Lafayette [2]

Lafayette [2]

Lafayette (spr. -fajétt'), 1) Marie Pioche de Lavergne, Gräfin de, berühmte franz. Romandichterin, geb. im März 1634 in Paris als die Tochter des Maréchal de Camp Aymar de Lavergne, gest. daselbst 25. Mai 1693, verkehrte in dem literarischen Zirkel des Hôtel Rambouillet und machte nach ihrer Verheiratung mit dem Grafen L. (1655, gest. 1683) ihr eignes Haus zum Sammelplatz der Schöngeister. Huet und Ménage, die sie unterrichtet hatten, Frau v. Sévigné, Lafontaine und Ségrais sah man häufig bei ihr, und der Herzog von Larochefoucauld war ihr intimer Freund. Die allgemein verbreitete Ansicht, daß Madame de L. nach seinem Tode (1680) ein einsames, strengen Büßungen geweihtes Leben geführt habe, ist in neuerer Zeit durch die Entdeckung ihres Briefwechsels mit dem Hofe von Piemont umgestoßen worden (»Lettere inedite di Mad. de L.«, hrsg. von Perrero, Turin 1880); sie spielte bis zu ihrem Tod eine Rolle am Hofe, wo sie zugunsten ihrer Jugendfreundin, der verwitweten Herzogin von Piemont, intrigierte. Ihr Roman »La princesse de Clèves« (1678, 4 Bde.; Prachtausg. mit Vorwort von A. France, 1889) gilt für den besten des 17. Jahrh. Außerdem nennen wir: »La princesse de Montpensier« (1662, neue Ausg. 1849); »Zayde« (1670, neue Ausg. 1826); »Histoire d'Henriette d'Angleterre« (Amsterdam 1720; beste Ausg., Par. 1882) und die »Mémoires de la cour de France pour les années 1688 et 1689« (Amsterd. 1731; neue Ausg., Par. 1890). Ihre »Œuvres complètes« erschienen Paris 1812, 5 Bde., und zusammen gedruckt mit den Werken der Damen Tencin und Fontaines, das. 1825, 5 Bde.; neuere Ausgaben das. 1863 (mit Zeichnungen von Staal) und 1882. Auger veröffentlichte auch die »Lettres de Mesdames de Villars, de L. et de Tencin« (1813), jedoch unvollständig. Vgl. »Revue des Deux Mondes« vom 15. Sept. 1880; Graf d'Haussonville, Mad. de L. (Par. 1891); Scheuer, Frau von L. (Bonn 1898).

2) Marie Joseph Paul Roch Yves Gilbert Motier, Marquis de, berühmter franz. General und Staatsmann, geb. 6. Sept. 1757 auf Schloß Chavagnac in der Auvergne aus einem alten Geschlecht, gest. 20. Mai 1834, ging, nachdem er sich bereits 1773 mit einem Fräulein Noailles vermählt, 1776 auf einem von ihm ausgerüsteten Schiff nach Nordamerika, um als Freiwilliger für die Unabhängigkeit der Kolonien zu kämpfen. Er gewann bald Washingtons Freundschaft, erhielt vom Kongreß den Generalmajorsrang und erwarb sich in vielen Gefechten hohen Ruhm. Anfang 1779 reiste er nach Paris, brachte eine Anleihe von mehreren Millionen zustande und bewog das französische Ministerium zur Unterstützung des jungen Freistaats mit einem Geschwader und einem Hilfskorps, an dessen Spitze er 1780 mit Erfolg focht. 1784 machte er einen Besuch in den Vereinigten Staaten; seine Reise durch Stadt und Land glich einem Triumphzug. Daheim schürte er eifrig die volkstümliche wie die parlamentarische Opposition gegen die Mißbräuche des alten Staates. Ein jugendlich schöner Mann, begeistert für sein Ideal von Freiheit, umstrahlt vom Ruhm seiner Taten in Amerika, aber ohne klare politische Ziele, eitel und nach Volksgunst strebend, spielte er im Beginn der französischen Revolution eine große Rolle. Zum Mitgliede der Adelskammer der Generalstaaten erwählt, brachte er 11. Juli nach amerikanischem Muster die berühmte Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers vor die Versammlung. Am 15. Juli zum Generalkommandanten der neuerrichteten Nationalgarde in Paris ausgerufen, machte er sich um deren Organisation sehr verdient und nahm eine mächtige Stellung an ihrer Spitze ein. Ihm und seinen Freunden ist es zu danken, daß 6. Okt. 1789 die königliche Familie gewaltsam von Versailles nach Paris geführt wurde. Allein indem er den Ausschweifungen der Demokratie ebenso entgegentrat wie der Politik des Hofes, verscherzte er das Vertrauen beider Parteien. Die Hofpartei haßte ihn bitter als abtrünnigen Edelmann und Haupturheber der Umwälzung, während die Gegenpartei mit den von ihm vorgeschlagenen Konzessionen: konstitutionelles Königtum, Aufhebung des Erbadels, Volksvertretung, nicht zufriedengestellt war. In Gemeinschaft mit Bailly stiftete er den Klub der Feuillants und zerstreute (17. Juli 1791) die Aufrührer, die das Königtum zu stürzen beabsichtigten. Im November 1791 bewarb er sich um die Stellung des Bürgermeisters von Paris, unterlag aber dem Bündnis der Hofpartei und der Republikaner gegen ihn. Dafür drängte er auf einen Krieg mit Österreich. Beim Ausbruch des Krieges 1792 wurde ihm der Befehl über die Ardennenarmee übertragen. Auf die Kunde von dem Eindringen des Pöbels in die Tuilerien 20. Juni 1792 und der Insultierung des Königs eilte er Ende Juni nach Paris und forderte von der Nationalversammlung Bestrafung der Anstifter als Verbrecher gegen die Nation. Ebenso erklärte er sich entschieden gegen die Ausschweifungen vom 10. Aug. und ließ am 14. die Abgesandten der Nationalversammlung zu Sedan verhaften. Der hierauf von den Republikanern über ihn ausgesprochenen Acht entzog er sich durch die Flucht nach Flandern, um von da nach Nordamerika zu gehen; er und seine Begleiter, Latour-Maubourg, Alex. Lameth und Bureaux de Pusy, wurden jedoch von den Österreichern verhaftet, als politische Verbrecher mit ausgesuchter Härte behandelt, und erst aus dem Gefängnis zu Olmütz infolge des Waffenstillstandes von Leoben durch Bonaparte befreit. L. ließ sich in Hamburg nieder und ging endlich nach Holland. Nach dem 18. Brumaire zog er sich auf sein einziges ihm übriggelassenes Landgut Lagrange zurück. Erst in den Hundert Tagen 1815 erschien er wieder auf der politischen Bühne. Als Vizepräsident der Deputiertenkammer drang er nach der Schlacht bei Waterloo auf die Abdankung Napoleons und befand sich unter den Kommissaren, die mit Blücher und Wellington unterhandelten, zog sich aber nach der Besetzung von Paris abermals nach Lagrange zurück. Seine Stellung gegen die Bourbonen blieb eine feindliche. 1818 zum Deputierten erwählt, nahm L. seinen Sitz auf der äußersten Linken und bekämpfte mit jugendlichem Feuer das reaktionäre Streben der Regierung. Im Frühling 1824 folgte er einer Einladung des Kongresses der Vereinigten Staaten von Nordamerika und ward dort als »Gast der Nation« höchst ehrenvoll empfangen (vgl. »Voyage du général L. aux Etats-Unis en 1824–1825«, Par. 1825, und seines Sekretärs Levasseur »Journal d'un voyage aux États-Unis, ou L.en Amérique en 1826–1825«, das. 1829). Auf die Nachricht von dem Ausbruch der Julirevolution in Paris eilte er sofort dahin und übernahm 29. Juli das Kommando der Pariser, später das der ganzen französischen Nationalgarde. Er ließ sich trotz eigentlich republikanischer Absichten von Ludwig Philipps geschickten Schmeicheleien gewinnen, und seine damals unbegrenzte Volkstümlichkeit verschaffte den Orléans den Thron. Die Umarbeitung der Charte fiel jedoch keineswegs nach seinem Wunsch aus, und bereits im März 1831, als Casimir Périer Minister wurde, stand L. wieder in den Reihen der republikanischen Opposition und gründete 1833 den Verein der Menschenrechte. L. war ein edler und bei allem persönlichen Ehrgeiz für die Sache der Freiheit begeisterter Patriot; jedoch kamen der Reinheit seiner Absichten die Klarheit seiner politischen Einsicht und die Festigkeit seines Charakters nicht gleich. 1883 ward sein Denkmal zu Puy enthüllt. Vgl. Regnault Warin, Mémoires pour servir à la vie du général L. età l'histoire de l'Assemblée constituante (Par. 1824, 2 Bde.); Sarrans, L. et la révolution de 1830 (das. 1832, 2 Bde.); »Mémoires, correspondance et manuscrits du général L.« (das. 1837–40, 8 Bde.); »Correspondance inédite de L., 1793–1801« (hrsg. von Thomas, das. 1903); Büdinger, L., ein Lebensbild (Leipz. 1870) und L. in Österreich (Wien 1878); Tuckerman, Life ok general L. (New York 1889, 2 Bde.); Bardoux, La jeunesse de L. (Par. 1892) und Les dernières années de L. (1892); Tower, The marquis de la Fayette in the America in revolution (Philad. 1895, 2 Bde.; franz. Umarbeitung von Mad. G. Paris, Par. 1902–03, 2 Bde.); Charavay, Le général L. (das. 1898); Doniol, L. dans la Révolution, 1775–1799 (das. 1904).

3) George Washington de, einziger Sohn des vorigen, geb. 1777, gest. 30. Nov. 1849, trat früh in das Heer und zeichnete sich in den Feldzügen in Italien, Österreich, Preußen und Polen rühmlichst aus. Seit 1815 fast beständig Mitglied der Kammer, hielt er sich auf der äußersten Linken und ward 1848 nach der Februarrevolution Vizepräsident der Konstituierenden Versammlung.

4) Oscar Thomas Gilbert, Marquis de, Sohn des vorigen, geb. 1816 in Paris, gest. 26. März 1881, trat in die Artillerie und zeichnete sich in mehreren Gefechten in Algerien aus. Als Kapitän zurückgekehrt, ward er in die Deputiertenkammer gewählt und gehörte darin zur Opposition. Nach der Februarrevolution von 1848 wurde er Abgeordneter in der Konstituante und in der Legislative, wo er mit den gemäßigten Republikanern stimmte. Auch in der Nationalversammlung 1871–76 gehörte er zur republikanischen Partei und wurde von ihr in den Senat gewählt. – Sein jüngerer Bruder, Edmond de L., geb. 11. Juli 1818 in Lagrange, gest. 11. Dez. 1890 in Paris, ward nach 1848 Mitglied der Konstituante und teilte die liberalen Grundsätze seiner Familie; im Januar 1876 wurde er zum Senator erwählt.


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