Lhassa

Lhassa

Lhassa (besser Lasa, »Göttersitz«), Hauptstadt von Tibet, religiöser Mittelpunkt des lamaistischen Buddhismus, unter 29°39´ nördl. Br., 91°5´ östl. L., 3630 m ü. M., rechts am Kitschu, linkem Nebenfluß des Sangpo, mit angeblich 15,000 Einw., wovon 9000 weibliche, dazu noch etwa 18,000 Priester und Mönche in Stadt und Umgebung. Zeitweilig steigt die Einwohnerzahl durch Pilger auf 80,000 Seelen. Die Bevölkerung besteht aus Tibetern, Pebun, Katschi und Chinesen. Die Stadt mißt 6–7 km im Umfang und ist nicht mit einer Mauer umgeben. Die Straßen sind im innern Stadtteil ziemlich ansehnlich, meist aber unglaublich schmutzig. Die Häuser sind in der Mehrzahl gut gebaut, die Gebäude der chinesischen und nepalesischen Händler oft mehrere Stock hoch. Die ansehnlichsten Bauten sind die Tempel, unter ihnen der Jokhang, ein ungeheurer Komplex, darin ein hochberühmtes, sehr schönes und kostbares Buddhabildnis in Lebensgröße, das angeblich noch zu Lebzeiten Buddhas verfertigt worden ist; ferner ein Bildnis des großen Reformators Tsongkhapa und unzählige andre Statuen und Opfergaben von fabelhaftem Reichtum. Die Residenz des Dalai Lama (s. d.) liegt westlich der Stadt auf einem dreigipfeligen, nur auf Leitern zugänglichen Berg, dem Potala. Der großartige, 1645 erbaute Palast (Phodang marpo oder roter Palast wegen der dunkelroten Außenmauern) birgt eine große Zahl prächtiger Räume, darunter die säulengetragene Audienzhalle mit dem Thron, dann den Mittelsaal mit der 22 m hohen Statue der Dschamba. Der Palast ist umgeben von kleinern Bauten für die Beamten und von großen Klostergebäuden für die mit religiösen Studien beschäftigten Lamas. In der gut angebauten Ebene von L. liegen noch viele andre Klöster, darunter die einstige Residenz Samye, dann Galdan mit der unverweslichen Leiche des Tsongkhapa, ferner Sera und Braipung, wo der Dalai Lama je einmal jährlich das heilige Gesetz erklärt. L. ist nicht nur das Zentrum des Lamaismus (s. d.), sondern auch der politischen Regierung von Tibet, die fast ausschließlich in den Händen der Priester liegt, so daß der Vergleich mit Rom und dem Kirchenstaat gegeben ist. Der Dalai Lama steht nominell an der Spitze der Regierung, übernimmt aber die Geschäfte selbständig erst mit der Großjährigkeit, d.h. mit 18 Jahren; doch soll im 19. Jahrh. kein Dalai Lama dies Alter erreicht haben mit Ausnahme des jetzigen, der sein Amt angeblich seit 1875 (damals 1 Jahr alt) bekleidet. Zur Seite steht ihm ein Premierminister und ein Ministerrat (Kalon). Von diesem wird auch der neue Dalai Lama gewählt, wenn sich der Vorgänger aus Unwillen über die Sünden dieser Welt ins Paradies zurückgezogen hat; doch muß er noch von verschiedenen Orakeln als echte Inkarnation des heiligen Prinzips und zuletzt auch vom Kaiser von China bestätigt werden. Die Sitzungen des Ministerrats finden täglich von 9–2 Uhr im Palast statt. Die nächste Stufe der Beamten sind die Sekretäre (Kadung), unter diesen die 175 Zivilbeamten (Dungkhor), die aus den besten Zöglingen einer für die Söhne der vornehmsten Familien eingerichteten Schule ausgewählt werden. Der Amban, der Vertreter des Kaisers von China, ist gleichzeitig Oberbefehlshaber der tibetischen Armee; unter ihm stehen ein tibetischer General (Magpon), 6 Divisionskommandeure (Dahpon), 6 Regimentskommandeure (Rupon) etc. Der Amban ist die Mittelsperson für alle Angelegenheiten zwischen L. und Peking und residiert gewöhnlich in L. Die Garnison der Hauptstadt besteht aus 500 chinesischen und 1000 tibetischen Soldaten. Als Gewerbe sind etwas Metallindustrie, Weberei und Färberei zu nennen. Mit China, Indien, Kaschmir und der Mongolei wird ein ansehnlicher Handel getrieben, an dem sich die Tibeter meist nur passiv beteiligen. – Die erste Kunde von L. gab der Mönch Odorico di Pordenone, der um 1325 Tibet bereiste. 1661 weilten die Jesuiten Gruber und d'Orville etwa zwei Monate in L., der Kapuziner Desideri angeblich mehrere Jahre, von 1716–29, und sein Orden soll von 1741–60 eine ständige Mission unterhalten haben, deren bedeutendstes Mitglied, Horazio della Penna, viel Material sammelte. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrh. knüpften die Engländer von Indien aus Beziehungen zu L. an, die jedoch 1792 durch die Sperrung der Grenze seitens Tibets unterbrochen wurden. Seitdem sind nur noch 1811 der englische Arzt Manning und 1846 die französischen Lazaristen Huc und Gabet in L. gewesen. Alle spätern Versuche von Europäern (Littledale, Sven Hedin etc.), dahin zu gelangen, sind durch die Wachsamkeit und Energie der Tibeter verhindert worden. Nur indischen Punditen (Nain Singh, Krischna und Sarat Tschandra Das) und neuerdings einigen dem Lamaismus angehörigen russischen Untertanen (Nordrunow und Tsibikow) ist der Zutritt gestattet gewesen. Am 3. Aug. 1904 traf der von Ostindien aus unter starker militärischer Bedeckung gesandte Oberst Younghusband in L. ein, um mit dem Dalai Lama zu verhandeln; doch war dieser nordwärts entwichen. Die britische Expedition verließ L. 23. Sept. (s. Tibet, Geschichte). – Vgl. die Reiseschilderung des Missionars Hue (s. d.); Cl. Markham, Narratives of the mission of George Bagele to Tibet and of the Journey of Thomas Manning to Lhasa (2. Aufl., Lond. 1879); Sarat Tschandra-Das, Journey to L. and central Tibet (2. Aufl., das. 1904); G. Wegener, Tibet und die englische Expedition (Halle 1904); P. Landon, Lhasa, an account of the country and people of Central Tibet (Lond. 1904, 2 Bde.); Candler, The unveiling of L. (das. 1904); Millington, To L. at last (das. 1905); Waddell, L. and its mysteries (das. 1905).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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