Kulm [4]

Kulm [4]

Kulm, 1) Dorf in Böhmen, Bezirksh. Aussig, am Fuße des Erzgebirges, an der Staatsbahnlinie Bodenbach-Komotau, hat ein Schloß des Grafen Westphalen mit Park, Bierbrauerei, Eisengießerei, Braunkohlenbergbau und (1900) 1081 deutsche Einwohner. K. ist berühmt durch die hier 29. und 30. Aug. 1813 gelieferte Schlacht zwischen den Franzosen unter Vandamme und den verbündeten Preußen und Russen. Nach der Schlacht bei Dresden (26. u. 27. Aug.), in der die Verbündeten, Russen, Preußen und Österreicher, von Napoleon zurückgeschlagen worden waren, und auf die Kunde, daß der französische General Vandamme nach einem heftigen Kampfe gegen eine russische Heeresabteilung unter dem Herzog Eugen von Württemberg die Elbe 26. Aug. überschritten und Pirna am 27. besetzt habe, um den Verbündeten den Weg nach Böhmen auf der großen Straße nach Teplitz abzusperren, wollten diese den Rückzug über das Gebirge erzwingen. Indes in Erkenntnis der Gefahr, die der böhmischen Armee dadurch drohte, kehrte Eugen, durch die russischen Garden unter Jermolow auf 15,000 Mann verstärkt, am 28. auf die große Straße zurück und erreichte am Abend glücklich vor Vandamme Peterswalde. Hier wurden die Russen am 29. früh angegriffen und in den Teplitzer Talkessel auf K. zurückgeworfen. Sie sammelten sich aber bei Priesten wieder und behaupteten an diesem Tage ihre Stellung gegen die heftigen Angriffe Vandammes. Dieser, im Glauben, daß, wie früher befohlen war, Mortier und Saint-Cyr mit ihren Korps ihm folgten, erneuerte mit großer Energie am 30. den Angriff auf die Verbündeten, die sich inzwischen durch russische und österreichische Truppen auf 45,000 Mann vermehrt hatten, und die nun Barclay befehligte. Da erschien im Rücken der Franzosen das preußische Korps Kleists, das über den Kamm des Gebirges nach Nollendorf marschiert war. Gegen 10 Uhr vormittags griff es in den Kampf ein, die Russen und Österreicher eroberten K. und brachten die Franzosen in gänzliche Verwirrung, während alle Versuche derselben, nach Peterswalde durchzubrechen, von den Preußen zurückgeschlagen wurden. Die Niederlage war vollkommen; Vandamme mußte sich mit 10,000 Mann den Siegern ergeben. 5000 Franzosen waren gefallen, zahlreiche Geschütze, Trophäen und alle Bagage genommen. Drei Denkmäler bei Arbesau: ein preußisches (1817), ein österreichisches (1835) und ein russisches (1837), erinnern an den Sieg. Vgl. Aster, Die Kriegsereignisse im August 1813 und die Schlacht bei K. (Dresd. 1845); Helldorf, Zur Geschichte der Schlacht bei K. (Berl. 1856); v. Helfert, Die Schlacht bei K. (Wien 1863); Uhlig v. Uhlenau, Das Kriegsjahr 1813 mit besonderer Berücksichtigung der Schlacht bei K. (Dresd. 1863).

2) (Culm) Kreisstadt im preuß. Regbez. Marienwerder, 2 km von der Weichsel, auf dem hohen Rande der Niederung, noch von einer Stadtmauer aus dem 13. Jahrh. umgeben, Knotenpunkt der Staatsbahnlinien Kornatowo-K. und K.-Unislaw, hat 2 evangelische und 2 kath. Kirchen, Synagoge, ein altertümliches Rathaus, Gymnasium, Realschule, ein Kloster der Barmherzigen Schwestern, ein Denkmal des Kaisers Friedrich III., Amtsgericht, Reichsbanknebenstelle, Eisengießerei mit Maschinenbau und Kesselschmiederei, Faßreifenfabriken, Dampfschneidemühlen, Essigfabrikation, Bierbrauerei, Ziegeleien, Getreidehandel, Schiffahrt und (1900) mit der Garnison (ein Jägerbataillon Nr. 2 und eine Maschinengewehrabteilung Nr. 4) 11,079 Einw., davon 3530 Evangelische und 339 Juden. Das 1776 von Friedrich II. gegründete Kadettenhaus wurde 1. Okt. 1890 nach Köslin verlegt. – K. ward vom Herzog Konrad von Masovien dem ersten Bischof von Preußen, Christian, geschenkt und von Friedrich II. 1226 dem Deutschen Ritterorden verliehen. Dieser legte 1232 die Stadt K. weiter unterhalb an der Weichsel an und gab ihr (und zugleich Thorn) in der Kulmischen Handfeste 1233 eine deutsche Städteordnung, die ein Vorbild für alle Städtegründungen im Ordensland wurde (vgl. Handfeste). 1244 wurde K. vom Herzog Swantepolk von Pomerellen belagert, indessen von den Frauen des Ortes erfolgreich verteidigt. Der Papst erlaubte dem Hochmeister 1387, in K. eine Universität zu gründen. K. wurde später Mitglied der Hansa, beteiligte sich dann an dem Aufstand gegen die Ordensherrschaft und wurde 1466 auf Grund des zweiten Friedens zu Thorn an Polen abgetreten, von dem es 1772 an Preußen kam. Das Kulmer Land, zwischen Weichsel, Drewenz und Ossa, bildet in seinem Hauptteil eine sehr fruchtbare, fast ebene Landschaft, die nur selten über 120 m ansteigt, mit zahlreichen Gütern. Vgl. Schultz, Geschichte der Stadt u. des Kreises K. (Danz. 1876) und Geschichte der Stadt K. im Mittelalter (das. 1888); Brauns, Geschichte des Kulmer Landes bis zum Thorner Frieden (2. Aufl., Thorn 1881).


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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