Löwe [3]

Löwe [3]

Löwe, 1) Name einer vielverzweigten Schauspielerfamilie, deren Stammvater Johann Karl (geb. 1731 in Dresden, gest. 1807 in Lübeck) nebst seiner Frau Katharina Magdalena Ling (geb. 1745) bei verschiedenen Truppen (unter anderm in Berlin) angestellt war, längere Zeit auch die Direktion des Hoftheaters in Schwedt führte. Er glänzte in komischen, seine Frau besonders in Soubrettenrollen. – Sein Sohn Johann Heinrich, geb. 1766 in Berlin, gest. 1835 in Bromberg, wurde 1799 Konzertmeister in Bremen, später Musikdirektor und machte sich auch als Komponist und Violinvirtuos bekannt. 1815 zog er nach Bromberg. – Dessen Bruder Friedrich August Leopold, geb. 1767 in Schwedt, gest. 1816 als Theaterdirektor in Lübeck, war ein tüchtiger Sänger und Schauspieler; seine Operette »Die Insel der Verführung« fand allgemeinen Beifall. – Dessen Sohn Ferdinand, geb. 1787 in Mansfeld, gest. 13. Mai 1832 in Wien, wirkte an den Bühnen in Magdeburg, Braunschweig, Düsseldorf, Kassel, Leipzig, Mannheim und Frankfurt und war namentlich als Held im Trauerspiel ausgezeichnet. – Seine Tochter Johanna Sophie, eine der berühmtesten Sängerinnen Deutschlands, geb. 24. März 1815 in Oldenburg, gest. 29. Nov. 1866 in Pest, bildete sich seit 1831 in Wien bei Ciccimara und trat 1832 mit solchem Glück im Kärtnertortheater auf, daß sie alsbald engagiert wurde. Eine Gastspielreise in Norddeutschland hatte 1837 ihr Engagement an der Berliner Hofbühne zur Folge. Nach mehreren Kunstreisen nach England, Frankreich und Italien vermählte sie sich 1848 mit dem k. k. Feldmarschalleutnant Fürsten Friedrich von Liechtenstein. Mit vollendeter Gesangskunst vereinigte sie ein sein nuanciertes, geistreiches Spiel. – Ihr Bruder Franz Ludwig Feodor, geb. 5. Juli 1816 in Kassel, gest. 21. Juni 1890 in Stuttgart, wirkte erst an den Bühnen in Hamburg und Frankfurt und seit 1841 an der Hofbühne in Stuttgart, wo er bis zu seinem Tode, auch als Regisseur, tätig war. Seine vollendetsten Schöpfungen waren Hamlet, Leicester (in »Maria Stuart«), Faust, Bolingbroke und Karl Moor. Auch hat L. durch Schwung und Formschönheit ausgezeichnete »Gedichte« (Stuttg. 1854, 2. Aufl. 1860), »Neue Gedichte« (das. 1875) sowie Freimaurerdichtungen: »Den Brüdern« (4. Aufl., das. 1901), »Aus eigner Werkstatt« (das. 1881) u.a., veröffentlicht. – Julie Sophie, Tochter von Friedrich August Leopold L., geb. 1786, gest. 11. Sept. 1852 in Wien, war bis 1809 Mitglied des Petersburger deutschen Theaters, kam später nach Prag, 1812 an das Theater an der Wien und war von 1813–1842 eine Zierde des Hofburgtheaters in Wien, namentlich im feinern Lustspiel und Konversationsstück. – Ihr Bruder Johann Daniel Ludwig, der berühmteste unter den männlichen Sprossen der Familie, geb. 29. Jan. 1795 in Rinteln, gest. 7. März 1871 in Wien, trat 1808 in die Kindergesellschaft des Direktors Nuth ein, wirkte 1811–19 in Prag erst im Fach der niedern Komik, trat später auch in Liebhaber- und Heldenrollen auf und ging 1821 an die Hofbühne in Kassel, 1826 an das Hofburgtheater in Wien, an dem er 1838 Regisseur, später Ehrenmitglied wurde. L. hat auf fast allen bedeutenden Bühnen gastiert, überall mit gleichem Beifall. Im Lustspiel glänzte er durch seinen, ungezwungenen Ton und liebenswürdigen Humor. – Auch seine Tochter Anna (Nina), geb. 1821 in Kassel, gest. 27. April 1884 in Lemberg, war eine geschätzte Schauspielerin im Fach der jugendlichen Liebhaberinnen und in tragischen Rollen. Sie hatte 1833 am Hofburgtheater debütiert, gehörte ihm bis 1849 als Mitglied an und war darauf in Lemberg engagiert, wo sie später einen Grafen Potocki heiratete.

2) Karl, Balladenkomponist, geb. 30. Nov. 1796 in Löbejün bei Halle, gest. 20. April 1869 in Kiel, besuchte das Gymnasium in Halle, daneben Türks musikalischen Unterricht genießend, und studierte dann daselbst Theologie, nahm aber 1822 die Stellung eines Gymnasialgesanglehrers und städtischen Musikdirektors in Stettin an, die er fast ein halbes Jahrhundert bekleidete. 1866 trat er in den Ruhestand. Der unvergängliche Ruhmestitel Löwes sind seine zahlreichen Balladen, für welches Genre der Liedkomposition er zuerst eine unterscheidende Form gefunden hat, die durch Umbildung festgehaltener Motive den epischen Charakter zur Geltung bringt. Die ersten derselben (darunter »Der Erlkönig«) schrieb er schon als Student 1818. Besonders beliebt sind: »Archibald Douglas«, »Tom der Reimer«, »Edward«, »Heinrich der Vogler«, »Prinz Eugen«, »Oluf«, »Der Nöck« u.a. Eine Abart der Balladen sind seine Legenden: »Gregor auf dem Stein«, »Der Weichdorn« u.a., von seinen sonstigen Liedern ist besonders beliebt »Die Uhr«. Seine Oratorien, von denen einige (»Der Apostel von Philippi«, »Johannes der Täufer«, »Die Heilung des Blindgeborenen«) für Männerchor a cappella komponiert sind, desgleichen seine Opern, Kammermusikwerke und Klaviersonaten sind vergessen. Denkmäler wurden ihm in Löbejün (1896), im Düsternbrooker Gehölz bei Kiel (1896, von Schaper), ein drittes (von v. Glümer) 1897 in Stettin errichtet. Eine Gesamtausgabe der Balladen, Legenden und Gesänge redigierte M. Runze (Leipz. 1899–1903, 17 Tle.). Als Schriftsteller trat L. auf mit einer »Gesanglehre für Gymnasien, Seminarien und Bürgerschulen« (2. Aufl., Stett. 1828) und mit einem kurzen Kommentar zum zweiten Teil von Goethes »Faust« (Berl. 1834), der von Rob. Prutz in einer besondern Schrift (das. 1834) beurteilt worden ist. Seine »Selbstbiographie« wurde von Bitter (Berl. 1870) herausgegeben. Vgl. Runze, Karl L., eine ästhetische Beurteilung (Leipz. 1884), dessen Biographie Löwes in Reclams Universal-Bibliothek (das. 1903) und. Löwe redivivus' (gesammelte Aufsätze, Berl. 1888); Wossidlo, K. L. als Balladenkomponist (das. 1894); H. Bulthaupt, Karl L., Deutschlands Balladenkomponist (das. 1898).

3) Wilhelm, deutscher Politiker (L.-Kalbe), geb. 14. Nov. 1814 in Olvenstedt bei Magdeburg, gest. 2. Nov. 1886 in Meran, studierte Medizin, ward Arzt in Kalbe und kam 1848 in das Frankfurter Parlament, wo er zur demokratischen Linken gehörte. 1849 zum ersten Vizepräsidenten, bei der Übersiedelung nach Stuttgart zum Präsidenten gewählt, ward er, wie alle Teilnehmer an den Stuttgarter Beschlüssen, angeklagt, aber in zwei Instanzen freigesprochen, bis ihn das Obertribunal zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilte. L. lebte inzwischen in der Schweiz, in London und acht Jahre lang in New York, wo er die ärztliche Praxis ausübte, bis ihm der Amnestieerlaß vom 12. Jan. 1861 die Rückkehr ermöglichte. 1863 ward er in das Abgeordnetenhaus und 1867 in den Reichstag gewählt, wo er sich der Fortschrittspartei anschloß und dem Sechsunddreißiger-Ausschuß angehörte. 1874 schied er aus der Fortschrittspartei aus und vertrat 1879 eifrig das Schutzzollsystem, ward aber 1881 nicht wieder gewählt. Im Abgeordnetenhaus war er von 1871–75 Vizepräsident, lehnte aber 1876 eine Wiederwahl ab.

4) Ludwig, Industrieller, geb. 27. Nov. 1837 in Heiligenstadt, gest. 11. Sept. 1886 in Berlin, widmete sich dem Kaufmannsstand, dann dem Maschinenfach, studierte in Nordamerika den Maschinenbau und begründete in Berlin 1869 eine Nähmaschinenfabrik in amerikanischem Stil. Er arbeitete mit amerikanischen Werkzeugmaschinen, die hier zum erstenmal in Deutschland zur Verwendung kamen, und brachte die dem amerikanischen System eigne Präzision bei der Massenfabrikation in so hohem Maße zur Geltung, daß das preußische Kriegsministerium 1871 beschloß, die eigne Waffenfabrikation nach gleichem System einzurichten, zumal L. durch die Bereitwilligkeit zur Anfertigung von einer Million Visieren Garantien für den Erfolg übernommen hatte. L. baute jetzt auch selbst amerikanische Werkzeugmaschinen, lieferte der Armee Revolver und nebenbei zahlreiche Maschinen und Ausrüstungsgegenstände für die preußischen Staats- und für Privatwerkstätten. Die Nähmaschinenfabrikation war 1879 aufgegeben worden. Seit 1864 gehörte er bis zu seinem Tode den Berliner Stadtverordneten an und wirkte hier namentlich für die Entwickelung des Volksschulwesens. 1876 wurde er ins preußische Abgeordnetenhaus und 1878 in den Reichstag gewählt, in dem er sich der Fortschrittspartei anschloß.

5) Isidor, Industrieller, Bruder des vorigen, geb. 24. Nov. 1848 in Heiligenstadt, trat 1875 in die Gesellschaft Ludwig Löwe u. Komp. ein und führte die Direktion in Gemeinschaft mit seinem Bruder bis zu dessen Tode, seitdem allein. Er errichtete in den 1890er Jahren eine große Werkzeugmaschinenfabrik in Martinikenfelde bei Berlin, um die Herstellung von erstklassigen Präzisionswerkzeugmaschinen im großen rationeller und billiger als bisher zu betreiben. Die Fabrik gilt als Muster für moderne Eisenbearbeitungswerkstätte n. Schon 1887 hatte er die Gewehr- und Gewehrmunitionsfabrikation, speziell die Herstellung kleinkalibriger Waffen und rauchloser Munition in Martinikenfelde begonnen. Er vereinigte die Fabrik 1887 mit der Gewehrfabrik von Mauser in Oberndorf, die dem deutschen Heer mehrere Gewehrmodelle (M/71 und 71/84, 98 sowie die wesentlichen Bestandteile des neuen kleinkalibrigen Gewehrs M/88) gegeben hat, und konstituierte im Verein mit den Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken die zu hoher Entwickelung gelangte Deutsche Metallpatronenfabrik in Karlsruhe, trennte dann die Waffenfabrik der Gesellschaft Ludwig Löwe u. Komp. von dieser ab und vereinigte sie unter der Firma »Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken« mit der deutschen Metallpatronenfabrik zu einer selbständigen Gesellschaft, der er als Vorsitzender des Aufsichtsrates vorsteht. Auf Grund der von L. geschaffenen Organisation entwickelte sich die Fabrikation der Militärhandfeuerwaffen in Deutschland zu so hoher Blüte, daß sie jetzt den Weltmarkt, von dem sie früher ganz ausgeschlossen war, fast allein beherrscht. Seit 1891 richtete L. die Tätigkeit der Fabrik auch auf das elektrische Gebiet und konstituierte 1892 mit der Thomson-Houston-Elektrizitätsgesellschaft in Boston die Union, Elektrizitätsgesellschaft in Berlin, die nach dem System der Thomson-Houston-Gesellschaft elektrische Bahnen baut. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien Ludwig Löwe u. Komp. wurde 1893 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Die Gesellschaft arbeitete ursprünglich mit einem Kapital von 3/4 Mill. Mk., das sich im Laufe der Jahre verzehnfachte (7,5 Mill. Mk.), die Reserven betrugen Ende 1904 ebenfalls 7,5 Mill. Mk., und ein gleicher Betrag ist in Obligationen ausgegeben. Außerdem hat die Gesellschaft Verpflichtungen im Betrage von 2 Mill. Mk. Dagegen repräsentieren Grundstücke und Gebäude 6, die Betriebsmittel 2 und die Vorräte 3 Mill. Mk. Die Debitoren betragen 2,25 Mill. Mk. Außerdem hat die Gesellschaft einen Effektenbestand von 13 Mill. Mk. Die seit Bestehen der Gesellschaft durchschnittlich gezahlte Dividende beträgt 131/2 Proz. Das Aktienkapital der deutschen Waffen- und Munitionsfabriken beträgt 15 Mill. Mk., die Reserven ca. 5, die Kreditoren 4,5 Mill. Mk. Dagegen sind in Grundstücken und Gebäuden angelegt ca. 5, in Betriebsmitteln ca. 4, in Effekten ca. 5, in Vorräten ca. 6 Mill. Mk. Die Debitoren betrugen 8 Mill. Mk. Die Dividende betrug seit Bestehen der Gesellschaft durchschnittlich 153/4 Proz. L. ist Vorsitzender des Kuratoriums für wissenschaftlich-technische Untersuchungen in Neubabelsberg, Mitglied des Landeseisenbahnrates und des Bezirkseisenbahnrates Berlin und Stettin.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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