, sein Handeln, Denken und Vorstellen ist von ihr durchdrungen und… …   Universal-Lexikon

  • Litauische Enzyklopädien — Visuotinė lietuvių enciklopedija Litauische Enzyklopädien sind Enzyklopädien, die in litauischer Sprache veröffentlicht werden oder Enzyklopädien, die Litauen oder Themen mit Bezug zu Litauen beschreiben. Es erschienen bis heute verschiedene… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”