Kreideformation

Kreideformation

Kreideformation (Quadersandsteinformation, Grünsandformation, Glaukonitformation, cretazische oder cretazeïsche Formation; hierzu Tafel »Kreideformation I u. II«), die jüngste der Formationen in der mesozoischen Gruppe. Das der K. den Namen gebende Gestein, Kreide (s. d.), auch weiße Kreide, Schreibkreide genannt, ist nicht überall entwickelt, sondern wird häufig durch Sandsteine, die neben deutlicher Schichtung noch eine quaderförmige Absonderung erkennen lassen (daher Quadersandsteine), durch Kalksteine, tonige Kalke oder Mergel (Plänerkalk und-Mergel) sowie durch andre tonige und sandige Gesteine ersetzt. Alle diese Gesteine nehmen mitunter Glaukonit auf und werden dadurch glaukonitisch (glaukonitische oder chloritische Kreide, Glaukonitmergel, glaukonitischer Sand, Grünsand, Greensand, Grünsandstein etc.). Die Quadersandsteine verwittern (eine Folge der ungleichförmigen Verteilung eines bald kieseligen, bald tonigen Bindemittels) oft zu grotesken Bergformen (Sächsisch-Böhmische Schweiz, Adersbacher Tal im Riesengebirge, vgl. Tafel »Erosion«, Fig. 7 u. 1). Mehr untergeordnet treten Schiefertone und Tone auf sowie besondere, nur an bestimmten Lokalitäten und in bestimmten Etagen der K. entwickelte Kalksteinvarietäten, wie der Kreidetuff (s. Kreide) und die Korallenkreide, wie der Name besagt, ein wesentlich aus Korallenfragmenten bestehendes Gestein. Der weißen Kreide sind häufig Feuersteinknollen, mitunter in bizarren Formen, eingelagert, die, grob lagenweise verteilt, der an sich ungeschichteten Kreide eine Art Schichtung erteilen. An floristischen Resten ist die K. sehr arm; charakteristisch ist für sie das erste Auftreten der angiospermen Dikotyledonen (Credneria, Eiche, Weide, Ahorn etc.). Viel mannigfaltiger sind die Tierreste. Schwämme (Coeloptychium, Siphonia, Tafel I, Fig. 1 u. 9) uno Korallen (Cyclolites, Tafel I, Fig. 10) treten in einzelnen Etagen in zahlreichen Exemplaren auf, werden aber übertroffen an Formenreichtum durch die Rhizopoden, die nicht nur an dem Aufbau der Kreide selbst einen hervorragenden Anteil nehmen, sondern auch häufig als Steinkerne in den obenerwähnten Glaukonitkörnern vorkommen. Einige der zierlichen Gestalten sind, stark vergrößert, auf unsrer Tafel I (Fig. 2–8) dargestellt: Bulimina, Textularia, Lituola, Bolivina, Orbitolina und Dentalina. Von Echinodermen sind Seeigel besonders formenreich entwickelt; als Beispiel führt unsre Tafel I die sehr häufige Ananchytes ovata sowie eine Discoidea- und eine Salenia-Art (Fig. 13, 11 u. 15) auf. Unter den Mollusken finden die Brachiopoden (s. Crania auf Tafel II, Fig. 15) und Konchiferen (s. Exogyra, Ostrea, Inoceramus, Protocardium und Trigonia auf Tafel II, Fig. 2, 16, 1, 3, 14 u. 6) zahlreiche Vertreter; als besonders charakteristische Formen aber sind aus der letztern Ordnung die der eigentümlichen, auf die K. (und zwar auf den sogen. Rudistenkalk, Caprotinenkalk, Hippuritenkalk) ausschließlich beschränkten Familie der Hippuriten (Rudisten, Caprotinen, Radioliten) zu erwähnen, von denen die Tafel II, Fig. 4, 9, 5 u. 10, Hippurites und Caprina zur Darstellung bringt. Wie im Silur und Devon, zeigen die Hauptvertreter der Cephalopoden, die Vierkiemer, eine große Mannigfaltigkeit der Auswickelungsformen (Baculites, Toxoceras, Crioceras, Ancyloceras und Turrilites der Tafel I, Fig. 12, 18, 14, 19 u. 20); aber im Gegensatz zu den paläozoischen Repräsentanten mit den einfachen Suturlinien besitzen alle hierher gehörigen Genera mit einziger Ausnahme des auch in der K. vertretenen Genus Nautilus die komplizierten Suturlinien der Ammoniten (eingezeichnet in Fig. 12 der Tafel I). Hierher zählt auch Rhynchoteuthis (Tafel I, Fig. 16), mit welchem Namen die Schnäbel von Nautilus- oder Sepia-Arten bezeichnet werden. Endlich gehen von den zu den Cephalopoden gehörenden Sippen die Belemniten zahlreich in die K. über, in der obern Abteilung repräsentiert durch das Genus Belemnitella (Tafel I, Fig. 17), das an dem Schlitz am obern und dem knopfartigen Ansatz am untern Ende der Scheide leicht erkennbar ist. Von Wirbeltierresten bringt unsre Tafel II in Fig. 8 die breiten Pflasterzähne von dem Fisch Ptychodus (vorzügliches Leitfossil für die K.), in Fig. 12 die spitzen Haifischzähne von Otodus, in Fig. 70 u. b die Schuppen eines zykloiden Fisches mit glattem Hinterrand und diejenigen eines ktenoiden mit gezähneltem Hinterrand, ferner in Fig. 17 den Kopf von einem Mosasaurus, einem Repräsentanten der besonders in der Ordnung der Dinosaurier reich entwickelten Reptilien, zur Darstellung. Sehr merkwürdig sind die von Marsh aus der K. von Kansas beschriebenen Odontornithen, Vögel, die im Übergang zu den Reptilien und der jurassischen Archaeopteryx eine vollständige Bezahnung, die Zähne in eine Rinne oder in einzelne Alveolen eingelassen, besitzen. Es lassen sich unter diesen Laufvögel (wie die storchgroße Hesperornis, Tafel II, Fig. 11 u. 13) und Flugvögel, mit dem Hauptrepräsentanten Ichthyornis, unterscheiden.

Man gliedert die K. allgemein in fünf Etagen, zu deren unterster, 1) dem Neocom (Neocomien nach Neocomum, Neuchâtel, genannt) oder Hils (nach dem gleichnamigen Höhenzug in Braunschweig), neben den Hilskonglomeraten und -Tonen die Sandsteine des Teutoburger Waldes, der Schratten- (oder Caprotinen-) und Spatangenkalk der Alpen, das Urgonien (nach Orgon, Departement Rhonemündungen) in Frankreich und der Speetonclay (Tone und Mergel) der Engländer zu zählen sind. 2) Zum Gault (englischer Provinzialismus für einen fetten Ton) gehören die Schichten von der Aube (Albien) und von Apt (Aptien) in Frankreich, die Flammenmergel Norddeutschlands (graue, dunkelgeflammte, sandige Mergel) und der Lower Greensand (Grünsand) Englands. Diese zwei Etagen werden gewöhnlich als untere K. der dreietagigen obern K. entgegengestellt, die sich ihrerseits gliedert in 1) Cenoman (Cenomanien, nach Cenomanum [Le Mans] 1840 von d'Orbigny genannt), 2) Turon (Touronien, nach Tours) und 3) Senon (Sénonien, nach Sens, Departement Yonne). Der untersten dieser drei Etagen, dem Cenoman, gehören unter anderm die Grünsande aus der Essener Gegend, die sogen. Tourtiabildungen in Belgien und Frankreich, der untere Pläner und der untere Quadersandstein Sachsens, Böhmens und Schlesiens, die pflanzenführenden Schichten von Niederschöna in Sachsen, der Upper Green-Sand der englischen Geologen an, der mittlern Etage, dem Turon, die mittlern und obern Plänermergel und der mittlere Quadersandstein Sachsens, in England die untere Kreide ohne Feuersteineinlagerungen und von der alpinen Fazies die Seewenschichten und Gosaubildungen mit dem Hauptlager der Hippuriten sowie die Orbitolinenschichten der Bayrischen Alpen. Zum Senon endlich, das auch wohl in die in Westfalen an der Basis gelegenen, bis 500 m mächtigen sogen. Emscher Mergel und (nach den sehr verbreiteten Leitfossilen Belemnitella quadrata und B. mucronata) in die tiefere Quadraten- und höhere Mukronatenkreide eingeteilt wird, stellt man den schlesischen »Überquader« und sächsischen obern Quadersandstein samt den darunterliegenden Bakulitenschichten, die Feuerstein führende Kreide Englands und Rügens, die Faxe- und Saltholmskalke Dänemarks (Danien), die Aachener Sande und die Kreidetuffe von Maastricht, die Pisolithenkalke der Umgegend von Paris sowie die Fischschiefer des Libanon. Nur zum Teil sind gewisse Flyschbildungen (Macigno) sowie der Wiener Sandstein (Karpathensandstein) der obersten K. zuzuzählen, zum andern Teil sind sie vielmehr Äquivalente des Eocäns, der untersten Etage der Tertiärformation.

In der Ausbildung der K. läßt sich bereits eine auf klimatischen Differenzen beruhende Faziesverschiedenheit deutlich nachweisen: eine südliche (mediterrane, alpine) und eine nördliche Faziesbildung. Die erstere ist durch das massenhafte Auftreten der Rudisten (Hippuriten) charakterisiert, während die nördliche Fazies neben vorwaltenden Ammoniten und Belemniten diese eigentümlichen Konchiserensormen nur ganz sporadisch enthält. Die Kreidegebiete Englands, Nordfrankreichs, Deutschlands (Rügen, Westfalen, Harz, Sachsen, Regensburg), Südschwedens und von New Jersey in Nordamerika gehören der nördlichen Fazies an, Portugal, Spanien, Südfrankreich, die Alpen und Griechenland der südlichen, mit der auch die außereuropäischen Gebiete: Kleinasien, Kaukasus (vgl. Tafel »Erosion«, Fig 1), Indien, Nordafrika (mit senoner Schreibkreide in der Libyschen Wüste und dem ältern, viel weiter verbreiteten sogen. Nubischen Sandstein), Texas und andre Gegenden Nordamerikas, die Westküste von Südamerika, Andengebiete und Brasilien, die größten Analogien zeigen. Vgl. hinsichtlich der geographischen Verbreitung der K. (und speziell des Untersenons) auch Tafel »Geologische Formationen V«, Fig. 3. – Vulkanische Gesteine, die nachweisbar der K. zugehören, finden sich nur in wenigen Gegenden: in Europa kommen Teschenite und Pikrite gang- und stockförmig am Nordabfall der Karpathen, in Mähren etc. vor, ferner dioritische Gesteine (Banatite) im Banat; Augitgesteine mit Leucit oder Nephelin (Missourit und Theralith) finden sich in Montana; basaltähnliche Gesteine haben sich in der spätern Kreidezeit über große Flächen Vorderindiens (in Dekhan) ausgebreitet, und auch in den südamerikanischen Anden sind während der Ablagerung der Kreidebildung ungeheure Massen von porphyrischen Eruptivgesteinen emporgedrungen. – Unter den technisch nutzbaren Mineralien sind in erster Linie die Quadersandsteine als wichtiges, namentlich an den sächsischen Elbufern massenhaft gewonnenes Baumaterial, die Kalke und Mergel als Rohstoff zur Mörtel- und Zementfabrikation und die Schreibkreide anzuführen. Einige alpine Kreidekalke bilden schöne Marmorvarietäten. Phosphorite stellen sich mitunter (so namentlich in Südrußland und bei Folkestone in England) in bauwürdiger Menge ein, ebenso Eisenerze (Peine, Salzgitter, Nordabfall der Karpathen). Gangförmig eingelagerte Erze sind selten (Bleiglanz und Blende bei Stadthagen in Westfalen, Kupfer-, Blei- und Eisenerze im Banat), häufiger dagegen gangförmige Imprägnationen von Asphalt (Bentheim bei Osnabrück) und Gänge von Strontianit (im Senon bei Hamm in Westfalen). Endlich sind noch kleine Kohlenflöze zu erwähnen, die bei Niederschöna, Quedlinburg und bei Ottendorf in Schlesien einem bescheidenen Abbau unterworfen sind.


http://www.zeno.org/Meyers-1905. 1905–1909.

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